Die Blockchain nimmt an Fahrt auf

Als grundlegende Technologie von Kryptowährungen hat sich die Blockchain einen Namen gemacht. Mittlerweile wird sie auch im Unternehmensbereich eingesetzt, insbesondere die Logistikbranche und der öffentliche Sektor setzen auf das digital abgebildete Vertrauen. [...]

Matthias Lichtenthaler, Blockchainexperte und Bereichsleiter Digitale Transformation beim Bundesrechenzentrum (BRZ)
Matthias Lichtenthaler, Blockchainexperte und Bereichsleiter Digitale Transformation beim Bundesrechenzentrum (BRZ) (c) BRZ

Vor zwei Jahren haben die weltweit größte Containerschiff-Redderei Maersk und IBM mit TradeLens eine Plattform gegründet, die die Zusammenarbeit in der globalen Lieferkette durch einen effizienten, transparenten und sicheren Informationsaustausch verbessern soll. Der Clou: Diese offene und neutrale Branchenplattform fußt auf Blockchain-Technologie, eine dezentrale Datenbank, die alle Arten von Transaktionen in eine Reihe von Blöcken gruppiert und in einem Peer-to-Peer-Netzwerk, bei dem alle Teilnehmer die gleichen Rechte besitzen, speichert. Vertrauen zwischen den Partnern wird dadurch gewährleistet, indem die Blöcke in chronologischer Reihenfolge über eine kryptografische Signatur miteinander verknüpft sind und nicht verändert werden können, wodruch die Blockchain fälschungssicher ist. Nachdem im Juli jetzt Hapag-Lloyd und ONE (Ocean Network Express) der Trade-Lens-Plattform beitraten, sind neben Maersk mit CMA CGM und MSC fünf der sechs größten Containerreedereien der Welt mit an Bord. Die Partner betonen, dass Transporte und Warenhandel teilweise deshalb so teuer sind, weil sie manuell auf Papier abgewickelt werden. Die Blockchain ersetzt den bisherigen und aufwändigen Informationsaustausch durch vernetzten digitalen Datenverkehr und durch Kooperationen über die gesamte Lieferkette hinweg. Die Blockchain stellt die Datenintegrität sicher, d.h. sie sorgt für eine gemeinsame, nicht manipulierbare Dokumentation aller Transaktionen innerhalb eines Netzwerks und ermöglicht Befugten den Zugriff auf gesicherte Daten in Echtzeit.

Tatsächlich ist der Einsatz der Blockchain in der Lieferkette, bei Immobilientransaktionen oder medizinischen Qualifizierung sehr sinnvoll. Speziell in der Logistik besitzt die Digitalisierung (einschließlich Blockchain, künstlicher Intelligenz und Drohnen) ein großes Optimierungspotenzial. Laut einer Umfrage des deutschen Digitalverbandes Bitkom erwarten zwei Drittel (68 Prozent), dass die Digitalisierung zu einer Zeitersparnis führt und die Fehler- und Ausfallanfälligkeit sinkt (43 Prozent).

Auch in Österreich ist man sich der Vorteile der Blockchain in der Logistikbranche bewusst und hat die »Blockchain Intitiative Logistik« ins Leben gerufen. Die Gründungsteilnehmer sind die Firmen EDITEL Austria, GS1 Austria, DB Schenker, LKW Walter, die Bundesvereinigung Logistik Österreich (BVL) und die WU Wien. Es ist geplant, weitere Partner aufzunehmen. Der erste konkrete Anwendungsfall ist die Digitalisierung von Frachtdokumenten. Die Branchenlösung soll jährlich rund 75 Mio. Prozesse bei österreichischen Logistikern automatisieren und zwölf Mio. Blätter Papier einsparen. Nach der jetzt gestarteten Pilotphase soll aus dem Projekt im Jahr 2020 eine kommerzielle Plattform entwickelt werden.

Ein Jahr Kettenbruck

Kettenbruck wurde im Juni 2018 der Öffentlichkeit vorgestellt und ist eine vom Bundesrechenzentrum (BRZ) erschaffene virtuelle Gemeinde, die konkrete, auf Blockchain-Technologie fußende Anwendungsfälle zeigt, die in einer volldigitalisierten Gemeinde möglich sind. Matthias Lichtenthaler, Bereichsleiter Digitale Transformation beim Bundesrechenzentrum (BRZ), konstatiert nach einem Jahr Kettenbruck eine stetig steigende Nachfrage seitens der Gemeinden und Bürgermeister in Österreich, aus denen sich bereits relevante Use-Cases entwickeln. Was sich nach Ansicht von Lichtenthaler ebenfalls sehr gut entwickelt hat, ist das Verständnis, dass Kettenbruck „eben nicht nur ein Schaufenster ist, sondern eine Validierungsplattform, eine technische Sandbox und damit quasi eine im Hintergrund befindliche Werkstatt“, mit der Einiges ausprobiert und im Testbetrieb „am offenen Herzen gesehen werden kann, ob eine Lösung wirklich einen Mehrwert bringt.“

Das BRZ hat mit SAP ein Digital Citizen Wallet entwickelt, mit Hilfe dessen durch die Kombination von Zweifaktor-Authentifizierung, Verschlüsselung und Blockchain-Technologie die Identität der User zweifelsfrei festgestellt wird. Solchermaßen kann der Bürger oder die Bürgerin auf sichere Art mit staatlichen Stellen kommunizieren beziehungsweise Online Behördenwege erledigen. Hier arbeite man an der Perfektionierung von Sprachassistenten, sodass die Bürger einfach eine Anfrage stellen können und sie entsprechend an die richtige Stelle weitergeleitet werden. Das Ziel sei dabei nicht für jede Lebenslage eine eigene App zu installieren, sondern die Services auf einer Plattform zusammenzufassen, wie das ja mit „oesterreich.gv.at“ schon gemacht werde, so Lichtenthaler. Bei Projekten arbeite das BRZ auch immer wieder mit Startups aus dem Bereich Blockchain zusammen. Eines, das man bei dem GovTech-Pioneers-Event in Wien kennengelernt habe, sei zum Beispiel das Unternehmen Realest8, das sich auf das Thema digitale Immobilientransaktion spezialisiert hat. Die Kommunikation zwischen Bürgern und Behörden werde mit der Blockchain auf ein neues Niveau gehoben, ist Lichtenthaler überzeugt. Nicht nur, dass beispielsweise Dokumente per Blockchain sicher übermittelt werden, entscheide jetzt der Nutzer dank entsprechender Datenschutzalgorithmen, wer wie lange ein Dokument sehen darf.

Die Quantengefahr

Das Vertrauen in die Blockchain beruht zu einem Gutteil auf der sehr starken Verschlüsselung. Gerade hier entstehen mit der Entwicklung von Quantencomputern mögliche Bedrohungsszenarien. Google hat bereits am 5. März 2018 mit Bristlecone einen Quantencomputer mit 72 Qubits vorgestellt. Zwar sind diese Computer noch nicht massenmarkt-tauglich, doch Firmen wie Google, IBM und Microsoft arbeiten unentwegt an der Verbesserung der Technologie. Es ist demnach nur noch eine Frage von wenigen Jahren, wann Quantencomputer die Forschungslaboratorien verlassen und eine größere Verbreitung erfahren. Dabei gilt: Für manche Rechenoperationen eignen sich Quantencomputer besser als für andere und übersteigen dort die Rechenleistung herkömmlicher Computer um ein Vielfaches. Das Problem: Speziell beim Knacken von Verschlüsselungsalgorithmen spielen sie ihre Stärke aus und können mittelfristig die Zeit, die es dafür braucht, in Zeitspannen bringen, wo es gefährlich wird. Die Antwort darauf sehen Experten in der Entwicklung von quantenresistenter Kryptografie, also in der Kombination von Blockchain und Quantentechnologie, wobei die Verschlüsselung nicht zuletzt mit Hilfe von Quantenrechnern „quantensicher“ gemacht werden soll.


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