„Die Hybrid Cloud ist die Zukunft“

Cloud Computing hat sich in den letzten Jahren zu einem unverzichtbaren Bestandteil der IT-Infrastruktur vieler Unternehmen entwickelt. Eine aktuelle Studie von A1 und Integral bestätigt diesen Trend: Vier von fünf Unternehmen in Österreich nutzen bereits Cloud-Services und weitere fünf Prozent planen den erstmaligen Einsatz. ITWelt.at hat mit Martin Resel, CCO Enterprise bei A1, ein Interview zum Thema geführt. [...]

Martin Resel ist CCO Enterprise bei A1. (c) A1
Martin Resel ist CCO Enterprise bei A1. (c) A1

Welche wirtschaftlichen Vorteile bietet die Cloud österreichischen Unternehmen?

Ein zentrales Argument für den Einsatz von Cloud-Technologien ist die angespannte Wirtschaftslage. Unternehmen stehen unter enormem Druck, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und schneller auf Veränderungen reagieren zu können. Die Möglichkeit, IT-Ressourcen flexibel zu skalieren, spielt dabei eine entscheidende Rolle. Gleichzeitig wird die Cloud als Schlüssel zur Effizienz gesehen, insbesondere im Hinblick auf eine schnellere Time-to-Market. In einer globalisierten Wirtschaft, die durch starkes Wachstum in Regionen wie Fernost, China und Asien geprägt ist, möchten österreichische Unternehmen ihre Agilität optimieren, um international konkurrenzfähig zu bleiben – auch in schwierigen Zeiten wie einer Rezession.

Welche weiteren Themen treiben das Thema Cloud voran?

Ein ebenso wichtiger Treiber ist der steigende Bedarf an IT-Sicherheit. Angesichts der zunehmenden Anzahl an Cyberangriffen sehen viele Unternehmen die Cloud als wichtigen Baustein, um ihre Daten und Systeme besser zu schützen. Große Anbieter wie A1, die zur kritischen Infrastruktur zählen, verfügen über die notwendigen Mittel und Technologien, um höchste Sicherheitsstandards zu gewährleisten. Kleinere Unternehmen hingegen stoßen oft an ihre Grenzen, wenn es um den Schutz vor Cyberrisiken geht. Für sie bietet die Cloud eine praktikable Lösung, um Sicherheitsbedenken zu adressieren.

Zudem gibt es einen massiven Mangel an hochqualifizierten IT-Fachkräften. Viele KMU haben kleine IT-Teams mit nur drei bis fünf Mitarbeitenden, die weder die Kapazität noch die Expertise besitzen, um komplexe IT-Sicherheit oder andere Cloud-relevante Themen selbst zu managen. Der Wechsel in die Cloud ist daher oft eine pragmatische Lösung.

Wie sieht die Cloud-Strategie von A1 aus?

Wir verfügen in Österreich über 12.000 Quadratmeter Rechenzentrumsfläche und haben inzwischen eine große Private Cloud aufgebaut. Diese umfasst auch Managed Kubernetes, wodurch wir Workloads flexibel zwischen verschiedenen Umgebungen verschieben können. Ein entscheidender Punkt für diesen hybriden Ansatz ist die lokale Verfügbarkeit und Sicherheit von Daten. Als Teil der kritischen Infrastruktur in Österreich bedienen wir nicht nur Industriekunden, sondern auch Behörden und Ministerien. Die Daten, die über unsere Netze und Rechenzentren laufen, sind oft von höchster sicherheitskritischer Bedeutung. Hier gelten besonders strenge Vorgaben, die über Regularien wie NIS oder DORA hinausgehen. Deshalb ist es ein Muss, sicherzustellen, dass diese Daten ausschließlich innerhalb Österreichs gespeichert und verwaltet werden. Schließlich wollen wir keinesfalls riskieren, dass Unbefugte Zugriff auf sicherheitsrelevante Daten erhalten. Gleichzeitig ermöglicht uns der hybride Ansatz, weniger sicherheitskritische Daten flexibel zu verwalten, wodurch Kunden von einer optimalen Mischung aus lokaler Sicherheit und Cloud-Flexibilität profitieren.

Grundsätzlich verfolgen wir in unserem Unternehmen eine Strategie, die sowohl uns selbst als auch unsere Kunden betrifft. Wir haben viele Rechenzentren und sind ein großer Rechenzentrumsprovider – aber die Herausforderungen, vor denen unsere Kunden stehen, sind auch unsere eigenen. Alles, was wir für uns selbst aufbauen, stellen wir in gleicher Qualität auch unseren Kunden zur Verfügung. Es gibt keinen Grund, für Kunden eine abgespeckte Lösung zu entwickeln. Dies spiegelt sich auch in unserer Sicherheitsstrategie wider – ob es sich um DDoS-Schutz, ein Security Protection Center oder unsere Rechenzentren handelt.

A1 hat die Schweizer Cloud-Plattform Exoscale übernommen. Welche Vorteile ergeben sich dadurch?

Wir haben uns für die Übernahme der Exoscale aus der Schweiz entschieden, weil sie eine ideale Plattform für spezifische Anforderungen bietet, die wir insbesondere bei europäischen Kunden beobachten. Sie zielt auf spezifische Einsatzszenarien ab, wie Container-Workloads, Managed-Kubernetes-Anwendungen oder SaaS-Applikationen. Sie ist zudem eine hervorragende Entwicklerplattform.

Ein weiterer entscheidender Faktor ist die Nachfrage nach europäischen LLM-Modellen. Viele Kunden legen Wert darauf, solche Modelle zu nutzen, wollen aber gleichzeitig sicherstellen, dass diese aus Europa stammen – sei es aus Gründen der Datenhaltung oder der Kosten. Mit der Exoscale können wir genau diese Anforderungen erfüllen, da sie flexible Skalierungsmöglichkeiten bietet und dabei die Datenhaltung vollständig in Europa gewährleistet.

In den letzten anderthalb Jahren haben wir eine stark steigende Nachfrage nach dieser Plattform erlebt. Kunden wünschen sich zunehmend europäische, gesicherte Cloud-Lösungen und genau darauf ist die Exoscale ausgelegt. Ihr Fokus liegt nicht auf einem umfassenden Funktionsspektrum wie es AWS oder Azure anbieten, sondern auf der Bereitstellung passgenauer, flexibler Lösungen für europäische Anwendungsfälle.

Welche Herausforderungen entstehen durch die zunehmende Integration von KI in Unternehmenssoftware?

Das ist ein entscheidender Punkt, auf den man in der aktuellen Entwicklung besonders achten muss. Praktisch alle Hersteller bauen inzwischen KI-Funktionen direkt in ihre Produkte ein. Beispiele hierfür sind SAP mit KI-gestützten Applikationen, Microsoft mit dem Co-Pilot, ServiceNow mit eingebetteter KI oder Amdocs im Bereich Billing-Systeme. Das führt dazu, dass Unternehmen oft unbemerkt mit mehreren KI-Modellen arbeiten, – fünf, sechs oder sogar mehr – die mit der eingesetzten Software geliefert werden und Zugriff auf Unternehmensdaten haben. Für die Zukunft wird es zunehmend wichtig, diesen Wildwuchs zu kontrollieren. Ein Ansatz ist beispielsweise die Zertifizierung oder die Anwendung eines Zero-Trust-Modells, bei dem Unternehmen erst einmal sicherstellen, welche KI-Modelle überhaupt auf ihre Daten zugreifen. Das Thema Datensicherheit und Transparenz wird dabei immer relevanter.

Die Bedeutung der Regulierung zeigt sich auch im Zusammenhang mit dem AI Act. Dieser schreibt vor, dass Anbieter sicherstellen müssen, welche Daten verarbeitet werden und wie das geschieht. Ziel ist es, die oft undurchsichtigen Prozesse – die sogenannte Black Box der KI – aufzubrechen. Bislang werden Daten in die KI-Modelle eingegeben und verarbeitet, ohne dass immer klar ist, was genau innerhalb der Algorithmen passiert. Der AI Act schafft hier klare Vorgaben, um Transparenz und Sicherheit im Umgang mit KI zu gewährleisten.

Welche konkreten Anwendungsfälle für künstliche Intelligenz setzen Sie in Ihrem Unternehmen ein?

Künstliche Intelligenz ist in unseren Lösungen schon lange präsent. Der große Wandel kam jedoch mit Modellen wie ChatGPT, das durch die Demokratisierung der KI eine breitere Akzeptanz und eine Vielzahl neuer Anwendungsfälle, insbesondere im Bereich der generativen KI, ermöglicht hat.

Ein spannendes Einsatzgebiet ist der Bereich Customer Care, insbesondere Chatbots. Heutzutage sind unsere Chatbots durch KI wesentlich intelligenter als früher, lernen kontinuierlich dazu und können Kunden, die beispielsweise nachts unsere Website besuchen, viel besser und effizienter unterstützen. Darüber hinaus entwickeln wir solche KI-gestützten Chatbot-Lösungen auch gezielt für unsere Kunden.

KI spielt auch eine zunehmend wichtige Rolle im Bereich Cybersecurity, insbesondere bei der effizienten Verarbeitung und Filterung von Sicherheitsvorfällen. Angriffe auf IT-Systeme erzeugen oft Tausende von Inzidenzmeldungen, die manuell von Menschen gesichtet und analysiert werden müssten – eine Aufgabe, die aufgrund des Umfangs kaum zu bewältigen ist. KI hilft hier, indem sie in unserem Cyber Defense Center eine Vorselektion der Vorfälle übernimmt. Nicht kritische oder bekannte Angriffe werden automatisch herausgefiltert, sodass die Analysten letztlich nur noch ein überschaubares Delta an wirklich relevanten Bedrohungen überprüfen müssen. Dies entlastet die Sicherheits-Teams massiv und ermöglicht einen fokussierten Einsatz der Ressourcen auf die wirklich kritischen Fälle.

Wohin geht Ihrer Meinung nach die Cloud-Reise?

Was ich mir wünsche ist, dass Unternehmen diese veränderten Rahmenbedingungen auch in ihre Vergaberichtlinien aufnehmen. Teilweise agieren wir immer noch sehr naiv und blauäugig. In Ausschreibungen oder allgemeinen Geschäftsprozessen sind solche Aspekte oft gar nicht berücksichtigt. Das sollte sich dringend ändern. Es wäre essenziell, dass Themen wie Wertschöpfung, die Einhaltung von Standards bei Zulieferern oder Cybersecurity hier konsequent integriert werden.

Es ist auch wichtig, Cloud-Technologien differenziert zu nutzen. Ein zentraler Appell, der mir persönlich sehr am Herzen liegt, ist, dass wir als Wirtschaftstreibende zusammenarbeiten müssen. Gerade jetzt, in einer Rezession oder einer allgemein schwierigen Phase, sollten wir unser gemeinsames Potenzial nutzen. In Österreich und Europa verfügen wir über ein extrem hohes Maß an Knowhow und führende Unternehmen. Wir dürfen aber keinesfalls naiv handeln. Technologie sollte gezielt eingesetzt werden, um sowohl den Nutzen als auch die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Gleichzeitig müssen wir unseren Wirtschaftsraum absichern, um nicht in eine Abhängigkeit zu geraten.


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