Die Rolle des CIO im Wandel

Indem die IT alle Bereiche eines Unternehmens durchdringt und die Digitalisierung allerortens für Disruptionen sorgt, ändern sich auch die Rahmenbedingungen in der Geschäftswelt. Dadurch erfährt zwangsläufig auch die Rolle des CIO Anpassungen und Erweiterungen. [...]

Ali Aram ist Partner bei EY Österreich: »Der klassische CIO muss einen großen Schritt heraus aus seiner Komfortzone machen.«
Ali Aram ist Partner bei EY Österreich: »Der klassische CIO muss einen großen Schritt heraus aus seiner Komfortzone machen.« (c) Ernst & Young

Die auffälligste Entwicklung im Rollenbild des CIOs ist nicht neu, wie Ali Aram konstatiert. Aram weiß wovon wer redet, denn er ist Partner bei dem Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsunternehmen EY (Ernst & Young) Österreich, wo er den Bereich IT Advisory verantwortet. Darüber hinaus leitete er die Jury für den CIO AWARD 2018. Seit Jahren ist die Forderung zu hören, sagt Aram, der CIO soll näher ans Management heranrücken, ein gleichwertiger Partner der Geschäftsführung sein – Stichwort: IT-Business-Alignment. Dieses Bild, konstatiert Aram, habe sich weiter verstärkt bis zu der Ansicht, dass der CIO mit der Geschäftsführung auf Augenhöhe die Geschicke des Unternehmens mitsteuern soll. »Zusätzlich zum verständlichen Wunsch, dass die IT zielgerichtet ihre Services abliefert, ist die Digitalisierung hinzugekommen. Die technologische Durchdringung hat dazu geführt, dass man in der Geschäftsstrategie und Unternehmensentwicklung nicht auf Technologiewissen verzichten kann und will«, erklärt Ali Aram.

Das sei aber keine leichte Sache, denn einerseits ist die Vorstands­etage nicht unbedingt darauf erpicht, hier noch jemanden in die Strategiediskussionen mit hineinzunehmen, andererseits muss der CIO auch einen großen Schritt aus seiner Komfortzone wagen und letztlich müssen die Mitglieder des Vorstandes diese Veränderung auch zulassen. 

Hier sind einige Herausforderungen zu bewältigen. Nach der EY-Studie »The DNA of the CIO«, für die weltweit rund 300 IT-Profis sehr großer Unternehmen befragt wurden, sind 64 Prozent der CIOs mit ihrer gegenwärtigen Rolle zufrieden und sehen keine Veranlassung zur Weiterentwicklung. Nur 17 Prozent der CIOs sind Mitglieder der Geschäftsführung und 48 Prozent des Topmanagements (CEO, CFO, COO etc.) sind der Meinung, dass CIOs nicht in Business- und Strategieentscheidungen eingebunden werden sollten. In anderen Worten: Der CIO muss sich aktiv einbringen. Aus seiner Erfahrung weiß Aram, dass es in den Führungsetagen nach wie vor Manager gibt, die sich hervorragend auf Unternehmensführung verstehen, gleichzeitig aber relativ technologiefern sind. Dennoch: Für eine Einschätzung möglicher Projekte, der richtigen Durchführung und Umsetzung derselben plus einer entsprechenden Aufwandsabschätzung in Bezug auf die Zeit und finanzielle Ressourcen bedarf es des CIOs. 

Wie die Studie »The DNA of the CIO« zeigt, ist bei der Weiterentwicklung der CIO-Rolle noch einiges zu tun. Einerseits sind die Erwartungen seitens der Geschäftsführung an den CIO sehr gering, wenn es über die reine IT-Services hinaus geht, sich auch bei der strategischen Geschäftsplanung einzubringen. Andererseits sind CIOs bei der Kommunikation mit der Geschäftsführung am engagiertesten darin, IT-Budgets und die Finanzierung von IT-Projekten (67 Prozent) zu besprechen, gefolgt von der Diskussion über die Rolle der IT in Geschäftsprozessen (64 Prozent). Hinsichtlich der genannten Unterstützung in Sachen Strategiebildung sinkt das Engagement der CIOs rasch unter 50 Prozent (konkret: Daten für strategische Entscheidungen zur Verfügung stellen: 52 Prozent; aktiv bei der Strategie-Entwicklung teilnehmen: 43 Prozent; Businessthemen und Herausforderungen mit der Geschäftsführung diskutieren: 36 Prozent).

Eine Digitalisierungsstrategie muss her

Von der Logistik über den Gesundheitssektor bis hin zu den Banken und Versicherungen – über alle Branchen hinweg gibt es ein großes Thema, und das ist die Digitalisierung und die mit ihr einhergehende Veränderung. Hinzukommt der allgegenwärtige Fachkräftemangel, der die Automatisierung weiter vorantreibt. Dies erfordert eine Digitalisierungsstrategie, bei der der CIO eingebunden sein sollte. In letzter Zeit sieht man hier aber neben dem CIO immer öfter auch die Position eines Chief Digital Officers (CDO), der eben diese Rolle ausfüllen soll. Dabei kann die Art, wie ein CDO, aber auch der CIO in der Unternehmensstruktur verankert ist, sehr unterschiedlich ausfallen, er kann völlig unterschiedlichen Bereichen zugeordnet sein. In der Praxis verhält es sich so, sagt Aram, dass der CIO oft an den CFO berichtet. Das sei aber meist ein sehr zahlen- und ausgabenorientierter Zugang und keiner, bei dem es darum geht, die IT in einen größeren unternehmerischen Zusammenhang zu stellen und zu nutzen, merkt Aram an. Dem gegenüber gibt es einige wenige Fälle, wo beispielsweise CDOs mitten in der Geschäftsleitung verankert oder zumindest näher beim CEO oder COO positioniert seien, mit dem Ergebnis, dass hier weniger die reine Finanzperspektive im Vordergrund stünde, sondern eher die Erwartungshaltung, die den CDO als Unterstützung im operativen Geschäft sieht, so Aram.

In der Praxis ist aber die Rolle des CDOs in vielen Unternehmen nach wie vor nicht geklärt. So ermittelte die von MobileVision, einem weltweit tätigen Beratungsunternehmen, durchgeführte Studie »CDO Agenda Survey 2018« (weltweit 417 Befragte), dass Unternehmen die Transformation oft »zu halbherzig« angingen. 74 Prozent der befragten CDOs gaben an, ihre Rolle und ihre Verantwortlichkeiten seien nicht vollständig geklärt. Ferner ergab die Studie, dass 52 Prozent der CDOs den Wertbeitrag der Digitalisierungsinitiativen als »mäßig bis gering« bezeichneten und 56 Prozent waren überzeugt, dass nicht jeder im Unternehmen die Digitalisierungsstrategie komplett verstanden habe. Hier seien aber die CDOs selbst gefordert, verantworten doch 76 Prozent von ihnen die Digitalisierungsstrategie; 69 Prozent leiten ein Digital Office; 58 Prozent erklären, dass ihre Strategie nicht das gesamte Unternehmen abdecke. Zudem klagen knapp vier von zehn Befragten über zu wenig Budget für ihre Digitalisierungsstrategie.

Das illustriert anschaulich, dass die Reiserichtung noch nicht ganz klar ist. Künftig werde die Technik mehr in den Hintergrund treten, ist Aram überzeugt: »Der klassische IT-Leiter, den es noch vor zehn, fünfzehn Jahren gegeben hat, der den Weg vom Serveradministrator zum IT-Leiter genommen hat und sich um alles parallel selbst gekümmert hat – der tritt zunehmend in den Hintergrund.« Stattdessen werden Skills wie Kommunikationsfähigkeit inklusive dem Aufbau von internen wie externen Netzwerken sowie Personalführung eine bedeutendere Rolle spielen, wie auch die Studie »The DNA of the CIO« anmerkt. Das wissen auch die CIOs, wenn in derselben Studie 37 Prozent von ihnen über sich selbst sagen, dass sie noch an ihren Kommunikationsfähigkeiten arbeiten müssen.

MobileVision nennt fünf Herausforderungen, die CIOs zu bewältigen hätten: Change Management, Reorganisation und Digitalisierung der Prozesse, Digitale Vision und Alignment, Digitales HR und Talent Management sowie Künstliche Intelligenz und Data Analytics. Dafür und um die Digitalisierung voranzutreiben bedarf einer guten internen Vernetzung im Unternehmen sowie überzeugende Kommunikationsskills.

Klaus Hoff, CEO von MobileVision, zieht aus dem »CDO Agenda Survey 2018« folgendes Fazit: »Wir stellen fest, dass aktuell viele Unternehmen ihren Reifegrad in puncto Digital Readiness überschätzen. Nur dem CDO die Verantwortung umzuhängen, ohne notwendige Rahmenbedingungen zu schaffen, führt unweigerlich zum Fehlschlag!«

Aufeinanderzugehen

So richtig es ist, dass der CIO seine Komfortzone verlassen und sich stärker in die Geschäftsführung einbringen soll, so unerlässlich ist es auch, dass die Führungsetage in Zeiten, wo die IT das ganze Unternehmen durchdringt, auf den CIO zugehen und diesen strategisch stärker einbinden soll. Ali Aram beschreibt die hinsichtlich der Bedeutung von IT fast paradox anmutenden Zustände sehr anschaulich, wenn er sagt: »Es gibt ein paar Ressourcen im Unternehmen, die jeder Manager im Unternehmen imstande sein muss zu managen. Geht es um Geld, dann erwarte ich von jedem Manager, egal ob vom Marketing, Vertrieb oder Produktion, dass er sich über Budgets ausdrücken kann. Wenn es um das Personal geht, erwarte ich von jedem Manager im Unternehmen, dass er Mitarbeiter führen kann. Das gehört dazu. Dann gibt es eine dritte Ressource, nämlich die das ganze Unternehmen durchdringende IT. So wie mit Geld und Personal kann man auch mit IT ein Unternehmen komplett darstellen – allerdings sind da die Erwartungshaltungen nicht definiert.« Hier gelte es zu klären, was ein Fachmanager zum Thema IT können muss: Welches Technologieverständnis muss er haben? In Zeiten der Digitalisierung werde es immer wichtiger, dass es in der Unternehmensführung jemanden mit Technologiewissen- und -verständnis gibt, ist Aram überzeugt und zeigt sich hinsichtlich Österreich sehr optimistisch: »Ich habe das Gefühl, dass es in Österreich immer mehr CIOs gibt, die da mittendrin sind statt nur dabei.«


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