Die Digitalisierung stellt die Bankenbranche vor Herausforderungen wie umfangreiche Regulierungsanforderungen oder neue Mitbewerber. COO Philipp Hämmerle sieht sich als Wegbereiter für die IT, damit sie in der Hypo Vorarlberg ihre volle Wirkungskraft entfalten kann. [...]
Digitalisierung, Regulierung oder Kryptowährungen. Die Bankenbranche erfährt derzeit massive Veränderungen. Was bedeutet das für Ihr Unternehmen?
Die sich rasant entwickelnde Digitalisierung stellt eine große Herausforderung für regionale Universalbanken wie die Hypo Vorarlberg dar. Zum Einen gibt es regulatorisch immer mehr zu erfüllen: beispielsweise ZaDiG, Basel III & IV, EBA Guidelines etc. Und zum Anderen treten neue globale Player wie Google, Apple, Amazon mit gut gefüllten Kassen in den Markt ein und erhöhen den Innovationsdruck enorm. In den letzten Jahren, verstärkt durch die Pandemie, hat sich aber auch das Verhalten der Kundinnen und Kunden verändert. Waren früher noch häufigere Filialbesuche die Regel, besucht heute eine Kundin bzw. ein Kunde durchschnittlich nur mehr zehn Mal im Jahr eine Filiale, verwendet aber über 300 Mal Online-Banking-Dienste – Tendenz stark steigend.
Um diese neuen Herausforderungen als Bank erfolgreich meistern zu können, ist die konsequente Digitalisierung ein Teil der Lösung, die weiter geht als nur Apps und IT-Tools und sich umfassend mit der gesamten Organisation befasst, sowie damit, wie Innovationen und Optimierungen identifiziert und umgesetzt werden können. Betroffen ist die gesamte Bank, also IT und Fachbereiche und durch eine enge (agile) Zusammenarbeit stellen wir uns gemeinsam den Herausforderungen. Dabei halten wir an unseren Stärken des Filialnetzes als umfassende Kompetenzzentren fest und bieten somit die Wahlmöglichkeit zwischen digitaler und analoger Beratung.
Wie sehr haben sich die Anforderungen an die IT der Hypo Vorarlberg in den letzten Jahren verändert?
IT bzw. elektronische Datenverarbeitung (EDV) waren für Banken schon sehr früh wichtige Tools für die Abwicklung des Bankgeschäfts. Viele Kernbankenlösungen haben ihren Ursprung in den 1980er- und 1990er-Jahren. Diese frühen IT-Anwendungen und daraus gewachsenen Strukturen bedeuten für uns heute eine größere Herausforderung in der Modernisierung. Die IT wurde früher oft nur als Entwickler bzw. als Feuerwehr für Adhoc-Lösungen gesehen. Dies hat sich stark verändert. Für eine erfolgreichen Umsetzung der Digitalisierung musste die IT zum Enabler für das Bankgeschäft werden und die Etablierung neuer, digitaler Geschäftsmodelle, die auf Basis innovativer Technologien zusätzliche Geschäftspotenziale erschließen, ermöglichen.
Wichtig dabei ist eine enge, kontinuierliche Zusammenarbeit von IT und Fachbereichen auf Augenhöhe. Im Unterschied zu früher gilt es für IT und Fachbereiche die gleiche Anspruchsgruppe (die Kunden der Bank) zu bedienen. Innerhalb der Bank werden bei uns die Fachbereiche nicht als Kunden der IT gesehen, sondern als wichtige Partner auf dem gemeinsamen Weg, den Kundinnen und Kunden unserer Bank bestmöglichen Service und ausgezeichnete Produkte anbieten zu können.
Wie hat sich auch Ihre Rolle als CIO in den letzten Jahren gewandelt? Wie viel Prozent machen die Bereiche Technik, Strategie, Compliance/Recht bei Ihrer Arbeit aus?
Vernetztes Denken wird immer wichtiger! Um erfolgreich zu sein, müssen die Themen immer für die gesamte Bank betrachtet werden. Eine prozentuelle Verteilung würde ich folgendermaßen ansetzen: Technik 25 Prozent, Strategie 45 Prozent und Compliance/Recht mit 30Prozent. Management im Bankenbereich erfordert aufgrund der komplexen Regulatorik viel Zeit für Compliance-Themen. Banken sind sehr stark reguliert und die daraus resultierenden Herausforderungen nur mit klugen IT-Lösungen bewältigbar.
Das größte Gewicht meiner Arbeit liegt immer noch auf der strategischen Komponente, um die Hypo Vorarlberg voranzubringen und zukunftsfit zu halten, aber auch um neue Akzente setzen zu können, damit wir weiterhin erfolgreich am Markt bestehen.
Wie gehen Sie an IT-Projekte heran und wie sieht Ihre Strategie aus? Wie gestalten Sie die Rolle des CIO?
Wir setzen bei IT-Projekten immer mehr auf eine agile Umsetzung: also IT und Fachbereiche gehen in enger, kontinuierlicher Zusammenarbeit gemeinsam in kleinen Schritten vorwärts. Keine großen Super-Programme, sondern mehrere kleinere Initiativen, mit regelmäßigem Feedback und Lessons-Learned-Schleifen.
In meiner Rolle als CIO sehe ich mich als Wegbereiter für die IT, damit sie in der Hypo Vorarlberg ihre volle Wirkungskraft entfalten kann. Als Vorstand vertrete ich eine neue, starke Stimme der IT, welche nicht nur ausführt bzw. Erfüllungsgehilfe ist, sondern auf Augenhöhe als wichtiger Enabler in der Bank agiert. Gleichzeitig auch wichtig: Als CIO ist man Teil der Veränderungen, nicht nur deren Auftraggeber.
Die agile Vorgehensweise bedeutet auch für mich kontinuierliches Lernen und gemeinsam, in Form von beispielsweise regelmäßigen Retrospectives oder Lessons Learned, Schritt für Schritt mit den Teams zu gehen. Es darf nicht einfach ein Plan über die Bank „rüber gestülpt“ bzw. verordnet werden, sondern die Menschen in der Organisation müssen befähigt werden zu wirken und selbstständig ein klar definiertes Ziel innerhalb ebenso klar definierter Rahmenbedingungen zu verfolgen. Damit wächst die Motivation und es können auch auftretende Irrwege gemeinsam schneller bemerkt und korrigiert werden.
Welche Fähigkeiten muss ein moderner CIO haben?
Dieser muss Initiator, Motivator und Navigator zugleich sein, zu Visionen und neuen Ideen anregen aber auch Kurs halten, wenn es einmal nicht so gut läuft. Ein CIO muss Präsenz bei den Teams zeigen, ihnen gut zuhören und greifbar sein.
Darüber hinaus ist sie oder er gefordert, für die notwendigen Rahmenbedingungen wie Priorität, Awareness im Unternehmen, externe Unterstützung und Knowhow zu sorgen, damit die Teams arbeiten können. Wichtig ist zudem die Fähigkeit zur Reflexion des eigenen Handelns, denn auch als CIO lernt man permanent dazu. Das heißt auch bei eigenen Fehlern transparent zu sein und eine entsprechende Fehlerkultur vorzuleben.
Künstliche Intelligenz und Machine Learning gelten als die Toptrends 2022. Haben Sie in Ihrem Unternehmen schon Projekte umgesetzt und wenn ja in welchen Bereichen? Sehen Sie noch weitere Trends?
Künstliche Intelligenz ist für uns ein wichtiges Thema, unter anderem im IT-Security-Bereich, wo bereits erste Projekte erfolgreich umgesetzt wurden. Darüber hinaus arbeiten wir gemeinsam mit Forschungseinrichtungen an einer noch breiteren Nutzung von KI zur Verbesserung und Automatisierung unserer Prozesse. KI bedeutet für uns den Digitalisierungsweg konsequent zu gehen. Neben der Frage wie wir arbeiten ist vor allem auch die Frage wo wir arbeiten in den Mittelpunkt unserer Aufmerksamkeit gerückt. Vernetztes Arbeiten, agile Projekte zwischen IT und Fachbereichen in Kombination mit Home Office und Remote Work stellt uns als Unternehmen vor neue Möglichkeiten, aber auch Herausforderungen. Auch die Infrastruktur und IT-Security sind dabei gefordert, da mehr Geräte von extern auf das Banknetz zugreifen müssen.
Darüber hinaus ist selbstverständlich das Thema Nachhaltigkeit in allen Unternehmensbereichen allgegenwärtig. Stichwort Green IT: Digitalisierung ist nicht nur Enabler von nachhaltigen Entwicklungen, sondern verbraucht auch immer mehr Ressourcen. Unsere Aufgabe ist es dabei verantwortungsvoll mit den Ressourcen umzugehen.
Das Thema Sicherheit/Datenschutz wird immer wichtiger. Wie muss hier eine moderne Bank aufgestellt sein?
Das Thema ist zentral, denn eine höhere Digitalisierung bedeutet auch mehr Anforderungen an Security und Datenschutz. Beides wird in der Hypo Vorarlberg mit einem sehr hohen Stellenwert versehen und wir investieren jährlich einen größeren Betrag in die Absicherung und Verbesserung. Darüber hinaus ist Bewusstseinsbildung sehr wichtig. IT-Security geht alle im Unternehmen etwas an. Jede und Jeder muss dazu beitragen und es ist nicht nur ein reines IT-Thema.
Nach wie vor gibt es einen eklatanten Mangel an gut ausgebildeten IT-Fachkräften. Wie beurteilen Sie die derzeitige Situation?
Der IT-Fachkräftemangel ist ein immer größer werdendes Problem und die Unternehmen befinden sich in einem entsprechend starken Kampf um gut ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Nachfrage in allen Branchen steigt massiv, da die Digitalisierungsfortschritte auch nach immer mehr IT-Kräften verlangen. Gleichzeitig gibt es aufgrund der demographischen Entwicklung zunehmend weniger Absolventinnen und Absolventen. Es gilt, die IT-Ausbildung noch breiter aufzustellen und von ihrem immer noch anhaftenden Nerd-Image zu befreien, damit sich eine zunehmend größere Anzahl von jungen Menschen für eine entsprechende Ausbildung entscheidet. Wir als Hypo Vorarlberg versuchen uns hier als attraktiver Arbeitgeber in einer attraktiven Region (Vorarlberg) zu positionieren. Das beinhaltet vor allem eine marktgerechte Bezahlung und soziale Benefits. Genauso wichtig ist aber auch ein modernes Arbeitsumfeld, eine angenehme Atmosphäre und eine offene Unternehmenskultur, in der Menschen befähigt werden mitzuwirken. Das spiegelt sich auch im neuen, hohen Stellenwert der IT bei uns in der Bank wider.
Haben Sie eine eigene „Digital Transformation“-Abteilung eingerichtet?
Eine Aufteilung in neue, digitale IT und ein traditionelle IT wäre aus meiner Sicht nicht zielführend. Digitale Transformation betrifft das gesamte Unternehmen, sowohl die Fachbereiche als auch die gesamte IT. Digitalisierung geht uns alle etwas an. Folglich verstehen wir unter dieser mehr als nur den Einsatz von IT-Tools (neu oder alt), sondern es geht vielmehr um einen grundsätzlich neuen Ansatz, wie IT als Gesamtheit die Bank durchdringt und wie diese die Bank treibt. Wichtig dabei ist, die IT als Enabler und Innovationsbringer für die Bank auf Augenhöhe mit den Fachabteilungen und nicht nur als Erfüllungsgehilfe bzw. Implementierungspartner zu sehen.
Was bedeutet die Confare-Auszeichnung zum Top CIO für Sie persönlich?
Ich habe mich sehr über diese Anerkennung gefreut. Auch weil sie ein sichtbares Zeichen dafür ist, dass vor allem in mittelständischen IT-Strukturen sehr viel Innovationskraft liegt und eine aktive und agile Herangehensweise in der Digitalisierung die richtige Antwort auf die neuen Herausforderungen ist. Den CIO Award habe ich vor allem stellvertretend für die herausragende Leistung der gesamten IT entgegengenommen. Es macht Spaß, gemeinsam mit einem motivierten Team auf dem Weg zu sein und Schritt für Schritt voranzukommen. Ich sehe die Auszeichnung auch als Auftrag, mich weiterhin einer der wichtigsten Aufgabe zu widmen: Menschen zu motivieren und befähigen zu wirken und zu wachsen.
Welche Tipps haben Sie für angehende CIOs?
Think positive! Denke vernetzt und sei greifbar für die Teams! Höre allen gut zu – sowohl IT als auch Fachbereichen – und ermögliche es, dass Menschen wirken und gestalten können. Gehe in kleinen Schritten voran und lass Fehler zu, denn so lernt man, besser zu werden.
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