In einer Pilotfabrik zeigt Atos gemeinsam mit der TU Wien heimischen Industrieunternehmen die Möglichkeiten von Industrie 4.0. [...]
Im Sommer 2015 wurde vom bmvit und der TU Wien der Startschuss für die erste österreichische Pilotfabrik im Technologiezentrum Aspern IQ (www.asperniq.at) gegeben. In dieser Pilotfabrik sollen heimischen Industriebetrieben die Möglichkeiten der Digitalisierung bzw. von Industrie 4.0 aufgezeigt werden. Für die IT-Referenzinstallation in der Pilotfabrik ist Atos als Systemintegrationspartner der TU Wien verantwortlich. „In einer digitalisierten Fabrik kommunizieren Menschen, Anlagen und Maschinen über Netzwerke miteinander, um Produktentstehungs-, Produktions- und Lieferprozesse zu optimieren“, erklärt Fritz Hödl, Senior VP Manufacturing, Retail & Transport Solutions CEE bei Atos, im Gespräch mit der COMPUTERWELT. Zwar seien die dafür notwendigen Basistechnologien und -anwendungen bereits heute in einigen Unternehmen im Einsatz, für die Produktion von morgen sei aber die Integration der einzelnen Komponenten zu einem intelligenten Gesamtsystem notwendig. Dafür hat Atos gemeinsam mit der TU eine Softwarelösung konzipiert, die eine digitale Fabrik komplett abbilden kann. „Und das mit einem so hohen Integrationsgrad der Daten, wie es bisher noch nicht gab“, so Hödl. Auf Basis der Integration von Technologien, wie etwa Big Data Analytics aus der Cloud, Product-Lifecycle-Management, Manufacturing Execution Systems und dem Enterprise-Resource-Planning SAP HANA, werden Referenzlösungen installiert und implementiert. Experten aus dem Hause Atos führen zudem die Anbindung von Kommunikationstechniken sowie die Installation externer Sensoren an den Maschinen durch, die für die Gewinnung der Prozessdaten unerlässlich sind. Intelligente Datenanalysen bzw. Algorithmen ermöglichen zudem präzise Maschinenzustandsanalysen und -optimierungen, wie beispielsweise Prognosen zu bevorstehenden Wartungen der Geräte. „So sind Unternehmen in der Lage, Verbesserungen bezüglich Durchlaufzeiten, Wartungen, Werkzeugen und Verbräuchen in der Fertigung rasch und zu wirtschaftlich vertretbaren Kosten umzusetzen.“
EINZIGARTIGE EXPERIMENTIERSTÄTTE UND LERNLABOR
Bevor heimische Unternehmen den digitalen Wandel in den eigenen Werkhallen wagen, haben sie die Gelegenheit, in der Pilotfabrik, die ihnen als Experimentierstätte und Lernlabor dienen soll, gemeinsam mit Wissenschaftern der TU Wien neue Verfahren zu entwickeln und zu testen. Zudem werden hier auch Fort- und Weiterbildungsprogramme für Mitarbeiter sowie eine industrienahe und integrative Ausbildung von Nachwuchsfachkräften und Studierenden für die Produktion von morgen angeboten. Weitere Projektpartner sind u. a. Siemens, SAP und EMC.
Laut Hödl gibt es so ein umfassendes Szenario mit einem derartigen ganzheitlichen Ansatz in Europa noch nicht. „Noch dazu haben wir gemeinsam mit der TU eine Methodik entwickelt, die Unternehmen bei der Digitalisierung unterstützen und den weiteren Weg aufzeigen kann – egal welchen Status sie beim Thema Digitalisierung oder Industrie 4.0 haben oder welche Systeme im Einsatz sind. „Das umfasst Bereiche wie Analyse, Strategieentwicklung, die Umsetzung der ersten Pilotprojekte, das Coaching der Mitarbeiter bis hin zur Abnahme der Projekte“, sagt Hödl. Atos fokussiert dabei auf drei Gruppen: Kunden, die sich noch überhaupt nicht mit dem Thema Digitalisierung beschäftigt haben, Kunden, die bereits Produkte im Einsatz haben, bei denen jedoch die Prozesse optimiert werden können, und Kunden, die mittels Digitalisierung neue Geschäftsmodelle erschließen wollen.
Workshops und Seminarreihen sollen ebenfalls dazu beitragen, dass sich Industrieunternehmen auf dem digitalen Weg zurechtfinden bzw. ihn nutzen können. „Am Ende soll ein konkretes Angebot stehen“, so Hödl. Bei fast allen Unternehmen sei es aber notwendig, die Datenbasis zu ändern. Dazu brauche man aber die richtigen Leute, also Data Scientists, und diese seien derzeit noch schwer zu finden. „Hier muss man Initiativen setzen“, betont Hödl.
AUFHOLBEDARF IN DEN IT-ABTEILUNGEN
Laut dem Experten wird das Thema Digitalisierung oder Industrie 4.0 sehr stark von den Fachabteilungen der Produktion getrieben. Das IT-Department würde hier hinterherhinken. „Dieses weiß oft gar nicht, wie es sich auf die neuen Herausforderungen vorbereiten soll“. Hödl sieht die Qualität einer IT-Abteilung künftig darin, wie hoch der Servicegrad an Unterstützung für die Fachabteilungen sein wird. „Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg.“ Über die nächsten Jahre werde sich die IT soweit ändern, dass sie nicht mehr unter einem CFO aufgehängt ist, sondern wieder unter einem „echten CIO, der aus einer Fachrichtung kommt, oder direkt an den Fachabteilungen“. Atos arbeitet deswegen auch an einer Methodik, wie man die IT-Abteilungen bei dem Thema unterstützen kann.
Im Rahmen der Partnerschaft mit der TU werden auch neue IT-Funktionen für die Produktion entwickelt. Gegenwärtig wird laut Hödl an einem Manufacturing Analytics System (MAS) zur Verbesserung von Fertigungsprozessen geforscht. Hierdurch sollen Produktivitätssteigerungen für Fertigungsschritte wie z. B. bohren, drehen oder fräsen erzielt werden. Ziel ist es, durch die Analyse aller Daten von Maschine, Produkt, Werkstück und Werkzeug konkret verwertbaren Nutzen zu generieren. „Der entscheidende Erfolgsfaktor eines Industrieunternehmens wird künftig die Implementierung neuer Prozesslogiken sein, die aus der gezielten Nutzung von Data Analytics entstehen“, sagt auch Friedrich Bleicher vom Institut für Fertigungstechnik der TU Wien. (cb)
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