Die Zukunft der Arbeitswelt

Der Umstieg auf eine hybride Arbeitsweise erzeugt nicht nur neue Möglichkeiten wie etwa unkonventionelle Arten der Zusammenarbeit, sondern konfrontiert Unternehmen, Mitarbeiter und deren Familien auch mit einer Vielzahl an Herausforderungen. [...]

Die hybride Arbeitswelt ist gekommen, um zu bleiben. (c) Unsplash

Nach den teils positiven Erfahrungen der Pandemie ist eines klar: Die hybride Arbeitswelt ist gekommen, um zu bleiben. Die Frage ist nur, auf welche Weise und in welchem Umfang. Citrix hat im aktuellen Report »The Born Digital Effect« in Kombination mit der letztjährigen Studie »Work 2035« Digital Natives und Führungskräfte aus Frankreich, Deutschland, den Niederlanden, dem Vereinigten Königreich, Mexiko, den USA, den Vereinigten Arabischen Emiraten, China, Indien und Japan befragt. Untersucht wurde diesmal der Einfluss junger Wissensarbeiter auf die Unternehmensleistung und bewertet, inwieweit die heutigen Unternehmensführer die Arbeitsprioritäten, Werte und bevorzugten Arbeitsstile dieser Gruppe verstehen. Um es auf den Punkt zu bringen: Die Vorstellungen der Digital Natives und der aktuellen Führungskräfte gehen mitunter weit auseinander. 

So sind Wissensarbeiter der Digital-Natives-Gruppe weniger erpicht darauf ins Büro zurückzukehren als ihre Führungskräfte, da sie glauben, dass Heimarbeit für ihr Wohlbefinden am Besten ist. Dies wird von den Führungskräften schlecht verstanden, die glauben, dass das Büro die beste Umgebung für Produktivität und Wohlbefinden ist und, dass die jungen Mitarbeiter wieder mehrheitlich im Büro arbeiten wollen. Vielleicht überraschend ist, dass sich junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter keine fließenden Arbeitsformen oder unkonventionelle Arbeitsmuster wünschen, sondern eher mit flexiblen Arbeitsbeginn- und -endezeiten und einer gesunde Work-Life-Balance zufrieden sind. 

Was die Frage nach der Art der Zusammenarbeit betrifft, so wird deutlich, dass Digital Natives und Führungskräfte in getrennten »Technologieblasen« leben. So nutzt die erste Gruppe beispielsweise viel häufiger informelle Kanäle wie Messaging-Apps für Arbeitsgespräche als ihre Führungskräfte. Die Pandemie hat die jungen Wissensarbeiter daran erinnert, dass soziale Interaktion in einem geschäftlichen Kontext von entscheidender Bedeutung ist (68 Prozent stimmen dem zu), so dass Remote-Working-Technologien eine Schlüsselrolle zukommt. 67 Prozent sind der Meinung, dass die Pandemie gezeigt hat, dass ihr Unternehmen mehr in digitale Technologie investieren muss.

Sowohl Unternehmensleiter als auch die Digital Natives glauben, dass die Krise den digitalen Wandel beschleunigt hat, aber es besteht ein Bedarf an zusätzlichen Tools und Plattformen. »Derzeit arbeiten vielerorts alle Mitarbeiter noch unter denselben Voraussetzungen: Sie sitzen Zuhause vor dem Computer, verständigen sich mit Kollegen auf digitalen Wegen und haben die gleichen Möglichkeiten, an Projekten mitzuarbeiten oder sich bei Diskussionen einzubringen«, sagt Wolfgang Mayer, Country Manager Österreich bei Citrix. »Ermöglichen Organisationen in Zukunft aber hybride Arbeitsmodelle, wird ein Teil ihrer Belegschaft weiterhin alleine Zuhause sitzen, während der andere Teil sich persönlich im Büro begegnet. Es wird an den Führungskräften liegen, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen, die allen Mitarbeitern eine konsistente, integrative und gleichberechtigte Erfahrung ermöglichen und niemanden aufgrund seines Standorts benachteiligen. Nur so können Unternehmen und Arbeitnehmer auch tatsächlich von den Vorteilen flexibler Arbeitsmodelle profitieren.«

Heute spricht man in Sachen hybrider Arbeit in der Regel vom Büro oder dem Home Office. Doch es gibt weit mehr Orte, wo produktiv zusammengearbeitet werden kann. Ein aktuelles Beispiel ist das Projekt »Vienna Park-Working-Spaces«, das erweiterte Nutzungsangebote für das Arbeiten in öffentlichen Grünanlagen in der österreichischen Bundeshauptstadt schaffen will. Viele Parks verfügen über ausreichend Raumressourcen und kühlendes Grün, doch die benötigte Arbeitsinfrastruktur fehlt. Ziel des Projektes ist daher die Entwicklung von Energie-autarken, App-gesteuerten Freiraumarbeitsplätzen in öffentlichen Wiener Parkanlagen, die jegliche notwendige Infrastruktur bereitstellen und ein komfortables Arbeiten mit elektronischen Geräten ermöglichen.

Der Hintergrund: Die Klimakrise verlangt auf Grund steigender Temperaturen auch in Wien nach mehr Aufenthaltsmöglichkeiten im begrünten, kühlen Freiraum. Gerade Menschen, die in herkömmlichen Büroräumlichkeiten in dicht bebauten Gebieten der Stadt arbeiten, leiden unter schlechten Arbeitsbedingungen durch klimawandelbedingt steigende Temperaturen. 

Das Pilotprojekt, das im März 2021 begonnen hat und bis Februar 2023 dauern soll, will nicht nur neue Coworking-Orte schaffen, sondern auch kommunalen Mehrwert erzeugen. Zu den kommunizierten Vorteilen gehören: 

  • Stärkung der Stadt als Arbeits- und somit Wirtschaftsstandort
  • Erhaltung der Produktivität in Krisenzeiten
  • Gesteigerte Volksgesundheit
  • Beitrag zur Erreichung der Klimaziele (grüne Stromerzeugung vs CO2-Ausstoß durch Klimaanlagen)
  • Beitrag zur Energieversorgung der Stadt (Energieproduktion)
  • Nutzung des öffentlichen Stadtgrünraumes durch gezielte Steuerung (Planungsinterventionen) 
  • Optimierung von Stadtstrukturen im Klimawandel 

Klare Regeln für das Miteinander

Egal von wo aus gearbeitet wird, es braucht laut Wolfgang Mayer Richtlinien, die die Zusammenarbeit von Home-Office- und In-Office-Arbeitern regeln. »So kann festgelegt werden, dass Meetings weiterhin als Videokonferenz stattfinden müssen, in die sich jeder einzeln einwählt, damit alle die gleichen Chancen haben, sich zu beteiligen. Ergebnisse und Erkenntnisse, die sich aus dem Gespräch mit Kollegen vor Ort ergeben, sollten auch immer dokumentiert und mit anderen Teammitgliedern geteilt werden, damit alle über denselben Wissenstand verfügen. Für Manager ist es außerdem wichtig, dass sie regelmäßig mit den Mitarbeitern kommunizieren, die sie nicht mehr täglich im Büro sehen, um Probleme oder Schwierigkeiten frühzeitig zu erkennen und Hilfestellung geben zu können. Weiter müssen sich auch schauen, dass sie allen Mitarbeitern ungeachtet ihrer Location neue Perspektiven und Einsatzmöglichkeiten eröffnen, beispielsweise durch die Zusammenarbeit an neuen Projekten oder durch Weiterbildungsmaßnahmen.«

Vertrauen und Sicherheit

Die organisatorische und technische Seite sind nur zwei Aspekte eines komplexen Systems, das unter der Bezeichnung »hybrides Arbeiten« läuft. Die Pandemie gibt einen Vorgeschmack darauf, welche psychologischen Herausforderungen zu erwarten sind. »Es ist großartig zu sehen, dass so viele Unternehmen den emotionalen und psychologischen Tribut, den die Pandemie von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern fordert, erkennen und konstruktive Maßnahmen ergreifen, um ihnen zu helfen, damit umzugehen«, sagt Nela Richardson, Chief Economist bei ADP. »Allerdings könnten die Bemühungen zur Förderung des psychischen Wohlbefindens untergraben werden, wenn Arbeitgeber bei der Überwachung von Anwesenheit und Zeitmanagement zu streng vorgehen. Durch einen Big-Brother-Ansatz riskieren sie, Stress- und Angstgefühle der Arbeiterinnen und Arbeiter zu verstärken.«

Das ADP Research Institute hat vor kurzem die Studie »People at Work 2021: A Global Workforce View« herausgebracht, in der über 30.000 Arbeitnehmer aus 17 Ländern befragt wurden (Österreich ist nicht darunter). Untersucht wurden die Aspekte Arbeitsplatzsicherheit, Arbeitsplatzbedingungen, Bezahlung und Leistung, Mobilität die und familiäre Situation, wobei hier vor allem auf die europäische Länder eingegangen werden soll. 

Der Optimismus in Bezug auf die nächsten fünf Jahre am Arbeitsplatz ist in Europa stärker gesunken als in jeder anderen Region, nämlich von 78 Prozent auf 71 Prozent, und ist damit jetzt der niedrigste in der Welt, obwohl er Anfang 2020 noch gleichauf mit Nordamerika war. Innerhalb Europas sind die niederländischen Arbeitnehmer am optimistischsten (der Anteil derer, die dies sagen, liegt mit 83 Prozent knapp unter dem weltweiten Durchschnitt), während weniger als zwei Drittel der Arbeitnehmer in Spanien und Italien dieser Meinung sind. Was die finanzielle Sicherheit nach COVID-19 betrifft, so erwarten im Vereinigten Königreich, in Frankreich, Spanien und Polen mindestens doppelt so viele Arbeitnehmer negative Auswirkungen von COVID-19 in den nächsten drei Jahren wie diejenigen, die glauben, dass sie positive Auswirkungen haben werden.

Knapp mehr als die Hälfte der europäischen Arbeitnehmer geben an, von der COVID-19-Pandemie direkt beruflich betroffen zu sein – ein geringerer Anteil als in anderen Regionen, aber dennoch erheblich. Ein Viertel der Arbeitnehmer hat seinen Arbeitsplatz verloren, wurde beurlaubt oder von seinem Arbeitgeber vorübergehend entlassen. Am häufigsten waren diese Maßnahmen in Frankreich, dem Vereinigten Königreich und Spanien zu beobachten, wo jeweils etwa ein Drittel betroffen war, während in Polen und Italien Lohnkürzungen häufiger vorkamen. Die Arbeitnehmer in den Niederlanden und Deutschland gaben nicht nur in Europa, sondern weltweit am seltensten an, dass sie berufliche Auswirkungen erfahren haben.

Bei den Erwerbstätigen hat die Arbeitsbelastung in dem Maße zugenommen, dass die Zahl der unbezahlten Überstunden erheblich gestiegen ist – und zwar um fast die Hälfte. Die durchschnittliche Zeit, die pro Woche für unbezahlte Arbeit aufgewendet wird, stieg von 4,5 Stunden im letzten Jahr auf 6,7 Stunden. In der Schweiz und im Vereinigten Königreich werden mit durchschnittlich 7,9 bzw. 7,8 Stunden die meisten unbezahlten Überstunden geleistet, während es in Polen 5,4 sind. Rund jeder fünfte Arbeitnehmer in Europa leistet heute durchschnittlich mehr als zehn unbezahlte Überstunden pro Woche.

Obwohl viele europäische Arbeitgeber Initiativen zur Unterstützung und Belohnung ihrer Mitarbeiter während der Pandemie ergriffen haben, wie z. B. finanzielle Beratung oder Initiativen zur Förderung der psychischen Gesundheit, scheinen solche Maßnahmen weniger verbreitet zu sein als in anderen Regionen der Welt. Unter den europäischen Nachbarn bieten britische Arbeitgeber am ehesten finanzielle Beratung an, während Polen und die Schweiz in der Region führend sind, wenn es darum geht, die psychische Gesundheit der Arbeitnehmer in den Vordergrund zu stellen, so die ADP-Studie »People at Work 2021: A Global Workforce View«.

Verändertes Verhalten

Die Sorge um die Sicherheit des Arbeitsplatzes oder der Finanzen bringt 57 Prozent der Arbeitnehmer dazu, bei der Arbeit anders zu handeln, so die ADP-Studie weiter. Vor allem in Spanien äußert sich dies darin, dass die Arbeitnehmer zusätzliche Aufgaben oder ein höheres Arbeitspensum übernehmen oder länger arbeiten. Für deutsche Arbeitnehmer scheinen diese Sorgen weniger dringlich zu sein als für viele ihrer europäischen Nachbarn. Sie haben ihre Arbeitsgewohnheiten oder -regelungen am seltensten geändert (49 Prozent). Wenn Arbeitnehmer zusätzliche Verantwortung oder eine neue Aufgabe übernahmen, haben Polen, Franzosen, Deutsche und Niederländer am ehesten eine Gehaltserhöhung oder einen Bonus erhalten. 

Die Bewältigung von Stress am Arbeitsplatz aufgrund der Auswirkungen von COVID ist für Frauen in Europa eine der größten Herausforderungen (17 Prozent gegenüber 12 Prozent der Männer). Ein Teil des Problems könnte mit den Arbeitsregelungen zusammenhängen, bei denen Frauen seltener als Männer von ihren Vorgesetzten mehr Flexibilität erhalten, als die Unternehmenspolitik erlaubt. Vor allem Mütter scheinen die großen Verlierer zu sein: Die Umfrageergebnisse deuten darauf hin, dass Mütter weniger Flexibilität geniesen als Väter und Nicht-Eltern. 35 Prozent der Väter geben an, dass ihr Vorgesetzter mehr Flexibilität zulässt als die Unternehmenspolitik vorschreibt – gegenüber 29 Prozent der Mütter.

Das Beispiel der COVID-19-Pandemie zeigt, dass es nicht reicht, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einfach nach Hause zu schicken und zu hoffen, dass der Betrieb so weiter geht wie bisher. Mit der hybriden Arbeitswelt werden Unternehmen und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit neuen Herausforderungen konfrontiert – und zwar auf technischer, organisatorischer wie auch psychologisch-emotionaler Ebene. Und es liegt auf der Hand, dass der Umstieg ein langfristiger Prozess sein wird. »Arbeitgeber müssen sich zwar schnell anpassen, aber auch vorsichtig vorgehen. Angemessener Umgang mit Stress, Wohlbefinden, Produktivität und Arbeitsmoral muss für Manager und Managerinnen sowie HR-Teams in Zukunft ein zentrales Anliegen sein«, so Nela Richardson abschließend.


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