Mitten in San Francisco zeigte IBM auf der THINK 2019 van zehn Veranstaltungsorten Lösungen und bereits im Einsatz befindliche Anwendungsmöglichkeiten rund um Künstliche Intelligenz, Quantencomputer, Blockchain, Cloud und IoT. [...]
Bereits am ersten Tag noch vor der Eröffnungsrede von IBM-CEO Ginni Rometty schrieb man Geschichte: Das KI-System IBM Project Debater diskutierte mit dem mehrfach ausgezeichneten Redetalent und Weltrekordhalter von Debattierwettbewerben Harish Natarajan zum Thema »Should preschool be subsidized?« (auf deutsch etwa: »Sollen Kindergärten subventioniert werden?« Die Debatte erfolgte live, dementsprechend hoch war die Nervosität bei den IBM-Wissenschaftlern.
Das Thema erfuhren Mensch wie Maschine erst 15 Minuten vor der Debatte, die in drei Runden erfolgte. IBM Project Debater sprach mit einer menschlich klingenden weiblichen Stimme und hatte keinen Zugriff auf das Internet, Natarajan natürlich auch nicht. Die IBM-Wissenschaftler verteilten die Rollen: Project Debater musste für die Subventionierung und sein menschlicher Gegenspieler dagegen sprechen.
Das Publikum stimmte per Handy ab. Vor der Debatte gefragt, ob man für oder gegen die Subventionierung der Kindergärten sei, stimmten 79 Prozent der Anwesenden dafür (13 Prozent dagegen, 8 Prozent unentschlossen), nach der Debatte waren es nur mehr 62 Prozent (30 Prozent dagegen, 8 Prozent unentschlossen). Deswegen bezeichnete Moderator John Donvan von Intelligence Squared US Natarajan als Debattensieger. Die Argumentationslinie der Maschine war jedenfalls hervorragend, sie ging auf die Argumente von Natarajan ein, hielt ihre dagegen und unterlegte diese mit nicht wenigen Zahlen. Diese stammten aus ihrem Speicher und nicht aus dem Web und waren wohl auch der Grund, warum 58 Prozent der Anwesenden sagten, dass Project Debater ihnen half, mehr Einsicht in die Materie zu gewinnen. Einen Wissenszuwachs aufgrund der Rede von Natarajan vermeldeten lediglich 20 Prozent des Publikums. Dies relativiert wiederum die Einschätzung von Natarajan als Debattensieger.
IBM Project Debater wird in den IBM-Labors im israelischen Haifa entwickelt. Einige israelische Wissenschaftler waren extra für dieses Event angereist, darunter die Projektleiter Ranit Aharonov und Noam Slonim. In einer kurzen Rede zeigte sich letzterer auf der Bühne überzeugt davon, dass das Zusammenspiel von Mensch und Maschine für beide bereichernd sein kann. »Es geht nicht darum«, so Slonim, »dass einer besser ist als der andere, sondern dass AI und Menschen zusammenarbeiten.« Aharanov sieht wiederum das Potenzial von Project Debater in dessen Fähigkeit, »beide Seiten eines Problems zu verstehen und alle Vor- und Nachteile darzustellen, damit man das Thema umfassender sehen und eine bessere Entscheidung treffen kann.« Dass dies bereits technisch verwirklicht ist, hat die Debatte eindrucksvoll gezeigt.
Ein Grossevent vor den Toren des Silicon Valley
Die IBM-Think-Konferenz lockte 26.000 Geschäftsführer, IT-Leiter und Entwickler aus 180 Ländern und 22 Branchen nach San Francisco, darunter 1.700 IBM-Businesspartner. Über 50 CEOs, IT-Experten und Wissenschaftler geben in ihren Keynotes und Vorträgen Einblicke in technische Entwicklungen und entsprechende Geschäftschancen. Zudem konnten in mehr als 2.000 Sessions die Kenntnisse vertieft werden.
Innovationsmotor IBM
Seit Jahren führt IBM verlässlich die Liste des US-Patentamts mit den meisten erteilten Patenten an. 2018 hat das Unternehmen 9.100 Patente zugesprochen bekommen – 600 davon mit Beteiligung von deutschen und Schweizer IBM-Forschern. Alleine 1.600 Patente stammten aus dem Bereich Künstliche Intelligenz, viele Innovationen stammten zudem aus den Bereichen Cloud Computing, Security, Quantencomputer und Blockchain, also die Bereiche, die auf der THINK 2019 von Ginni Rometty, CEO von IBM in ihrer Eröffnungsrede und auch auf der Konferenz technologisch im Mittelpunkt standen.
Witzig nahm Rometty gleich am Beginn ihrer Rede Bezug auf die lange Besucherschlange beim Einlass zu ihrer Keynote, indem sie meinte, dass damit die THINK 2019 schon fast das Feeling des Verkaufsstarts eines neuen iPhones vermittelte.
KI, Blockchain und Quantencomputer sind für Rometty längst der Entwicklungsphase entstiegen und bereits bei handfesten Lösungen im Einsatz. Damit sieht die IBM-Chefin ihr Unternehmen in eine neue Phase der Digitalen Transformation eintreten. Drei Kerngebiete seien dabei von essentieller Bedeutung, nämlich Digital und AI, die Hybrid Cloud und Verantwortungsbewusstsein (»Responsible stewardship«).
Drei Kerngebiete
1.Digital und AI: In der nächsten Phase von Digital and KI geht es um Skalierung und den Übergang vom Experimentieren zur Transformation. Deswegen kündigt IBM Watson Anywhere an: damit ist IBM Watson jetzt überall verfügbar – sowohl lokal im Unternehmen (on premise) als auch in jeder privaten oder öffentlichen Cloud, also auch für die Cloud-Plattformen anderer Hersteller wie AWS, Microsoft Azure oder die Google Cloud. Auf diese Weise können Unternehmen die KI überall dort einsetzen, wo sich ihre Daten befinden.
Man habe mit Watson Assistant und Watson OpenScale Werkzeuge geschaffen, damit Unternehmen ihre eigene KI bauen und einsetzen können, betont Rob Thomas, Leiter der Sparte IBM Data+AI. Watson Assistant ist ein digitales Assistenzsystem für Unternehmen, das sich in allen vernetzten Lösungen, wie Cloud- oder IoT-Produkte integrieren lässt. Die Watson Assistant Discovery Extension ermöglicht zudem verborgene Einblicke in unstrukturierte Daten und Dokumente zu gewinnen. Watson OpenScale ist eine offene KI-Plattform, mit der mehrerer KI-Systeme zentral verwaltet werden können. Das heißt Plattformen, wie beispielsweise Tensorflow, Scikitlearn, Keras oder Spark ML können von einer Konsole aus gesteuert werden. Das war bisher nicht möglich. Die beiden Services ergänzen Watson Studio und Watson Machine Learning.
Der Einstieg in die AI ist auch für KMUs erschwinglich: Mit Investitionen von 5.000 Dollar sind laut Thomas erste Lösungen machbar. Wohl anspielend auf das Argument, dass KI viele Jobs vernichten werde, sagt Rob Thomson: »AI ersetzt keine Manager, aber Manager, die KI verwenden ersetzen Manager, die das nicht tun.«
In der neuen Phase der digitalen Transformation müssen Unternehmen zwei unterschiedliche Ansätze verfolgen, so Rometty in ihrer Keynote: nämlich von außen nach innen (outside in) und von innen nach außen (inside out). Während ein Outside-In-Ansatz weitgehend vom Markt und der Nachfrage nach neuen digitalen Diensten bestimmt wird, geht es bei Inside Out darum, Kernsysteme zu modernisieren und das Unternehmen für die Transformation umzugestalten.
Rometty bat auch Gäste zu sich auf die Bühne, die Lösungen aus der Praxis aufzeigten, darunter waren John Donovan, CEO von AT&T und Ted Chung, CEO von Hyundai Card. Letzterer schilderte wie er mittels skalierenden AI-Lösungen (mit Hilfe von Chatbots und Call-Centers) den Kundenservice verbessert. Die Transformation mit und durch KI werde jeden treffen, ist Chung überzeugt und rät Unternehmen sich dementsprechend vorzubereiten.
2.Hybrid Cloud: Unternehmen haben bisher die ersten 20 Prozent ihrer Cloud-Reise absolviert. In der nächsten Phase gehe es darum, geschäftskritische Apps (die übrigen 80 Prozent) in die Cloud zu verschieben. Dabei müssen Unternehmen jedoch die speziellen Anforderungen hinsichtlich Compliance, Sicherheit oder Standort berücksichtigen. Das Ergebnis ist ein komplexes Netz von Hybrid- und Multi-Cloud-Umgebungen. Bereits 94 Prozent der Unternehmen nutzen mehrere Clouds, deswegen sind Möglichkeiten gefragt, Apps und Daten effizient und sicher zwischen Clouds zu verschieben. Im letzten Jahr hat IBM den Multi-Cloud-Manager eingeführt. Auf der THINK kündigt IBM neue Cloud-Angebote an, die den Weg zur Hybrid Cloud vereinfachen und beschleunigen sollen. Zudem läuft die Übernahme von Red Hat durch IBM. Zusammen wollen IBM und Red Hat nicht nur Open Source für Unternehmen gut nutzbar und verfügbar machen, sondern Unternehmen die Expertise bieten wie sie ihre Daten am besten aufbereiten und für ihre Zwecke nutzbar machen.
3.Verantwortungsbewusstsein: Die neue Phase der Digitalisierung bietet gewaltige Möglichkeiten, so Rometty, aber es ist mehr als nur Technologie und Business gefragt. Es geht darum, verantwortungsbewusst zu handeln und Vertrauen aufzubauen, etwa dadurch, dass die Daten der Kunden sicher sind, sie die Herrschaft über ihre Daten behalten und der KI-Technologie und ihren Empfehlungen vertrauen können. So hat IBM unlängst der globalen Forschungsgemeinschaft eine Million kommentierte Bildern von Gesichtern zu Forschungszwecken zur Verfügung gestellt .
Corporate Social Responsibility für eine bessere Welt
Für Ginni Rometty ist es essentiell in Bildung zu investieren, nicht nur, aber auch gerade in Zeiten des Fachkräftemangels, der auch in den USA ein Thema ist. Mit entsprechenden Programmen hilft IBM Studenten und Berufstätigen, investiert in deren Ausstattung, um diesen Menschen den Erwerb der für die heutige Arbeitswelt benötigten Fähigkeiten und Kompetenzen zu ermöglichen. Das zeigt, dass es IBM mit CSR ernst ist.
Erwähnenswert ist das Tech-Re-Entry-Programm, das Menschen nach einer längeren beruflichen Auszeit dank entsprechender Schulungen den Wiedereinstieg in einen technischen Beruf ermöglicht. Ferner gibt es Lehrlingsprogramme, Jugendprogramme wie das PTECH-Progamm (Pathway to Technology) oder die Veteran-Employment-Initiative. Im Rahmen letzterer will IBM heuer 2.000 Veteranen anstellen. IBM ist Gründungspartner von Call for Code, einem 2018 ins Leben gerufenen weltweiten Aufruf an Programmierer, Lösungen für Katastrophenvorsorge und -hilfe zu entwickeln. Für dieses Jahr stellt IBM 25 Millionen US-Dollar für die Umsetzung der Call-for-Code-Lösungen bereit.
Fünf Technologien für die Lebensmittelversorgung der Zukunft
Unter dem Namen »Next 5-in-5« präsentiert IBM Research jedes Jahr fünf Technologien, die das Potential haben, die Gesellschaft in den nächsten fünf Jahren grundlegend zu verändern. Auf der THINK stellten IBM-Forscher jetzt fünf Technologien vor, die die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung verbessern. Die Technologien sind:
- Digitale Zwillinge der Landwirtschaft sollen dazu beitragen, eine wachsende Bevölkerung mit weniger Ressourcen zu versorgen.
- Spoiler Alarm: Die Blockchain soll Lebensmittelverschwendung verhindern.
- Culture Club: Die Kartierung (engl. Mapping) des Mikrobioms soll uns vor schlechten Bakterien schützen.
- Teller Detektive: KI-Sensoren erkennen lebensmittelbedingte Krankheitserreger (nicht nur) zu Hause.
- »Plastic Surgery«: Ein radikal neuer Recyclingprozess soll alten Kunststoffen neues Leben einhauchen.
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