»Die IT hat den Blick auf die Realität«

Franz Hillebrand, Geschäftsführer der SIGNA Informationstechnologie, ist einer der fünf TOP-CIOs des Jahres 2018. Die Jury hat die innovativen Ansätze mit der Implementierung von neuen Wegen der Kommunikation, KI und der Unterstützung von Startups ausgezeichnet, die dem Unternehmen und dem CIO ein Alleinstellungsmerkmal verleihen. [...]

Wenn man von der Digitalisierung spricht, fällt einem eher nicht zuerst die Immobilienbranche ein. Aber die SIGNA Gruppe, die Immobilien und Handelsbeteiligungen verwaltet und ein Immobilienvermögen von über zwölf Mrd. Euro verwaltet, hat mit Franz Hillebrand, Geschäftsführer der SIGNA Informationstechnologie, einen IT-Leiter, der das Unternehmen in die digitale Zukunft begleitet und für den auch die Themen KI, autonome Autos und hohe Mobilität relevant sind. »Es gilt alte Denkmuster und Rollenbilder aufzubrechen. Die klassischen Strukturen wie Marketing, Kommunikation, IT, HR, Controlling, etc. verschwimmen zunehmend und Inseldenken ist für die Digitale Transformation eher hinderlich als zielführend«, sagt Hillebrand im COMPUTERWELT-Interview. »Die IT ist, und das wird oftmals allzu gerne übersehen, eine der Organisationen im Haus, die meist einen Gesamtüberblick über das Unternehmen hat. IT hat den Blick auf die Realität, auf die gelebten Prozesse und nicht auf das gewünschte Konstrukt.«

SIGNA ist eine rein privat geführte und unternehmerisch agierende Industriegruppe in den Bereichen Retail und Real Estate. Das Unternehmen gehört zu den bedeutendsten Immobiliendevelopern in Europa und betreibt zudem große Handelsunternehmen in Deutschland. Die Gruppe umfasst zwei zentrale Kerngeschäftsbereiche: SIGNA Real Estate und SIGNA Retail. SIGNA Real Estate beschäftigt etwa 200 Mitarbeiter an neun Standorten in Österreich, Deutschland, Italien und der Schweiz und ist wiederum in vier unabhängige Geschäftsbereiche unterteilt. Auch die SIGNA Retail Gruppe vereint unter ihrem Dach vier unabhängige Handelsplattformen und beschäftigt rund 20.000 Mitarbeiter.

Ein CIO für mehrere IT-Abteilungen

Auch die IT-Abteilung ist als SIGNA Informationstechnologie (SIGNA IT) eine eigene, ausgelagerte Abteilung und erbringt für die anderen Gesellschaften Dienstleitungen. Hillebrand ist für alle IT-Themen der Gruppe verantwortlich, hat aber einen Workflow entwickelt, in dem die einzelnen Abteilungen selbständig arbeiten können. Er selbst verantwortet dabei mit seinem 18 Mitarbeitern den gesamten Teil, der sich mit Immobilien beschäftigt. Für den Bereich Retail wurde ein »CIO-Office« generiert, in dem die IT-Leiter der einzelnen Geschäftsbereiche wie etwa der Warenhauskette Karstadt oder Karstadt Sport sitzen. Mittels Round-Tables werden Synergien und Standards definiert, die dann unternehmensweit gelten.

»Aber wirklich auf sehr hohem Niveau«, wie Hillebrand anmerkt, denn »in Wahrheit läuft das eigenständig. Warum soll ich aus der Immobilienwelt über das SAP-System mitreden, das der Kollege in der Warenwirtschaft braucht? Das hat einfach wenig Sinn.« Zentrale Dienstleitungen werden aber von der »Immobilienwelt« zur Verfügung gestellt. »Von uns kommen das konzernweite Lizenzmanagement, die Videokonferenz-Systeme und auch die Telefoniesysteme werden bei uns gehostet. Das verteilen wir alles im Konzern. Diese Aufteilung funktioniert aber sehr gut.«

Videokonferenzen für mehr Qualität

Das Immobiliengeschäft ist laut Hillebrand ein »Netzwerkbusiness, wo viel telefoniert, sich getroffen wird«. Videokonferenzsysteme spielen dabei eine große Rolle. »Wir sind in der Lage in kürzester Zeit große Konferenzen zu schalten und haben dazu über 80 Cisco-Videoendpunkte im Unternehmen.« Die IT habe also das Potenzial, komplette Prozesse zu verändern und ist auch in der Lage, die Firmenkultur positiv zu beeinflussen. »Wir konnten also mit der Einführung von Videotelefonie, Videokonferenzen und Webkonferenzen das Kommunikations- und Reiseverhalten bei SIGNA nachhaltig und fast unbemerkt ändern und die Gesprächsqualität erheblich steigern. Die anfängliche Zurückhaltung unserer Kollegen veränderte sich relativ rasch zur positiven Wahrnehmung der neuen Kommunikationsmöglichkeiten, die heute zur Selbstverständlichkeit geworden sind.«

Hillebrand sieht das auch als gutes Beispiel für die neue Rolle des CIO. »Der CIO von heute muss vom Bewahrer zum Enabler werden und vermitteln, dass wir auf deinen Datenschatz sitzen, den man gemeinsam mit den Usern heben kann«. Mit der Digitalisierungswelle habe sich das aber auch in eine andere Richtung entwickelt. Jeder fragt, was noch alles möglich ist. »Digitalisierung muss man aber nicht um jeden Preis machen, man muss auch immer ein bisschen aufpassen, was verkraftet die Organisation. Sonst gibt es hundert Baustellen und alle wundern sich, wenn nichts weitergeht.« Das habe allerdings schon auch mit der Altersstruktur zu tun.

»Die IT selbst muss heute mehr denn je Fachexpertise, Kommunikationsskills und Wertschöpfung liefern«, so der CIO. »Wir haben in unserem Team – neben Informatikern – auch Spezialisten aus den Bereichen Controlling, Buchhaltung und Erwachsenenpädagogik, welche die Fachabteilungen unterstützen, schulen und vor allem verstehen, die Sprache der Anwender sprechen und ihre Bedürfnisse kennen. Auf diesem Wege ist die IT heute nicht nur der Betreiber der Infrastruktur und Umsetzer der Anwenderwünsche, sondern vielmehr Berater, Problemlöser, Businesspartner, Überzeuger und Visionär.«

Beschleunigung des Marktes

Was sich laut Hillebrand in den letzten Jahren geändert hat ist die Beschleunigung des Marktes. Es gibt keine »Projektdurchlaufzeiten« mehr, wo man einen gewissen Zeitraum für etwas einplant. »Cloud und Co. setzt alles unter Druck«, so Hillebrand und: »Dem kannst du dich natürlich verwehren, aber nicht lange, oder du stellst ganz genaue Regeln dafür auf.« Bei SIGNA wurde klar definiert, wie sich Cloud-Anwendungen im Unternehmen einfügen müssen. Ein wichtiger Punkt war dabei das Thema Datenhoheit und Datenintegrität. »Hier haben wir uns gut aufgestellt. Wir haben definiert, was die kritischen Daten im Unternehmen sind und was nicht unser Kerngeschäft ist.« So werden etwa Hotels komplett über Cloud-Services von der SIGNA IT betreiben.

Hillebrand setzt dabei auf »Diversität und eine gute Partnerlandschaft«. Damit meint er durchaus auch »kleine Partner«, die flexibel sind und schnell auf neue Wünsche reagiere können. »Das Problem mit den großen Systemhäusern ist, dass, wenn du nicht die großen Tickets einlöst, ein kleiner Punkt bist.« Ein weiterer Vorteil der »kleinen Partner« ist laut Hillebrand auch, dass man »auch mal etwas probieren kann.« Große Partner würden daraus ein »Riesenprojekt« machen. Die klassischen Anbieter und Hersteller verlieren zusehendes an Bedeutung. »In Zeiten von Cloud Lösungen kommunizieren meine Mitarbeiter immer öfter mit unpersönlichen Hotlines oder müssen unsere Anforderungen über Portale steuern. Spezialisten sind über die Welt verstreut und meist finden die Treffen mit Ihnen ausschließlich virtuell statt. Die Zusammenarbeit mit den großen Herstellern wird immer unpersönlicher.«

Meist werden laut Hillebrand nur noch Ansprechpartner aus dem Vertrieb vor Ort zur Verfügung gestellt, und auch diese wechseln häufig. »Ich habe da das Gefühl eines gewissen Kontrollverlustes. Auch aus diesem Grund arbeiten wir mehr denn je mit Freelancern und kleinen Firmen, die uns mit ihrer Flexibilität, Spontanität und mit neuen, mutigen Ideen sehr oft viel mehr dabei helfen, etwas Wunderbares auf die Beine zu stellen, als dies mit den großen, altbekannten Partnern möglich ist.“

Zusammenarbeit mit Startups

Hillebrand schätzt auch die Zusammenarbeit mit Startups wie dem Salzburger Unternehmen Bill Click, das eine Software für Reisespesenabrechnung anbietet. »Da hat man einen persönlichen Ansprechpartner, der geht auf individuelle Wünsche ein und er profitiert vom Kundennetzwerk von SIGNA.« Kürzlich wurde zum Thema Startups auch eine eigene Gesellschaft, die SIGNA Innovation« gegründet, die sich Startups und PropTechs annimmt. »Wir unterstützen die jungen Unternehmen, helfen bei der Entwicklung und setzen die Software selber ein. Der Benefit ist, dass wir ganz vorne dabei sind und auch ein Innovationstreiber oder Marktgestalter sind.« SIGNA setzt stark auf das Thema BIM (Building Information Modeling). Das sind 3D-Modelle, bei denen bereits in der Planungsphase aufgrund des Modells eruiert werden kann, wie viele Lichtschalter man zum Beispiel braucht. »Wir bilden also den Beschaffungsprozess auf Basis dieses Modells ab. Das ist ein ganz neuer Trend im Bausektor und wir sind ganz vorne mit dabei. Wir nutzen die Startups, um am Markt Impulse zu setzen«, so Hillebrand.

Weitere Impulse will Hillebrand auch beim Thema Künstliche Intelligenz (KI) setzen. »In der Immobilienbranche hast du das Schmerzthema ‚Ablage‘. Bei einem Bauprojekt werden zwischen 50.000 und 200.000 Dokumente erzeugt. Das sind Pläne, Bau- und Ausstattungsbeschreibungen, Grundbucheinträge usw.«, erklärt der CIO. Die Dokumente kommen von den verschiedensten Seiten und liegen dann an den verschiedensten Orten. Manche Mitarbeiter würden sie im CMS ablegten, aber viele Dokumente würden auch etwa in Outlook liegen bleiben.

KI als Chance Ressourcen zu sparen

KI kann dabei helfen die Unmenge an Daten und Dokumenten zu sortieren und zu prüfen, um z.B. automatisiert gesetzliche Dokumentationspflichten zu erfüllen. »Wir haben letztes Jahr einen Test nur mit Mietverträgen durchgeführt und wir erreichten eine 90-prozentige Genauigkeit in der Ablage plus der Metadatenauslesung.« Hillebrand und sein Team wollen dies heuer massiv forcieren. »Das kostet auch keine Arbeitsplätze, weil das tut eh keiner gern«, lacht der CIO. Im Gegenteil, man schaffe Ressourcen, die wesentlich sinnvoller genutzt werden können als beim Dokumente ablegen.

Die nächsten Schritte, die SIGNA IT setzen will werden die heutige Wohn- und Arbeits-Modelle in Frage zu stellen. »Wir denken zum Beispiel darüber nach, ob wir in zukünftigen Bauprojekten noch ebenso viele Stellplätze in den Tiefgaragen benötigen, wie bisher. Oder ob wir den Nutzern eventuell Carsharing, selbstfahrende Automobile, etc. als selbstverständlichen Bestandteil der Infrastruktur einer Immobilie zur Verfügung stellen können«, so Hillebrand.


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