Die wichtigsten Enterprise-IT-Trends 2013

Die Prognosen der großen Analystenhäuser zu den wichtigsten IT-Trends des Jahres sind heuer etwas unspektakulär ausgefallen. Unspektakulär deshalb, weil sie sich bis auf eher unwesentliche Details kaum vom Vorjahr unterscheiden. Am deutlichsten wird das bei Forrester Research: Weil die 2012 veröffentlichten Trends noch immer Gültigkeit haben, hat sich das Marktforschungsunternehmen den Blick in die Glaskugel heuer ganz gespart. Über alle IT-Teilbereiche und Analysten hinweg dominieren vier Trends: Mobility, Cloud Computing, Big Data und Social Media. [...]

BIG DATA
Big Data ist derzeit für die meisten Unternehmen in der Praxis ein Schlagwort ohne große Relevanz. Von der Analyse und Auswertung großer Datenmengen sind viele IT-Abteilungen noch weit entfernt. Doch wegen der immer größer werdenden Datenmengen führt in Zukunft wohl kein Weg an Big Data vorbei. „Anwenderunternehmen sind mit Big Data noch ein bisschen überfordert“, erklärt Heribert Angerer, Sales Manager Enterprise Group bei HP, im Gespräch mit der COMPUTERWELT. „Das hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass viele immer noch ausschließlich in strukturierten Daten denken.“ Die überwiegende Mehrheit der neuen Daten liegt jedoch in unstrukturierter Form vor – E-Mails, Videos oder Informationen aus sozialen Netzwerken – und lässt sich daher nicht so ohne Weiteres analysieren.

Dazu kommt, dass viele Unternehmen gar nicht wissen, wonach sie eigentlich genau suchen. „Anders als bei einer Google-Suche, wo Sie genau wissen, wonach sie suchen, sind Unternehmen im Zusammenhang mit Big Data noch auf der Suche nach den richtigen Fragen“, sagt Angerer. Ein großes Thema sei daher das Erkennen von Mustern in unstrukturierten Datenbergen, um Aufschluss darüber zu erhalten, welche Datenbereiche eine genauere Analyse rechtfertigen.

Gerhard Zeiner, COO von SAP Österreich, sieht das ähnlich: „Die Frage ist: Was mache ich mit den Daten? Es geht darum, ­einen besseren Blick in die Zukunft zu erreichen – Stichwort Predictive Analytics – und um aussagekräftige Profitabilitätsanalysen, ob sich eine Business-Entscheidung rechnet oder nicht.“ Dazu sei es notwendig, das gesamte Informationsmanagement im Unternehmen auf eine neue Basis zu stellen. „Wenn zum Beispiel in einem Fertigungsunternehmen Sensoren Daten zur aktuellen Produktion liefern, dann sind diese Daten nur wertvoll, wenn in Echtzeit darauf reagiert und die Produktion entsprechend angepasst wird.“

MOBILITY
Laut Einschätzung der Analysten von PAC ist Mobile Collaboration der wichtigste Mobility-Trend im kommenden Jahr. Das Ziel ist eine bruchstellenlose und Device-unabhängige Kommunikation samt vollständiger Integration der unterschiedlichen Plattformen und Endgeräte. Bei der Entwicklung von mobilen Apps geht Gartner davon aus, dass weiterhin mehrere Tools zum Einsatz kommen werden. Langfristig soll es eine Verschiebung von nativen Apps hin zu Web Apps geben – dennoch werden die nativen Apps laut Gartner nicht verschwinden und sie werden immer das beste User-Erlebnis und die ausgereiftesten Features bieten.

Ein Stichwort, an dem man in diesem Zusammenhang nicht vorbei kommt, ist BYOD. Noch nie zuvor gab es mehr Cloud-Dienste und Virtualisierungsplattformen, die ein einheitliches Look-and-Feel per Remotezugriff auf einem beliebigen mobilen Endgerät ermöglichen, sei es per Smartphone, Tablet oder Notebook. Viele heimische CIO wehren sich jedoch gegen BYOD, weil dadurch bestehende Sicherheitskonzepte unterlaufen werden. Beschäftigen müssen sie sich trotzdem damit: „Laut unserer Studie IT-Sicherheit in österreichischen Unternehmen greift ein Drittel der heimischen Arbeitnehmer mit privaten Geräten auf Firmendaten zu“, erklärt Achim Kaspar, Österreich-Chef von Cisco, gegenüber der COMPUTERWELT. „Standardisierung bei den Endgeräten kann man dann vergessen.“ Das Sicherheitskonzept könne daher nur im Netz liegen: Das Netzwerk entscheidet, welche Geräte zugelassen werden und welche nicht. „Ich kann nicht einfach die Augen zumachen und sagen, das gibt es bei uns nicht“, erklärt Kaspar. „Modernes Arbeiten umfasst eben auch mobile Devices. Ich kann das offiziell verbieten, die Mitarbeiter werden trotzdem einen Weg finden.“

CLOUD COMPUTING
2013 wird das Jahr der Cloud. „Cloud Computing war ja auch schon in den vergangenen Jahren ein großer Trend“, sagt SAP-Manager Zeiner. „Heuer geht es nun darum, das in ganz konkreten Business-Szenarien wirklich umzusetzen.“ HP-Mann Angerer zufolge beschäftigen sich alle Anwenderunternehmen in der einen oder anderen Form mit der Cloud und versuchen Security-Aspekte zu klären oder fragen wie es aussieht, wenn man seine Daten von einem Cloud-Provider wieder zurückhaben will. „In einzelnen Bereichen wie bei Schulungs- oder Entwicklungssystemen greift auch das Thema Public Cloud bereits“, sagt Angerer. Zeiner wiederum ortet großes Interesse im HR-Bereich, zum Beispiel in Form von Recruiting-Lösungen aus der Cloud.

Das Interesse an Cloud-Services wird dabei offensichtlich vielfach von den Fachbereichen getrieben: „Fachbereiche wünschen sich schnell realisierbare Lösungen und da eignet sich die Cloud natürlich hervorragend dafür“, erklärt Zeiner. „Die IT-Abteilung dagegen sieht das natürlich immer ein bisschen zwiespältig, je nachdem wie die Positionierung im Unternehmen ist. Entweder sehr positiv, nach dem Motto: Damit hab ich nicht noch ein Projekt am Hals – oder man hat Angst, dass an der IT vorbeigesourced wird.“

Die großen Hemmschuhe beim Thema Cloud sind nach wie vor die gleichen: „Wir kämpfen immer noch mit den Standardargumenten“, erklärt Zeiner. Wo sind meine Daten, haben die Amerikaner Zugriff auf meine Daten; generell Security-Themen spielen hier eine große Rolle. Die Cloud ist immer noch eine sehr emotionale Angelegenheit und laut Zeiner ist man immer noch dabei, den Anwendern diese teils ­unberechtigten Ängste zu nehmen. Cisco-Österreich-Chef Kaspar hält in diesem Zusammenhang die Bezeichnung Public Cloud für unglücklich: „Das klingt so als ob jeder Zugriff auf meine Daten hat und das ist abschreckend.“ Das bessere Bild wäre das von Serviceprovidern, die eben Produkte anbieten, die über die Cloud bezogen werden.

Gerade bei KMU ist diese Message aber noch nicht so recht angekommen, obwohl kleinere Unternehmen am stärksten von Cloud-Services profitieren könnten. „Es wäre ein Meilenstein, wenn die Cloud im Mittelstand verstärkt genutzt werden würde“, sagt Zeiner. „Der IT-Betrieb wird effektiver, effizienter und innovativer und das würde dem heimischen Mittelstand sehr gut tun.“ Cisco-Mann Kaspar erwartet, dass sich mehr und mehr Cloud-Anbieter etablieren werden, die KMU Zugang zu bisher nicht leistbaren Technologien bieten. „Auf Anbieterseite wird verstärkt an KMU-Produktlinien gearbeitet, in Folge werden sich Nachfrage und Angebot immer besser treffen und das wird der Cloud 2013 in einigen Bereichen zum Durchbruch verhelfen.“

Ein Top-Trend bei Cloud Computing sind B2B-Marktplätze für Apps. Im Bereich der SaaS-basierenden Software-Ausstattung wachsen nach Ansicht der PAC-Analysten traditionelle Einsatzgebiete wie Collaboration, Unified Communications oder CRM bis hin zu ganzen ERP-Systemen. Außerdem erwartet PAC eine Transformation des klassischen Outsourcing-Geschäftes, das immer mehr in der Hosted Private Cloud aufgeht. Eine logische Entwicklung, weil Kunden so größere Flexibilität erhalten. IDC erwartet für das kommende Jahr im Cloud-Computing-Segment Übernahmen im Wert von mehr als 25 Milliarden Dollar, da die Dienste aus der Wolke ins Zentrum von immer mehr Herstellerangeboten rücken. Die Anbieter von paketierten Applikationen wie IBM, Microsoft oder Oracle werden vermehrt selbst zu SaaS-Providern und treten damit zunehmend in Konkurrenz zu den reinen SaaS-Dienstleistern wie Salesforce.com.

SOCIAL MEDIA
Im B2B-Bereich bietet Social Media zahlreiche Chancen wie etwa Vertriebsunterstützung, direktes Kundenfeedback, Employer Branding. Marktanalysen, neue Kontakte, bessere Suchmaschinen-Positionen und Promotion via viralem Marketing. Darüber hinaus ist der Erfolg durch Social Media gemessen am finanziellen Aufwand überproportional groß. Eine Erfolgsgarantie gibt es aber nicht: Die Kommunikationsart muss laut Analystenmeinung zur eigenen Unternehmenskultur passen und von den Mitarbeitern angenommen werden.

„Egal ob Unternehmen schon genau wissen, wie sie mit diesem Thema umgehen wollen oder nicht: Es steckt viel Potenzial in der Analyse von Kundenverhalten“, erklärt Zeiner. Ein früher Einstieg in die Experimentierphase zahlt sich also aus. Auch deshalb, weil es Unternehmen mit deutlicher Internet-Präsenz laut Analystenmeinung im Hinblick auf die junge Generation der Digital Natives zukünftig einfacher haben werden, neue Arbeitskräfte zu gewinnen. (oli)


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