Digitale Fitness in Österreich ausbaufähig

Laut Digital Skills Barometer überschätzen wir unsere digitalen Skills enorm. Nur rund 30 Prozent der Mitarbeitenden heimischer Unternehmen haben demnach die Skills, die das Arbeitsleben benötigt. Michael Swoboda, Geschäftsführer des Bildungsanbieters ETC, erklärt im Interview, wie man die digitalen Fitness der Österreicher steigern könnte. [...]

Michael Swoboda ist Geschäftsführer des Bildungsanbieters ETC. (c) Weinwurm WB
Michael Swoboda ist Geschäftsführer des Bildungsanbieters ETC. (c) Weinwurm WB

Laut dem Digital Skills Barometer verfügen nur rund 30 Prozent der Mitarbeitenden in österreichischen Unternehmen über die erforderlichen digitalen Fähigkeiten. Warum glauben Sie, gibt es in Österreich einen Mangel an digitalen Fähigkeiten?

Digitale Technik privat und in einem erweiterten beruflichen Kontext zu nutzen, sind zwei Paar Schuhe. Die Jungen sind natürlich sehr digital affin. Das heißt aber nicht, dass sie alle notwendigen Kenntnisse über Sicherheit und Ähnliches haben. Sie kennen zwar Cheat Codes bei Netflix, sind aber beruflich oft überfordert. Durch die rasante Entwicklung sind die Schulen und Universitäten überfordert, den Unterricht so zu gestalten, dass er dem entspricht, was in der Arbeitswelt benötigt wird. Das zeigt auch das Barometer: Fast 70 Prozent der Befragten sagen, dass sie digitale Skills durch Ausprobieren oder über Internetseiten und Foren lernen. Die Eigeninitiative ist großartig, dabei ist allerdings nicht gewährleistet, dass die Qualität und Vollständigkeit sichergestellt ist.

Obwohl es in Österreich viele Initiativen zur Verbesserung der digitalen Bildung gibt, bestehen auch nach wie vor große Unterschiede zwischen Regionen, Schultypen und Bildungsbereichen. Manchmal fehlt es dabei an guten Lehrkräften, moderner Ausstattung oder geeigneten Lehrplänen, um digitale Kompetenzen gut zu vermitteln. Nur 18 Prozent der Befragten des Barometers bekommen ihre berufliche Weiterbildung von ihrem Arbeitgeber bezahlt. Das bedeutet, dass viele Menschen selbst dafür aufkommen müssen oder sich gar nicht weiterbilden. Diese Faktoren sind eng miteinander verknüpft und erfordern eine gemeinsame Anstrengung von Unternehmen und Staat, um digitale Kompetenzen als vierte Grundkompetenz neben Lesen, Schreiben und Rechnen zu etablieren und damit die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs zu sichern.

Gleichzeitig überschätzen die Menschen ihre digitale Fitness.

Ja, im Durchschnitt schätzen die Befragten ihre digitalen Kompetenzen um etwa 20 bis 30 Prozent höher ein, als es die Ergebnisse der wissensbasierten Erhebung zeigen. Das entspricht einer ganzen Kompetenzstufe und stellt eine signifikante Fehleinschätzung dar.

Ein Beispiel: Die meisten Österreicher haben eine mittlere Kompetenz im Bereich der Erstellung digitaler Inhalte. Sie können sich gut im Internet zurechtfinden und einfache Aufgaben erledigen. Aber wenn etwas schief geht, brauchen sie Hilfe. Sie glauben aber, dass sie diese Probleme selbst lösen und sogar anderen helfen können. Das stimmt in der Praxis nur leider nicht. Besonders falsch liegen sie bei den Grundlagen, dem Zugang und der Sicherheit im Internet. Da gibt es einen riesigen Unterschied von über 50 Prozent zwischen dem, was sie glauben zu können und dem, was sie tatsächlich wissen. Aber wer gibt schon gerne zu, dass er etwas nicht kann oder eine Datenklau-Falle nicht als solche erkannt hat? Es gilt also, diesen Menschen attraktive Lernangebote zu machen, die ihren Bedürfnissen und Interessen entsprechen und sie auf ihrer digitalen Reise zu motivieren, zu schützen und zu unterstützen.

Welche Schritte könnten unternommen werden, um die digitale Fitness in Österreich zu erhöhen?

Laufende Weiterbildung macht hier den Unterschied. Die digitale Welt verändert sich rasant und wir müssen uns ständig anpassen und neue Fähigkeiten erlernen. Das gilt sowohl für die Arbeitnehmer als auch für die Arbeitgeber. Denken Sie nur an das aktuelle Thema der künstlichen Intelligenz und wie schnell hier Fortschritte gemacht werden. Unternehmen sollten ihre Mitarbeiter nicht nur ermutigen, sondern sie auch dabei unterstützen, ihre digitalen Kompetenzen zu verbessern. Das kann durch Schulungen und berufsbegleitende Programme geschehen, um sicherzustellen, dass die Mitarbeitenden den Anforderungen der digitalen Arbeitswelt gewachsen sind.

Wie könnte die Bildung dazu beitragen, die digitale Kompetenz in der Bevölkerung zu steigern?

Bildung ist der Schlüssel zur digitalen Kompetenz. Wir müssen sicherstellen, dass alle Menschen, unabhängig von ihrem Alter oder ihrem Wohnort, die Möglichkeit haben, digitale Kompetenzen zu erwerben und zu verbessern. Das fängt schon in der Schule an. Die Lehrpläne sollten digitale Kompetenzen als wichtigen Bestandteil in alle Fächer integrieren. Auch Schulen und Hochschulen sollten moderne Technologien und Lernmethoden nutzen, um die Lernenden auf die digitale Zukunft vorzubereiten. Lernen hört auch nicht nach der Schule auf. Auch Arbeitnehmer sollten ihre digitalen Kompetenzen regelmäßig auffrischen und erweitern. Dazu brauchen sie Zugang zu geeigneten Weiterbildungsangeboten, die ihnen helfen, mit den Veränderungen in der Arbeitswelt Schritt zu halten.

Gibt es bewährte Praktiken oder Initiativen, die als Vorbild dienen könnten?

Weiterbildung hilft den Menschen, digitale Kompetenzen zu entwickeln und auf dem Laufenden zu bleiben. Wir sehen jeden Tag, wie effektiv praxisnahe Workshops und Online-Kurse sind. Auch Partnerschaften zwischen Schulen, Unternehmen und Regierungen sind eine bewährte Praxis. Sie ermöglichen den Zugang zu Ressourcen und maßgeschneiderten Schulungsprogrammen, die die digitalen Kompetenzen der Menschen gezielt stärken. Wir sehen jeden Tag, wie effektiv praxisnahe Workshops und Online-Kurse sind. Auch Partnerschaften zwischen Schulen, Unternehmen und Regierungen sind eine bewährte Praxis. Sie ermöglichen den Zugang zu Ressourcen und maßgeschneiderten Schulungsprogrammen, die die digitalen Kompetenzen der Menschen gezielt stärken.

Welche Rolle spielen digitale Grundkompetenzen bei der Nutzung von KI-Technologien? Inwiefern könnte der Mangel an digitalen Grundkenntnissen in Österreich die Einführung von KI im Arbeitsleben beeinflussen?

Die digitalen Grundkompetenzen bilden die Grundlage, um Anwendungen der Künstlichen Intelligenz besser verstehen und nutzen zu können. Wenn die Menschen in Österreich nicht über ausreichende digitale Grundkenntnisse verfügen, erschwert das die Einführung von KI am Arbeitsplatz. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können dann nicht von der Effizienz der KI profitieren oder mit Chatbots interagieren. Deshalb ist es so wichtig, in die digitale Grundbildung zu investieren, um die Menschen fit für KI zu machen und wettbewerbsfähig zu bleiben. Denn kein Unternehmen kann es sich leisten, digital so unproduktiv zu sein, wie es das Digital Skills Barometer zeigt.

Inwiefern verändert KI das Arbeitsleben und die Bildung in Österreich? Gibt es eine Gefahr, dass die Menschen in Österreich diese Veränderungen aufgrund ihrer unzureichenden digitalen Fähigkeiten verpassen könnten?

Im Arbeitsleben automatisiert KI routinemäßige Aufgaben, so sehen wir es zumindest aktuell. Das führt zu mehr Effizienz und spielt die Mitarbeitenden für komplexere Tätigkeiten frei. Um mit dieser Veränderung Schritt zu halten, müssen Mitarbeitende ihre Fähigkeiten und Kompetenzen ständig weiterentwickeln und anpassen. In der Bildung bietet KI neue Möglichkeiten für individuelles Lernen. KI-Tools und Daten bieten Lehrenden die Möglichkeit, den Lernfortschritt von Schülerinnen und Schülern besser zu verfolgen und den Unterricht entsprechend anzupassen. Das kann ihnen helfen, das Potenzial der Kinder und Jugendlichen besser auszuschöpfen.

Es besteht jedoch die Gefahr, dass wir die KI-Transformation verpassen, weil es den einheimischen Arbeitskräften an digitalen Kompetenzen mangelt. Angesichts der Geschwindigkeit, mit der KI-Technologien in verschiedenen Berufsfeldern eingeführt werden, müssen sich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer rasch weiterentwickeln. Wer nicht über ausreichende digitale Fähigkeiten und technologische Kenntnisse verfügt, wird Schwierigkeiten in der sich wandelnden Arbeitswelt bekommen. Um das zu vermeiden, ist es wichtig, die digitale Bildung zu fördern und Schulungen anzubieten. Regierungen und Unternehmen sollten zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass alle Menschen über die Fähigkeiten verfügen, die sie brauchen, um von KI zu profitieren. Dazu gehören Investitionen in lebenslanges Lernen und die Gestaltung von Bildungsprogrammen, die den Anforderungen der digitalen Ära entsprechen.

Welche Bereiche der digitalen Fähigkeiten sind in Österreich am dringendsten verbesserungsbedürftig? Und welche Maßnahmen könnten ergriffen werden, um die Wissenslücken in diesen Bereichen zu schließen?

Viele Menschen in Österreich haben Schwierigkeiten, sich online zurechtzufinden, zu kommunizieren und Informationen zu finden. Sie wissen nicht, wie sie sich vor Online-Gefahren wie Hackerangriffen, Identitätsdiebstahl oder Fake News schützen können. Um diese Wissenslücken zu schließen, sind verschiedene Maßnahmen erforderlich. Zum einen sollte die digitale Bildung auf allen Ebenen und in allen Bereichen gestärkt werden. Die Österreicherinnen und Österreicher sollten die Möglichkeit haben, jene digitalen Kompetenzen zu erwerben, die für das Leben und Arbeiten im 21. Jahrhundert notwendig sind. Andererseits sollten digitale Ressourcen und Dienste für alle zugänglich und benutzerfreundlich gestaltet werden. Es ist wichtig, dass die Menschen wissen, wie sie sich online verhalten sollen, wie sie ihre Privatsphäre schützen und wie sie vertrauenswürdige Informationen von falschen oder irreführenden unterscheiden.


Mehr Artikel

News

Bad Bots werden immer menschenähnlicher

Bei Bad Bots handelt es sich um automatisierte Softwareprogramme, die für die Durchführung von Online-Aktivitäten im großen Maßstab entwickelt werden. Bad Bots sind für entsprechend schädliche Online-Aktivitäten konzipiert und können gegen viele verschiedene Ziele eingesetzt werden, darunter Websites, Server, APIs und andere Endpunkte. […]

Frauen berichten vielfach, dass ihre Schmerzen manchmal jahrelang nicht ernst genommen oder belächelt wurden. Künftig sollen Schmerzen gendersensibel in 3D visualisiert werden (c) mit KI generiert/DALL-E
News

Schmerzforschung und Gendermedizin

Im Projekt „Embodied Perceptions“ unter Leitung des AIT Center for Technology Experience wird das Thema Schmerzen ganzheitlich und gendersensibel betrachtet: Das Projektteam forscht zu Möglichkeiten, subjektives Schmerzempfinden über 3D-Avatare zu visualisieren. […]

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*