Der ITWelt.at-Roundtable über die Zukunft der Digitalisierung brachte zwei zentrale Botschaften: KI und der digitale Wandel ergänzen sich perfekt. Und es gilt, Menschen in die Transformation stärker einzubinden als bisher. [...]

Die Einstiegsfrage des ITWelt.at-Roundtables lautet, ob die digitale Transformation in Unternehmen angesichts des aktuellen KI-Hypes an Bedeutung verloren habe. „Nein, ganz und gar nicht“, sagt Wolfgang Theiner, Geschäftsführer bei COSMO CONSULT. „Sie ist nach wie vor ein zentrales Thema für Unternehmen. Allerdings ist sie heute nur eine von vielen Herausforderungen, mit denen sich Unternehmer auseinandersetzen müssen. Geopolitische Unsicherheiten, ein wirtschaftlich instabiles Umfeld, Fachkräftemangel oder eine rückläufige Auftraglage – all das bindet Aufmerksamkeit und Ressourcen.“ Die digitale Transformation bleibe dennoch essentiell, gerade in Verbindung mit künstlicher Intelligenz. „Das eine schließt das andere nicht aus, sondern verstärkt sich gegenseitig. Unternehmen müssen sich dieser Entwicklung stellen, auch wenn sie aktuell mit zahlreichen anderen Herausforderungen kämpfen. Digitalisierung ist kein abgeschlossenes Projekt, sondern ein kontinuierlicher Prozess – und wer ihn nicht vorantreibt, riskiert langfristig Wettbewerbsnachteile“, so der COSMO-CONSULT-Vertreter. Das Unternehmen sieht sich als Digitalisierungspartner für den österreichischen Mittelstand, wobei auch Enterprise-Kunden bedient werden. »Als End-to-End-Anbieter decken wir ein breites Spektrum ab – von klassischen Office-Anwendungen und Modern-Workplace-Lösungen wie Microsoft Teams über ERP- und CRM-Systeme bis hin zu Data Analytics und künstlicher Intelligenz«, sagt Theiner.

„Ein höherer Automatisierungsgrad erleichtert die Einhaltung regulatorischer Vorgaben erheblich. Viele unserer Kunden erkennen genau darin eine Chance und suchen nach Möglichkeiten, ihre Prozesse entsprechend auszurichten.“
Christian Burger, Senior Consultant bei ByteSource
Foto: timeline / Rudi Handl
Frederic Hadjari, Cluster-Manager, Business Upper Austria – IT-Cluster OÖ, bestätigt, dass sich die Sicht auf die digitale Transformation in den letzten Jahren verändert habe. „Ein zentraler Aspekt, den ich dabei hervorheben möchte, ist die interdisziplinäre Transformation. Digitalisierung betrifft mittlerweile jede Branche – es gibt kein Feld, das davon unberührt bleibt. Und künstliche Intelligenz ist dabei keine Konkurrenz zur digitalen Transformation, sondern ein essentieller Bestandteil davon.“
Die Herausforderung liege darin, diese Erkenntnis in den Unternehmen wirklich zu verankern: „Es reicht nicht, nur darüber zu sprechen – die Unternehmen müssen Digitalisierung aktiv leben und umsetzen. Dafür braucht es Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit den richtigen Fähigkeiten. Gleichzeitig müssen wir die Grundlagen weiter ausbauen, um die digitale Transformation nachhaltig voranzutreiben.“
„Mitarbeitende stoßen auf neue KI-Funktionen, sehen eine große OK-Schaltfläche und aktivieren sie, ohne sich bewusst zu sein, welche Auswirkungen das haben könnte. Schulungen oder Richtlinien werden dabei häufig umgangen oder ignoriert.“
Tobias Eljasik-Swoboda, AI Architecture & Development bei ONTEC
Foto: timeline / Rudi Handl

Hadjari, der seit dem letzten Jahr zudem die Büroadministration des Softwareparks Hagenberg verantwortet, um Synergien mit der Fachhochschule Hagenberg, den außeruniversitären Forschungseinrichtungen und den rund 75 ansässigen Unternehmen optimal nutzen zu können, leitet den IT-Cluster Oberösterreich, eine Abteilung der Standortagentur Business Upper Austria. „Unsere Organisation umfasst rund 200 Partnerunternehmen, die wir in ihrer Sichtbarkeit und Vernetzung unterstützen. Wir fördern den Wissenstransfer, schaffen Awareness für IT-Themen und bringen Digitalisierung gezielt in andere Branchen, da unsere Agentur auch weitere Cluster betreut. Unsere Schwerpunkte liegen in den Bereichen Business Software, IT-Security, Industrial Data und Softwarequalität – mit dem klaren Ziel, den Standort Oberösterreich in diesen Feldern weiter voranzubringen“, so Hadjari.
Hemmschuhe
Mario Drobics, Head of Competence Unit Cooperative Digital Technologies bei AIT – Austrian Institute of Technology, sieht derzeit zwei zentrale Herausforderungen der digitalen Transformation: Investitionen und Vertrauen. „Zum einen erfordert die Digitalisierung tiefgreifende Eingriffe in Unternehmensprozesse und -strukturen. Die notwendigen Investitionen – sowohl finanziell als auch organisatorisch – sind oft ein Hemmnis, weil sie langfristige Strategieänderungen erfordern. Zum anderen spielt das Vertrauen in digitale Systeme eine entscheidende Rolle, insbesondere wenn es um den Umgang mit Daten geht. Viele Unternehmen haben bereits erhebliche Fortschritte in der internen Digitalisierung gemacht. Doch sobald der nächste Schritt ansteht – also die Teilhabe an Datenökosystemen über Unternehmensgrenzen hinweg, etwa entlang der Wertschöpfungs- oder Lieferkette – entstehen oft große Vorbehalte.“ Hier brauche es klare Rahmenbedingungen, um Vertrauen zu schaffen, ist Mario Drobics überzeugt. „Dazu gehören technische Standards, geeignete Werkzeuge und eine rechtliche Absicherung, die den sicheren Datenaustausch ermöglichen und Unternehmen ermutigen, den nächsten Schritt in der digitalen Transformation zu gehen.“

„Eine KI-Integration ist nur dann erfolgreich, wenn man die eigenen Prozesse genau kennt. Das ist ähnlich wie bei der Einführung eines ERP-Systems. Wer seine Abläufe nicht versteht, wird auch mit der besten Technologie keinen echten Mehrwert schaffen.“
Frederic Hadjari, Cluster-Manager, Business Upper Austria – IT-Cluster OÖ
Foto: timeline / Rudi Handl
Das Austrian Institute of Technology, kurz AIT, ist die größte außeruniversitäre Forschungseinrichtung Österreichs mit rund 1.500 Mitarbeitenden. Das Institut fokussiert auf die Forschungsschwerpunkte »resiliente und nachhaltige Infrastrukturen«, insbesondere in den Bereichen Energie, Transport und Gesundheit sowie „digitale Transformation von Industrie und Gesellschaft“. Am AIT Center for Digital Safety & Security, in dem Mario Drobics tätig ist, arbeiten etwa 230 Expertinnen und Experten an Schlüsselthemen wie Quantenverschlüsselung für sichere Kommunikation, Cybersecurity und zuverlässige IoT-Systeme.
Christian Reiter-Kofler, Business Line Manager bei BE-terna, sieht den Fachkräftemangel als ein entscheidendes Thema auf Kundenseite, das der Anbieter für Business Software Applications in den Projekten speziell im KMU-Bereich erlebt. „Das betrifft nicht nur die IT-Abteilungen, sondern auch Unternehmen insgesamt. Denn Digitalisierungsvorhaben erfordern nicht nur technisches Knowhow, sondern auch engagierte Key-User auf Kundenseite. Und genau hier zeigt sich eine große Herausforderung: Viele Unternehmen haben nicht mehr die personellen Ressourcen, sodass Schlüsselkräfte signifikante Anteile ihrer Arbeitszeit für Projekte freistellen können. Das führt dazu, dass sich Projektlaufzeiten verlängern und die Hürden für neue Vorhaben größer werden.“
„Schaut man sich an, wie viele von den KMU der DACH-Region Rechnungen noch immer manuell erstellen und anschließend mühsam in eine Cloud transferieren, wird klar, dass wir in Sachen Digitalisierung noch einen weiten Weg vor uns haben.“
Roland Sprengseis, Geschäftsführer bluesource – mobile solutions
Foto: timeline / Rudi Handl

Ein weiteres sensibles Thema sei Reiter-Kofler zufolge nach wie vor die Datensicherheit. „Obwohl Cloud-Lösungen inzwischen die Standardoption sind, begegnen wir immer noch Unternehmen, die skeptisch sind: Was passiert mit meinen zentralen Unternehmensdaten? Wie schütze ich mein geistiges Eigentum, wenn alles in der Cloud liegt? Diese Bedenken können wir in der Regel gut adressieren – nicht nur, weil moderne Cloud-Lösungen hohe Sicherheitsstandards erfüllen, sondern auch, weil viele Unternehmen erkennen, dass der Schutz und die Verwaltung sensibler Daten in der Cloud oft effizienter und zuverlässiger gelöst werden kann als mit eigenen Ressourcen.“
Geografisch erstreckt sich der Markt von BE-terna entlang der mitteleuropäischen Achse – von Serbien bis nach Norwegen. „In diesen Regionen unterstützen wir Unternehmen mit maßgeschneiderten Softwarelösungen. Als Teil der Telefónica Tech Gruppe verfügen wir zudem über ein breites Kompetenzspektrum, das von Cybersecurity und Infrastruktur bis hin zu Telekommunikationsdienstleistungen in Deutschland reicht.“

„Es geht darum, praxisnahe Anwendungsszenarien zu entwickeln, die greifbar machen, welchen Mehrwert KI und digitale Lösungen bringen können. Denn nur wenn Unternehmen das klar erkennen, lösen sie die Investitionsbremse und treiben die Transformation aktiv voran.“
Christian Reiter-Kofler, Business Line Manager
bei BE-terna
Foto: timeline / Rudi Handl
Für Roland Sprengseis, Geschäftsführer bluesource – mobile solutions sowie Beiratsprecher des IT-Clusters OÖ, ist der Fachkräftemangel kein akutes internes Problem, da das Unternehmen ein Büro an der Fachhochschule Hagenberg angesiedelt hat – direkt dort, wo Fachkräfte ausgebildet werden. „Unsere Kunden jedoch sind davon durchaus betroffen. Aber eigentlich sehe ich ein noch tiefer liegendes Problem. Solange wir als Experten Unternehmen nicht klar aufzeigen können, wann sich ihre Investitionen in Digitalisierung rentieren, werden viele Projekte hinausgeschoben. Gerade in der Industrie, einem unserer zentralen Tätigkeitsfelder, beobachtet man derzeit eine starke Kostenreduktion. Unternehmen versuchen, mit bestehenden Lösungen länger zu produzieren, anstatt in neue Technologien zu investieren. Dabei ist genau jetzt der richtige Zeitpunkt, um Prozesse zu optimieren und sich für die Zukunft wettbewerbsfähig aufzustellen.“ Auf lange Sicht werde sich die Arbeitskraftsituation in Europa nicht entspannen – der demografische Wandel sei klar erkennbar, ist Sprengseis überzeugt. „Ein gewisser Ausgleich durch Zuwanderung mag möglich sein, aber ich persönlich glaube nicht, dass das die Lösung sein wird. Vielmehr müssen wir noch stärker auf Digitalisierung setzen, um den Fachkräftemangel langfristig auszugleichen.“
Fehlende Kompetenzen
Christian Burger, Senior Consultant bei ByteSource und Gastgeber des Roundtables, macht darauf aufmerksam, dass in Unternehmen oft nicht klar sei, welche Kompetenzen für eine erfolgreiche digitale Transformation erforderlich sind oder welche Schritte Unternehmen konkret unternehmen müssen. „Hier setzen Consulting-Firmen wie ByteSource an: Wir unterstützen unsere Kunden dabei, die richtigen Maßnahmen zu identifizieren und umzusetzen. Unsere Beratung reicht von Unternehmen, die bereits fortgeschritten in ihrer digitalen Entwicklung sind, bis hin zu Organisationen, die noch grundlegende Prozesse optimieren müssen. Ein typisches Beispiel sind Service-Desks: Viele Unternehmen arbeiten hier noch mit manuellen Anfragen per E-Mail. Mit Lösungen wie der Atlassian Suite können wir solche Prozesse effizient digitalisieren und unseren Kunden schnell und gezielt weiterhelfen.“
„Wenn alle Ebenen zusammenspielen – also die strategische Richtung klar ist, das mittlere Management eingebunden wird und Mitarbeitende KI gezielt nutzen – dann kann eine Organisation das volle Potenzial der digitalen Transformation ausschöpfen.“
Mario Drobics, Head of Competence Unit Cooperative Digital Technologies des AIT
Foto: timeline / Rudi Handl

Christian Burger ist seit einem Jahr im Atlassian Cloud-Team bei ByteSource tätig. „Ein besonderer Fokus liegt auf unserem starken Cloud-Team, in dem wir unter anderem als AWS-Partner agieren. Innerhalb des Atlassian-Teams konzentriere ich mich vor allem auf Cloud-Lösungen, während eine weitere Mannschaft für die Betreuung der On-Premise- und Datacenter-Produkte zuständig ist. Darüber hinaus verfügen wir über ein Team, das sich mit generativer KI befasst, sowie ein weiteres, das auf die Entwicklung von DevOps-Lösungen für unsere Kunden spezialisiert ist.“
Die Frage der Compliance
Ein weiterer Diskussionspunkt: die Auswirkungen der Regularien à la NIS2 auf die digitale Transformation. „Nicht nur die NIS2-Richtlinie spielt eine Rolle – auch die DSGVO, der kommende EU AI Act und viele weitere Regularien haben erhebliche Auswirkungen“, sagt Tobias Eljasik-Swoboda, verantwortlich für AI Architecture & Development bei der ONTEC AG. „Das gesamte Thema Compliance steht dabei als eigenständiger Investitionsbereich im Raum, der erhebliche Ressourcen erfordert. Unternehmen müssen gezielt Budgets einplanen, um diese Anforderungen zu erfüllen und rechtlich auf der sicheren Seite zu sein.“
In vielen Fällen seien regulatorische Anforderungen überhaupt erst der Auslöser dafür, dass Unternehmen Prozesse überdenken und Digitalisierungsprojekte vorantreiben. „Bekanntlich ermöglicht künstliche Intelligenz die Automatisierung von Tätigkeiten, die früher nicht automatisierbar waren. Der steigende Kostendruck und begrenzte Personalressourcen verstärken dieses Bedürfnis zusätzlich – insbesondere, da Mitarbeitende zunehmend mit Compliance- und Regulierungsaufgaben gebunden sind.“

„Selbst die leistungsfähigste KI bringt wenig, wenn die zugrunde liegenden Strukturen nicht stimmen. Unklare Prozesse oder schlecht aufbereitete Daten führen lediglich zu ineffizienten Ergebnissen. Unternehmen sollten daher bewusst Zeit und Investitionen einplanen, um genau zu evaluieren, wo KI echten Mehrwert schafft – sei es in der Produktion, im Kundenservice oder in der Datenanalyse.“
Wolfgang Theiner, Geschäftsführer bei COSMO CONSULT
Foto: timeline / Rudi Handl
Unternehmen würden daher gezielt nach Möglichkeiten suchen, monotone und repetitive Tätigkeiten zu automatisieren, so Eljasik-Swoboda.“»Zum einen, weil schlicht nicht genügend Fachkräfte zur Verfügung stehen, zum anderen, um als Arbeitgeber attraktiver zu sein und den eigenen Mitarbeitenden Routineaufgaben weitgehend zu ersparen. Ein gutes Beispiel dafür wäre eine KI-gestützte Zeiterfassung, die automatisch Kalendereinträge ausliest und korrekt ins System überträgt – ein echter Mehrwert. Allerdings setzt eine solche Lösung eine funktionierende digitale Infrastruktur mit den passenden Schnittstellen voraus. Genau darin liegt sowohl die Chance als auch die Herausforderung der Automatisierung.“
Die ONTEC AG gliedert sich in drei zentrale Bereiche: individuelle Softwareentwicklung, IT-Operations und Services sowie den Bereich künstliche Intelligenz, für den Tobias Eljasik-Swoboda verantwortlich ist.
Cloud & CO
„Viele kleine und mittlere Unternehmen haben noch einige Schritte vor sich, wenn es um Digitalisierung geht“, sagt Frederic Hadjari vom IT-Cluster OÖ. „Wir stehen hier in engem Austausch mit der Landesregierung, um gezielte Unterstützung bereitzustellen – sei es in Form von Förderungen oder speziellen Digitalisierungsschecks. Doch finanzielle Hilfen allein reichen nicht aus.“
Gerade beim Thema Cloud und Datenmanagement würden viele KMU vor großen Herausforderungen stehen. „Oft fehlt es an Knowhow, wie man solche Technologien sinnvoll einsetzt. Hier kommen Unternehmen aus der IT-Branche ins Spiel, die mit ihrer Expertise unterstützen können. Ohne diese externe Hilfe wird es für Betriebe, die bereits einen Rückstand haben, schwer, den Anschluss zu finden. Das Entscheidende ist, dass Unternehmen nicht allein gelassen werden. Austausch und Best-Practice-Beispiele spielen eine zentrale Rolle. Genau hier setzen wir als Standortagentur an: Wir bringen Betriebe zusammen, fördern den Wissenstransfer und helfen dabei, die richtigen Partner zu finden. Denn Digitalisierung ist kein Prozess, den Unternehmen isoliert bewältigen müssen – es geht darum, voneinander zu lernen und gemeinsam voranzukommen.“
KI und menschlicher Beitrag
Wenig überraschend ist, dass heute alle Diskussion aus dem IT-Bereich früher oder später in das Thema künstliche Intelligenz münden. So auch hier im Rahmen der Zukunft der digitalen Transformation, wobei die Teilnehmer den menschlichen Beitrag hervorheben. „KI ist zweifellos ein Hype-Thema und das merken wir in unserer täglichen Arbeit ganz deutlich“, sagt Christian Reiter-Kofler von BE-terna. „Für uns als Anbieter bedeutet das, dass wir einerseits mit einer Flut an neuen Technologien und Möglichkeiten konfrontiert werden, gleichzeitig aber den realen Bedarf unserer Kunden im Blick behalten müssen. Die Herausforderung liegt oft darin, dass die technologische Entwicklung viel schneller voranschreitet, als Unternehmen sie umsetzen können. Während die großen Software-Hersteller bereits von Agentic AI sprechen, sind viele Unternehmen noch nicht einmal so weit, dass sie ein ERP-System vollständig integriert haben. Und plötzlich sollen wir erklären, dass sie bald gar keine Key-User mehr brauchen, weil die KI alles übernimmt? Da zeigt sich deutlich die Kluft zwischen technologischem Fortschritt und unternehmerischer Realität“«
Wolfgang Theiner von COSMO CONSULT: „Künstliche Intelligenz ist allgegenwärtig und dominiert aktuell viele Diskussionen. Doch anstatt KI nur als Schlagwort zu betrachten, sollten Unternehmen aktiv darauf setzen, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit der Technologie vertraut zu machen. Ein effektiver Ansatz besteht darin, allen Beschäftigten die Möglichkeit zu geben, sich intensiv mit KI auseinanderzusetzen – unabhängig von ihrer Abteilung oder ihrem konkreten Arbeitsbereich. Ein Beispiel aus der eigenen Praxis zeigt, wie wertvoll das sein kann. Unser Unternehmen hat 1.400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern jeweils vier Stunden pro Woche eingeräumt, um sich mit KI-Anwendungen vertraut zu machen. Dabei ging es nicht zwingend um den direkten Unternehmenskontext, sondern darum, ein grundlegendes Verständnis und eine gewisse Nähe zur Technologie zu entwickeln“«
Hohe Erwartungen
Daran anschließend hebt Tobias Eljasik-Swoboda die Bedeutung des Erwartungsmanagements hervor. „Es reicht nicht aus, einfach nur eine neue Technologie einzuführen – es muss auch klar sein, warum und wie sie eingesetzt wird. In unseren Projekten haben wir vier wesentliche Handlungsfelder identifiziert, die für eine erfolgreiche Implementierung entscheidend sind.“ Zunächst gehe es um die ökonomischen Beweggründe, dann um die Frage, wie sich die Technologie in bestehende Prozesse integrieren lässt. Ein weiterer essentieller Punkt sei die Funktionsweise der KI selbst. „Sie ist kein abstrakter Zauberhut, sondern ein Werkzeug mit klar definierten Fähigkeiten – sei es die Textgenerierung, Inhaltsanalyse, Kategorisierung oder Vorhersage von Entwicklungen. Unternehmen müssen sich bewusst machen, welche spezifischen Aufgaben ihre KI übernehmen soll. Und schließlich ist die Datenbasis entscheidend. KI kann nur mit den Informationen arbeiten, die ihr zur Verfügung stehen, und das erfordert eine durchgängige Digitalisierung. Ohne strukturierte, zugängliche Daten lassen sich keine sinnvollen Ergebnisse erzielen. Um ein KI-Projekt erfolgreich umzusetzen und Akzeptanz im Unternehmen zu schaffen, müssen all diese Aspekte klar definiert und verständlich kommuniziert werden. Nur so können alle Beteiligten den Mehrwert erkennen und den Wandel aktiv mittragen.“
Konkrete Use Cases
Roland Sprengseis von bluesource merkt oft, „dass viele Unternehmen zwar unbedingt etwas mit KI machen wollen, aber gar nicht genau wissen, wofür sie sie eigentlich einsetzen könnten. Wenn es dann darum geht, konkrete Anwendungsfälle zu definieren, stehen viele erst einmal ratlos da. Was ich daran spannend finde: Die eigentliche Innovation passiert oft nicht in den Chefetagen, sondern dort, wo die Leute tagtäglich mit den Prozessen arbeiten – an der Werkbank, am Kassenschalter oder in der Pflege. Genau diese Mitarbeitenden erkennen oft als Erste, wie eine Technologie ihnen helfen könnte. Doch dann kommt die Regulatorik ins Spiel, und plötzlich heißt es: Das darf man nicht. Was wir daher brauchen, sind klare, praxisnahe Regeln. Wenn Unternehmen genau wissen, was sie dürfen und was nicht, können sie gezielter investieren, und wir könnten viele Technologien schneller in den Arbeitsalltag integrieren.“
IT-Abteilungen gefordert
Mario Drobics vom AIT weist darauf hin, dass sich durch KI die Rolle der IT in Unternehmen massiv verändere. „Ein CTO aus der öffentlichen Verwaltung hat mir kürzlich erzählt, dass die Endanwenderinnen und Endanwender diejenigen sind, die Innovation vorantreiben. Sie experimentieren mit KI, sehen den unmittelbaren Nutzen für ihre tägliche Arbeit. Damit verschiebt sich die Aufgabe der IT-Abteilungen. Statt primär Innovationstreiber zu sein, müssen sie nun verstärkt Compliance und Integration sicherstellen: Wie kann ich KI-gestützte Lösungen in bestehende Prozesse einbinden? Wie halte ich regulatorische Vorgaben ein? Die IT ist also gefordert, nicht nur Innovationen zu ermöglichen, sondern auch sicher und strukturiert in die Unternehmenswelt zu überführen.“
Laut Christian Burger von ByteSource ist KI auch bei der Softwareentwicklung ein Gamechanger. „Früher mussten Entwickler oft bei null anfangen – von der Webserver-Konfiguration bis zum ersten Code-Snippet. Heute bieten KI-gestützte Tools eine Basis, die erfahrene Entwickler weiter optimieren können. Natürlich ersetzt generierter Code nicht die Expertise des Teams, aber er ermöglicht einen schnelleren Einstieg und eine höhere Produktivität. Gerade im aktuellen Arbeitsmarkt, wo Unternehmen nicht unbegrenzt Entwicklerressourcen haben, ist das ein entscheidender Vorteil. Weniger Entwickler können dank KI effizienter arbeiten, schneller Produkte erstellen und Innovationen vorantreiben – ein Argument, das in vielen Unternehmen auf offene Ohren stößt.“
Die Bedeutung des Menschen
„Ein entscheidender Faktor für die erfolgreiche Integration von KI in Unternehmen ist, die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Anfang an mitzunehmen“, so Wolfgang Theiner. „Anstatt KI nur als vorgegebenes Konzept einzuführen, sollten Unternehmen aktiv nachfragen, wo ihre Teams den größten Nutzen sehen. Oft haben diejenigen, die täglich mit den Abläufen arbeiten, die besten Ideen für sinnvolle Anwendungsfälle.“
Neben der technischen Kompetenz würde oft ein grundlegendes Verständnis dafür wichtig sein, was KI tatsächlich sei und welchen Zweck sie erfülle. „Noch immer dominiert die Angst, KI könnte Arbeitsplätze ersetzen, anstatt als Werkzeug zur Effizienzsteigerung gesehen zu werden. Hier braucht es deutlich mehr Aufklärungsarbeit, um Ängste abzubauen und die Technologie als persönliche Chance zu vermitteln. Letztlich beeinflusst eine positive und informierte Haltung gegenüber KI nicht nur die Innovationskraft einzelner Unternehmen, sondern auch deren gesamte Unternehmenskultur. Wer frühzeitig auf Wissenstransfer setzt und Mitarbeitende aktiv einbindet, wird langfristig von einem produktiveren und zukunftsorientierten Arbeitsumfeld profitieren.“
„Die Menschen mitzunehmen, ist tatsächlich entscheidend“, ergänzt Mario Drobics. „Das ist auch der Grund, warum wir in unserem Digital Innovation Hub so stark auf praxisnahe Testprojekte setzen. Es geht darum, konkret zu zeigen, wie neue Technologien in der Realität funktionieren und welchen Mehrwert sie im Arbeitsalltag bringen. Besonders wichtig ist dabei der Aha-Effekt: Wenn Mitarbeitende sehen, dass KI ihnen tatsächlich hilft – sei es durch die Automatisierung von Routineaufgaben oder indem sie ihre Arbeit spannender und kreativer macht – dann wächst die Akzeptanz ganz natürlich. Deshalb sind Pilotprojekte und greifbare Beispiele so wertvoll.“
Christian Burger, Senior Consultant bei ByteSource, weist auf die Wichtigkeit der Ausbildung in Sachen KI hin. „Neben außerbetrieblichen Schulungen stellt sich die Frage, wie gut Schulen und Universitäten auf das Thema künstliche Intelligenz vorbereiten. Doch mindestens genauso wichtig sind innerbetriebliche Weiterbildungen – denn die KI-Landschaft hat sich in den letzten Jahren rasant weiterentwickelt. Wer vor einigen Jahren studiert hat, hatte zwar möglicherweise Berührungspunkte mit KI, aber nicht in der Form, wie sie heute im Alltag eingesetzt wird. Diese Entwicklung kann schnell zu Unsicherheiten und Überforderung führen. Deshalb ist es entscheidend, alle Unternehmensebenen gezielt zu schulen. Auf Führungsebene geht es vor allem darum, ein realistisches Verständnis für KI-Technologien zu vermitteln. Gleichzeitig ist Empowerment auf Mitarbeiterebene essentiell. Hier hat sich generative KI als besonders hilfreich erwiesen, da ihr Nutzen unmittelbar sichtbar ist – ob in der Softwareentwicklung, im Marketing oder in anderen Bereichen.“
„Am Ende des Tages kommt es immer auf den Menschen an“, sagt Roland Sprengseis. „Selbst das beste System kann keine Wunder vollbringen, wenn die Schnittstelle Mensch nicht richtig damit umgeht. Genau deshalb ist digitale Bildung so entscheidend. Wer mit KI arbeitet, muss nicht nur Ergebnisse interpretieren, sondern sie auch kritisch hinterfragen. Ob es um neue Produktideen geht oder um medizinische Diagnosen – eine KI liefert Vorschläge, aber die finale Einordnung und Bewertung bleibt in vielen Fällen beim Menschen.“
„Letztlich geht es darum, ein positives Mindset zu schaffen: Wenn Mitarbeitende erleben, dass Digitalisierung nicht nur Veränderungen bringt, sondern echte Erleichterung im Arbeitsalltag, dann wird sie nicht nur akzeptiert – sondern auch aktiv mitgestaltet“, so Mario Drobics abschließend.
Die kompletten Statements aller Teilnehmer des Roundtables finden Sie auch unter unserer Website www.itwelt.at.
Die Teilnehmer auf einen Blick (in alphabetischer Reihenfolge der Unternehmen)
- Dr. Mario Drobics, Head of Competence Unit Cooperative Digital Technologies bei AIT
- Christian Reiter-Kofler, Business Line Manager bei BE-terna
- DI (FH) Roland Sprengseis, Geschäftsführer bluesource
- Mag. BSc. Christian Burger, Senior Consultant bei ByteSource
- Mag. Wolfgang Theiner, MBA, GF bei COSMO CONSULT
- Ing. Mag. Frederic Hadjari, Cluster-Manager, Business Upper Austria – IT-Cluster OÖ
- Dr.-Ing. Tobias Eljasik-Swoboda, AI Architecture & Development bei ONTEC
Moderation & Redaktion: Wolfgang Franz
Technik: Roland Kissling; Fotos: timeline/Rudi Handl
Überblick aller bislang veranstalteten ITWelt.at-Roundtables: www.itwelt.at/tag/roundtable
Die Expertenrunde zum Nachsehen finden Sie hier: www.facebook.com/itwelt.at/videos, www.youtube.com/c/ITWELT
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