Die Zukunft des digitalen Lernens

Diesen Jänner ging die bedeutende europäische Messe für (digitales) Lernen, die LERNTEC in Karlsruhe, zum 25. Mal über die Bühne. Aus diesem Anlass wurden Bildungsexperten befragt, wie sie die Zukunft des digitalen Lernens bis zum Jahr 2025 sehen. [...]

Vom 24. bis 26. Jänner präsentierten in Karlsruhe 257 Aussteller (2016 waren es noch 233) den über 7.500 Fachbesuchern der LERNTEC ihre Lehr- und Lernprodukte und -lösungen. Damit konnte sich die Messe, die 2017 ihr 25-jähriges Bestehen feierte, weiterhin als bedeutendste europäische Messe zum Thema Digitales Lernen behaupten. Anstatt das Vierteljahrhundert LERNTEC mit Rückblicken zu zelebrieren, wollte die Veranstalterin, die Karlsruhe Messe- und Kongress-GmbH, lieber die Zukunft des Digitalen Lernens erforschen und befragte mit Hilfe des mmv Marktforschungsinstituts 68 ausgewiesene Bildungsexperten aus allen Bildungsbereichen und der Bildungspolitik zu ihrer Einschätzung von Trends und Entwicklungschancen.
Sieben Trendprognosen
In einer zweistufigen Delphi-Befragung, die speziell für die Ermittlung von Trends und Prognosen kreiert wurde, wurde die Entwicklung des digitalen Lernens bis 2015 bezüglich der vier Bildungsbereiche Schule, Ausbildung, Hochschule und Weiterbildung abgefragt. Dabei befragten die mmb-Trendforscher die Experten zu sieben Themen der Bildung, wobei laut den Befragungsergebnissen jedes Thema seine eigenen Herausforderungen bereithält.
Eindeutig die größte Herausforderung für die Digitalisierung des Lernens sehen die Befragten in der nötigen digitalen Kompetenz der Lehrenden – und zwar über alle Bildungssektoren hinweg. Weniger problematisch wird die Kompetenz auf Seiten der (jungen) Lernenden – Stichwort Digital Natives – gesehen. Deren digitale Kompetenz und technische Ausstattung wird nicht als nennenswerte Hürde für das Digitale Lernen gesehen.
Schule und Ausbildung hinken hinterher
Laut der Experteneinschätzung werden die Sektoren Schule und Ausbildung auch im Jahr 2025 noch bei der Digitalisierung des Lernstoffs hinterherhinken. Es wird erwartet, dass der Anteil des digitalen Lernstoffs von heute einem Fünftel auf knapp die Hälfte steigen wird. Den höchsten Digitalisierungsgrad prognostizieren die Experten für Hochschule und Weiterbildung. Hier wird der Anteil des digitalen Lernstoffs von derzeit einem Drittel binnen zehn Jahren auf knapp drei Viertel steigen. Im Hochschulbereich wird die finanzielle Bereitstellung der entsprechenden Mittel für die Digitalisierung des Lehrens und Lernens, sprich dem Übergang von analogen zu digitalen Medien, im Vergleich zu den drei anderen Bildungssektoren als am leichtesten zu bewältigen eingeschätzt.
Die Chance, anhand der Digitalisierung des Lernstoffs und durch Einsatz digitaler Medien bildungsferne Zielgruppen künftig besser zu erreichen, wird von den Befragten nicht sehr hoch eingeschätzt – vor allem im Schul- und Hochschulbereich. Das „Teilhabe-Potenzial“ der digitalen Medien in der Aus- und Weiterbildung wird etwas höher eingeschätzt.
Technische Trends
Auf die Frage, welche technischen Trends in der digitalen Bildung künftig eine Rolle spielen werden, fällt die Antwort eindeutig zugunsten mobiler Endgeräte und entsprechender Lern-Apps aus. Sie werden nach Ansicht der Experten das digitale Lernen in den nächsten zehn Jahren entscheidend prägen, da vor allem Smartphones über alle Bevölkerungsschichten hinweg allgegenwärtig sind. Das wird auch die Kosten senken, da die Menschen bereits Smartphones besitzen und damit nicht extra ausgestattet werden müssen. Aber auch der Einsatz von Learning Analytics und anderer Methoden der Künstlichen Intelligenz wird als vielversprechend beurteilt. Auch nicht uninteressant: Bei den Wearables wird wenig Potenzial hinsichtlich des digitalen Lernen gesehen, sie bilden das Schlusslicht der technischen Trends.
Bei den relevanten didaktischen Konzepten für die digitale Bildung gelten soziales und kollaboratives Lernen aus Sicht der befragten Experten als wichtigste didaktische Innovation. Ein zentrales Argument für das kollaborative, vernetzte Lernen ist demnach, dass damit Lernprozesse eingeübt werden können, die in der Arbeitswelt Standard sind – und die auch als die natürliche Form des Lernens gelten. Teamkompetenz und gemeinschaftliches Lernen werden auch in der Industrie 4.0 immer wichtiger und gelten bereits als „21st Century Skill“.
Die befragten Experten sind mehrheitlich (56 Prozent) überzeugt, dass Wissensplattformen klassische Bildungsverlage weitgehend verdrängen werden. Der in vielen anderen Branchen erkennbare Trend zur „Plattformisierung“ der Geschäftsmodelle im Zuge der Digitalisierung stellt somit auch für die Bildungsverlage, insbesondere die kleinen unter ihnen, eine zunehmende Gefahr dar. Alle anderen abgefragten Szenarien finden keine mehrheitliche Zustimmung. So sind die Studienteilnehmer wenig überzeugt davon, dass die Zukunft dem „adaptiven Lernen“ (39 Prozent der Befragten) gehört oder dass die Digitalisierung dafür sorge, dass „Wissen ein freies Gut“ bleibt, das unabhängig von Herkunft, Einkommen und Stand für jeden jederzeit an jedem Ort verfügbar sein werde (31 Prozent der Befragten stimmen zu). Immerhin findet die zugespitzte Prognose, dass das Lernen im Jahr 2025 vor allem in den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) immersiv, also gestützt durch Virtualisierung, Augmented Reality und 3D-Technologien, stattfinden wird, noch die Zustimmung fast der Hälfte der Befragten (45 Prozent). Insgesamt erwarten die Experten im Hinblick auf Lerngewohnheiten und Lernmethoden mehrheitlich keinen radikalen Wandel.
E-Learning-Branche boomt
Die Studie prognostiziert der E-Learning-Branche eine rosige Zukunft: In den nächsten fünf Jahren (bis 2020) soll der Umsatz demnach um mehr als 110 Prozent von 600 Mio. Euro im Jahr 2015 auf nahezu 1,3 Mrd. Euro steigen (rund ein Drittel der Befragten). Das entspricht einem jährlichen Wachstum bis 2020 von ca. 17 Prozent. Das ist durchaus möglich, wurde allerdings bisher auch in den besonders starken Wachstumsjahren nicht erreicht. Knapp zehn Prozent der Studienteilnehmer erwarteten ein noch höheres Wachstum, niemand glaubt an einen Umsatzrückgang. Als Gründe für diese optimistische Schätzung werden die mit dem digitalen Lernen mittelfristig einhergehende Kostensenkung sowie der allgemeine Trend zur Digitalisierung in Wirtschaft (Industrie 4.0) und Gesellschaft angeführt.

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