Digitale Bremse

Spätestens im Jahr 2030 sollen Verbraucher und Unternehmen in ganz Österreich auf Gigabit-Verbindungen zugreifen können. Damit die Ziele der ambitionierten Breitband-Strategie erreicht werden können, müssen allerdings alle Seiten die richtigen Weichen stellen. Doch danach sieht es derzeit nicht aus, wie eine (Nicht-)Entscheidung der RTR zeigt. [...]

Der Ausbau des Glasfasernetzes ist wichtiger Bestandteil der Breitbandversorgung. (c) Unsplash
Der Ausbau des Glasfasernetzes ist wichtiger Bestandteil der Breitbandversorgung. (c) Unsplash

Die Ziele, die die Regierung mit der Breitband-Strategie 2030 verfolgt, sind ebenso ambitioniert wie wichtig. Bis 2030 soll Österreich flächendeckend mit Gigabit-fähigen Zugangsnetzen versorgt sein. Dadurch soll sichergestellt werden, dass alle Verbraucher, Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen in Österreich die mit der Digitalisierung verknüpften Chancen und Möglichkeiten zu gleichen Bedingungen nutzen können. Die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) sieht in Gigabit-fähigem Internet die Voraussetzung für die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit Österreichs – und ist mit dieser Einschätzung alles andere als allein. Um nicht nur Ballungsgebiete, sondern die gesamte Wirtschaft zu stärken, muss eine adäquate Breitband-Infrastruktur aufgebaut werden. Wichtigste Stütze ist dabei neben dem 5G-Mobilfunkstandard der Ausbau des Glasfasernetzes.

1 Milliarde Euro für den Glasfaser-Ausbau

Ein wichtiges Zwischenziel der Breitbandstrategie ist, dass bereits Ende 2025 bundesweite Gigabit-Verbindungen zur Verfügung stehen. Möglich ist dies jedoch nur, wenn wichtige Entscheidungen auf dem Weg hin zur Gigabit-Gesellschaft im Sinne der angestrebten Ziele ausfallen. Und so dürfte sich neben den beiden beteiligten Unternehmen auch die österreichische Regierung gefreut haben, als die EU-Kommission 2022 die wettbewerbsrechtliche Freigabe für die Alpen Glasfaser GmbH ohne Auflagen erteilte. Dabei handelt es sich um ein Joint-Venture von Magenta Telekom und dem französischen Infrastrukturpartner Meridiam. Bis 2030 wollen diese beiden IT-Riesen laut eigenen Angaben gemeinsam 1 Milliarde Euro in den Ausbau von mehr als 650.000 neuen Glasfaser-Internetanschlüssen (FTTH) für Haushalte und Betriebe in Österreich investieren.

RTR entscheidet sich gegen freie Wahl des Endgerätes

Doch nicht jede Entscheidung, die in den letzten zwölf Monaten getroffen wurde, dürfte dazu beitragen, die wichtigen Ziele der Breitbandstrategie zu erreichen. So hat etwa die Regulierungsbehörde für Rundfunk und Telekom (RTR) klargestellt, dass sie keine Gründe erkenne, wieso Internetanbieter es Endkunden in ganz Österreich ermöglichen sollten, ihr eigenes Endgerät direkt am Breitbandanschluss nutzen zu können. Die Begründung: Die Router der Betreiber könnten in den Bridge-Modus versetzt werden, sodass Endkunden dahinter ihren eigenen Router verwenden können. „Damit besteht bei Festnetzinternetanschlüssen eine Wahlfreiheit bei Endgeräten und die Routerfreiheit ist in Österreich sichergestellt“, so RTR-Chef Klaus M. Steinmaurer.

Zwei Jahre, nachdem die RTR durch das neue Telekommunikationsgesetz die Befugnis erhielt, eine Verordnung zu erlassen, die das willkürliche Vorgehen der Provider unterbindet, hat sich die Regulierungsbehörde also offiziell dazu entschieden, weiterhin nichts dagegen zu tun. Für Breitbandkunden bedeutet dies, dass sie auf den guten Willen ihres Providers angewiesen sind, wenn das vom Anbieter angebotene Endgerät nicht ihren Bedürfnissen entspricht.

„Eine objektive technologische Begründung findet sich in der Erklärung der RTR nicht“

Die Entscheidung der RTR trifft auf viel Unverständnis – auf Seiten der Industrie wie Politik. „Es wurde eine große Chance vertan, die Situation im Sinne der österreichischen Verbraucherinnen und Verbraucher sowie des Wettbewerbs und der Innovation deutlich zu verbessern“, lautet beispielsweise die Reaktion des Verbunds der Telekommunikations-Endgerätehersteller (VTKE). „Indem die RTR den Bridge-Modus als ‚Routerfreiheit‘ verkauft, verkennt sie das Potenzial einer echten Endgerätefreiheit, bei der die Nutzerinnen und Nutzer das Endgerät ihrer Wahl direkt an ihren Breitbandanschluss anschließen und vollumfänglich nutzen können“, so der VTKE. Mit einem Bridge-Modus würden die Verbraucherinnen und Verbraucher nun weiterhin gezwungen, sowohl doppelte Anschaffungs- als auch Energiekosten zu zahlen, wenn sie ihr eigenes Endgerät nutzen wollen. Gleichzeitig bestünde doppelt so hoher Bedarf an Rohmaterialien zur Geräteherstellung und es entstünde am Ende doppelt so viel Elektroschrott. „Eine objektive technologische Begründung, warum Österreich Ländern mit freier Endgerätewahl nicht folgt, findet sich in der Erklärung der RTR nicht“, kritisiert der Verbund.

SPÖ sieht Rückschritt für den digitalen Fortschritt in Österreich

In einer gemeinsamen Stellungnahme zeigen sich die beiden Nationalrat-Abgeordneten Christian Drobits und Petra Oberrauner ebenfalls enttäuscht von der Entscheidung der RTR. „Digitalisierung, Breitbandausbau und Netzneutralität sind zentrale Elemente unserer Politik, weil sie die Freiheit, Demokratie und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben fördern“, so die SPÖ-Politiker. „Dass die RTR diese Chance zur Verbesserung der Verbraucherinteressen, des Wettbewerbs und der Innovation in Österreich ungenutzt lässt, ist bedauerlich und ein Rückschritt für den digitalen Fortschritt in Österreich.“ Der Routerzwang müsse nach deutschem Vorbild abgeschafft werden, lautet ihre eindeutige Forderung an die RTR.

Ziele der Breitbandstrategie geraten in Gefahr

Die Entscheidung der RTR schützt letztlich die Interessen der Provider zu kosten der Verbraucher – und auch zu Kosten der Wettbewerbsfähigkeit. Schließlich gibt es für Hardware- und Gerätehersteller wenig Anreiz, innovative und leistungsstärkere Lösungen zu entwickeln und bereitzustellen, wenn am Ende nur eine limitierte Auswahl an Provider-Endgeräten am Breitbandanschluss genutzt werden kann. Wieso sich die RTR zu diesem Schritt entschieden hat, bleibt offen. Dabei helfen, die Ziele der Breitbandstrategie Wirklichkeit werden zu lassen, dürften derartige Entscheidungen definitiv nicht.


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