Die EU, Demokratie und der virtuelle Raum

Den oft gehörten Vorwurf mangelnder Bürgernähe begegnet die EU seit Anfang dieses Jahres mit neu geschaffenen Bürgerforen. Drei wurden bisher abgehalten. Bei der Abschlussveranstaltung des zweiten Bürgerforums zum Thema »Virtual Worlds« war die IT WELT.at im EU-Hauptquartier in Brüssel dabei. [...]

150 EU-Bürger und -Bürgerinnen präsentierten in Brüssel ihre Ideen zur fairen und bürgernahen Gestaltung des Metaverse und des virtuellen Raums. (c) Klaus Lorbeer
150 EU-Bürger und -Bürgerinnen präsentierten in Brüssel ihre Ideen zur fairen und bürgernahen Gestaltung des Metaverse und des virtuellen Raums. (c) Klaus Lorbeer

Bereits mit der Konferenz zur Zukunft Europas Ende 2022 sah EU-Präsidentin Ursula von der Leyen einen Wendepunkt der europäischen Politik gekommen. Bei dieser Konferenz traten 500 EU-Bürger und -Bürgerinnen in den Dialog mit dem EU-Parlament, dem Ministerat und der EU-Kommission und brachten ihre Erwartungen an die EU und ihre Institutionen in Brüssel vor. Die Bürgerforen (engl. »Citizen‹s Panels«), die im Mittelpunkt dieser Konferenz standen, sollen künftig zu einem festen Bestandteil des demokratischen Lebens in der EU gehören, kündigte von der Leyen an.

Tatsächlich fanden von Jänner bis April 2023 die ersten Citizen‹s Panels zu den Themen Lebensmittelverschwendung, Virtuelle Welten und Learning Mobility (bei dem es u.a. um das Erasmus-Programm der EU ging) statt.

Am Virtual-Worlds-Bürgerforum nahmen 150 durch Zufall ausgewählte EU-Bürger und Bürgerinnen teil, allerdings wurde auf Diversität (Geschlecht, Alter, Bildung, sozialer und geografischer (etwa Stadt oder Land) Hintergrund) geachtet. Die Stimme der Jungen wird geschätzt und so waren ein Drittel der Teilnehmer zwischen 16 und 23 Jahre alt. Die Anzahl der Forumsteilnehmer pro Land wurde aliquot zur Bevölkerungszahl des jeweiligen Staats aufgeschlüsselt – sprich die meisten Teilnehmer kamen aus Deutschland (18), gefolgt von Frankreich (15), Italien (13), Spanien (12), Polen (10) und so weiter. Aus Österreich nahmen drei Menschen. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen wurden Gruppen mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten zugeteilt und mussten an mehrere Wochenenden in Brüssel verschiedenen Lösungsvorschläge erarbeiten, die am Abschlusstag präsentiert und in einer Abstimmung nochmals von allen bewertet wurden. 

In einem nächsten Schritt werden diese Bürger-Empfehlungen der EU-Kommission vorgelegt, die dann darüber entscheidet, ob sie was  wie umsetzt.  

Virtuelle Welten nach dem Geschmack der EU-Bürger und Bürgerinnen gestalten

Das Thema “Virtuelle Welten“ umfasste die Bereiche Metaverse/Web 3, virtual, augmented und extended Reality sowie dahinterliegende innovative Technik und Vernetzung. 

Behandelt wurden Themen wie Privatsphäre und Sicherheit der Nutzer, Vereinsamung und die Digitale Kluft, bei der nicht vernetzte Bürger Gefahr laufen, von Governance-Prozessen ausgeschlossen zu werden. Auch Interoperabilität wurde diskutiert, wobei es darum ging, virtuelle Welten offen und interoperabel zu halten, so dass die Nutzer ihre Daten und Identitäten zwischen verschiedenen Plattformen und Anwendungen austauschen können. Schließlich wurde unter dem Begriff “Zentralisierung“ die Dominanz der großen (meist amerikanischen) Akteure thematisiert. Aus der Sicht der EU wäre eine dezentralisierte Umsetzung nach den ursprünglichen Prinzipen des WWW wünschenswert. 

Insgesamt erarbeiteten die Bürger und Bürgerinnen 23 Empfehlungen. Dabei präsentierten Köche, Hotelliers, Pensionistinnen oder Schüler und Studentinnen in ihren Muttersprachen ihre Konzepte, an denen ihre Gruppe, die sie als Sprecher vertraten, die letzten Wochen gearbeitet hatten – immer wieder auch mit Unterstützung von Experten und Expertinnen, die ihnen die Technologiene erklärten. Dank der fantastischen Simultanübersetzer und -übersetzerinnen konnte jeder das Gesagte mühelos verfolgen. So funktionierte das Zusammenarbeiten der EU-Bürger auf grandiose Weise.

Was gefordert wurde, mag vielleicht überraschen, aber die Teilnehmenden sprachen sich vor allem für strikte Regularien und Gesetze aus, etwa für Datenschutz und Künstliche Intelligenz, und wollen auch den fairen Zutritt zu den Technologien geregelt wissen. Mitunter ist die EU sogar weiter als Empfehlungen der Bürger, da einige der Vorschläge etwa im kommenden Data Act bereits enthalten sind. Es scheint also, dass die EU tatsächlich hinsichtlich – durchdachter – Gesetze den Rückhalt der Bevölkerung genießt und hier, wie schon bei der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ein Vorreiter im weltweiten Datenschutz sein kann – das schließt natürlich Nachbesserungen von überambitionierten Gesetzen nicht aus. Ist von EU und Regulierung die Rede, wird hierzulande immer wieder auf die berüchtigte Gurkenkrümmungsverordnung verwiesen. Dazu eine kurze Anmerkung: Diese Verordnung wurde 1988 beschlossen und 2009 abgeschafft. Lange vor der EU hatte Österreich bereits Gesetze, die Form von Äpfel und Birnen und auch Salatgurken nach Qualitätsklassen normierte. Der europäische Handel folgt zu einem Großteil noch heute diesen Idelavorgaben, da gerade Gurken einfacher zu verpacken sind.

Um zu zeigen, dass die EU nicht nur bezüglich Regulierungen, sondern auch technologisch ganz vorne mit dabei ist, gab es für die Journalisten eine Exkursion zur Brüsseler Firma XRintelligence, wo innovative XR-Lösungen gezeigt wurden. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass Österreich mit dem AIT – Austrian Institute of Technology technisch in der obersten Liga spielt, wo modernste VR/AR/XR-Technologien für unterschiedliche Einsatzgebiete entwickelt werden.

Weitere Informationen über die EU-Bürgerforen finden sich unter https://citizens.ec.europa.eu/index_en


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