„Die Digitalisierung findet statt“

August-Wilhelm Scheer steht wieder an der Spitze eines Unternehmens. Die Scheer GmbH will mit einem erweiterten Portfolio Themen wie Industrie 4.0 und Digitalisierung forcieren sowie Kunden eine ganzheitliche Betreuung anbieten. [...]

Der Universitätsprofessor August-Wilhelm Scheer hat ab 1984 mit IDS Scheer ein Unternehmen mit rund 3.000 Mitarbeitern sowie Niederlassungen in 30 Ländern aufgebaut und stand ein Vierteljahrhundert an der Spitze der Firma. 2008 verschlechterte sich jedoch die Gewinnsituation und Scheer verkaufte sein Unternehmen 2009 an die Software AG. Mit dem Beratungsgeschäft konnte die Software AG aber offenbar nicht so viel anfangen, denn ziemlich genau fünf Jahre nach der Übernahme verkaufte sie es wieder. Die beiden rechtlichen Einheiten, die Österreich und den Raum Deutschland/Schweiz bedienen, sicherte sich nun wieder Scheer. Im Gespräch mit der COMPUTERWELT erläutert der Experte die Beweggründe, warum er nun doch wieder als Unternehmensleiter tätig ist.

Herr Professor, warum stellen Sie sich noch einmal an die Spitze eines Unternehmens?
Ich hätte mich nach dem Unternehmensverkauf zur Ruhe setzen und auf dem Golfplatz Bälle in Löcher kullern lassen können. Ich betätigte mich als Businessangel und hatte Minderheitsbeteiligungen bei einigen Unternehmen. Aber ich habe dann gemerkt, dass wenn man auch strategisch eingreifen und Synergien herstellen will, man eine andere Eingriffsmöglichkeit haben muss. Ich wollte nicht nur der Finanzinvestor sein, sondern selber gestalten. Im vorigen Jahr habe ich zwei Unternehmen aus der alten IDS wieder zurückgekauft. Zum Einen den österreichischen Bereich, der von Michael Bergmann geführt wurde und gut gelaufen ist, und zum Anderen den Deutschland-Teil, der wirtschaftliche Schwierigkeiten hatte und umstrukturiert werden musste. Jetzt ist auch dieser Teil neu aufgestellt und wirtschaftlich gesund. IDS Scheer Consulting und Scheer Management wurden dabei zusammengelegt und werden nun mit dem Österreich-Teil in ein Unternehmen, der Scheer GmbH, zusammengepackt. Damit haben wir eine schlagkräftige Einheit geschaffen, die Kunden ganzheitlich bedienen kann.

Was bedeutet das genau?
Wir können den gesamten Wertschöpfungsprozess des Kunden unterstützen. Angefangen von der Strategieberatung und dem Aufsetzen neuer Businessmodelle – auch im Zusammenhang Industrie 4.0 – über die Modellierung mit dem Produkt Aris bis zur Umsetzung mit SAP und dem Betrieb auf unseren Systemen. Der Kunde bekommt auf diese Weise die Leistung aus der Steckdose. Damit sind wir auch in neuen Themen wie Cloud Computing drinnen und können darauf die Zukunftsstrategie des Unternehmens aufbauen. Wir verbinden Brachenkompetenz mit Technologiekompetenz.

Wie ist das Unternehmen in Österreich aufgestellt?
Österreich ist wie eine Kleinausgabe des Gesamtunternehmens mit der gleichen Kompetenzstruktur. Noch sind wir hier als IDS Scheer bekannt, aber ab Mai firmieren wir als Scheer Austria und werden das erweiterte Portfolio anbieten und verstärkt in Richtung Managementberatung gehen. Das Unternehmen hat die letzen Jahre in Österreich gut überstanden. Wir konnten die Größe halten und hoffen über die neuen Themen wie Industrie 4.0 und SAP auch wieder zu wachsen. Österreich ist ein Industrieland und wir haben hier eine große Kundenbasis, weil wir viele SAP-Einführungen bei mittelständischen Industriebetrieben durchgeführt haben. Hier ist Industrie 4.0 strategisch ein absoluter Anknüpfungspunkt. Die Zielsetzung ist in Richtung neuer SAP-Produkte zu gehen.

Ändert sich die Unternehmensstrategie?
In der Vergangenheit hatten wir den Fokus hauptsächlich auf dem Consultinggeschäft und dem Geschäft mit SAP-Lizenzen. Was jetzt dazukommt, ist das Lizenzgeschäft mit unseren eigenen Produkten wie BPaaS und E2E Bridge. Österreich ist auch sehr eng an Deutschland angebunden und die DACH-Region ist sehr eng als Einheit zu sehen. Daher können wir unsere Kompetenzen auch besser bündeln. Knowhow aus Österreich wird in Deutschland eingesetzt und umgekehrt. Dadurch können wir auch Unternehmen, die in der Region tätig sind, ganzheitlich betreuen. Die Zusammenarbeit ist sehr intensiv.

Wie betrifft Sie das Thema der Digitalisierung?
Die Digitalisierung ist nicht nur ein Schlagwort, sondern findet in vielen Branchen wie dem Medien- oder Bildungsbereich statt. Man muss sehen, was die eigentlichen Treiber sind. Einer ist, dass es immer mehr grenzkostenlose Produkte gibt, also Produkte, die nichts mehr kosten, wie zum Beispiel Telefonieren oder Speicherplatz. Das sind Treiber. Jeremy Rifkin (US-amerikanischer Soziologe, Ökonom und Publizist, Anmerkung der Redaktion) sagt ja, dass der Kapitalismus damit an seine Grenzen geht. So pessimistisch sehe ich das nicht. Technologische Veränderungen bringen auch Innovation und damit neue Berufsbilder, die nicht schlechter sind als vorherige. Für uns ist das ein Ansatzpunkt, um zu sehen, wohin unsere eigene Branche eigentlich hingeht. Es gibt drei Ansatzpunkte: wie ändern sich die Produkte, wie ändert sich die Logistik und wie ändert sich der Herstellungsprozess. Neue Unternehmen wie zum Beispiel Uber oder Airbnb verändern verschiedene Gewerbe, die Welt ist sozusagen hinterher anders. Was ich eher sehe ist, dass wir versuchen, die alte Welt mit Regulativen zu verteidigen. Aber die ökonomischen Treiber, die dahinter stehen, sind so stark, dass sie diese Regelungen überwinden werden. Die Technologie wird sich wirtschaftlich durchsetzen, Technologie wird nicht wieder rückgängig gemacht.

Das Gespräch führte Christof Baumgartner.

August-Wilhelm Scheer:
Der ehemalige Direktor des Instituts für Wirtschaftsinformatik an der Universität Saarbrücken gründete im Rahmen seiner Forschung 1984 IDS Scheer, ein Spinoff seines Instituts, und baute die Firma bis 2009 zu einem der größten IT-Unternehmen Deutschlands aus. Mit dem Rückkauf von Teilen des Unternehmen stellt sich Scheer neu auf und will bis Ende des Jahres 600 Mitarbeiter beschäftigen.


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