„Digitalisierung als Blutkreislauf“

Jürgen Kolb, Geschäftsführer von iQSol, über die Bedeutung von Datensicherheit im Zeitalter der digitalen Transformation sowie das heimische Förderwesen, das sich zu stark auf Konzerne konzentriere, anstatt innovative KMUs zu unterstützen. [...]

Was sind die Stärken des Standortes Niederösterreich?

Niederösterreich befindet sich in starkem Wachstum: Der Ausbildungssektor holt mit renommierten Fachhochschulen und Universitäten auf, neue technologische Schwerpunkte werden in der Medizin- und Pharmabranche gesetzt. Zudem sind die geografische Lage und die Abdeckung vieler verschiedener Branchen ein Pluspunkt für die hiesige Wirtschaft.

Wo gibt es Aufholbedarf?

Als Software-Unternehmen stellen wir leider immer wieder fest, dass man sich abseits der traditionellen Bereiche wie Fremdenverkehr, Landwirtschaft, Handel und Gewerbe schwertut. Gerade in der IT-Forschung und der Softwareentwicklung hinkt Österreich aus meiner Sicht hinterher.
Exemplarisch geht auch ein gemächlicher Breitbandausbau damit einher, obwohl das ein immens wichtiger Standortfaktor für die 2020er Jahre wäre. Auch das Förderwesen konzentrierte sich bisher zu stark auf Konzerne, statt innovative kleine und mittelständische Unternehmen zu unterstützen und so die Wirtschaft des Landes zu beleben. Ebenfalls wäre in der Bildung aus meiner Sicht noch Luft nach oben, indem Verkaufs- und Vertriebsschwerpunkte gestärkt werden; das ist bislang noch ein blinder Fleck.

Wie beurteilen Sie die Fachkräftesituation in Niederösterreich und welche Auswirkung gibt es auf Ihr Geschäft?

Man spricht ja recht häufig vom Fachkräftemangel. In der IT ist aber sehr gutes Personal verfügbar. Wer sich als fairer Arbeitgeber und guter Ausbildner aufstellt, hat auch gute Chancen, die besten Leute für sich zu gewinnen. Firmen mit hoher Fluktuation haben immer einen Bewerbermangel. Wir sehen hier also keinerlei Probleme.

Wie war das abgelaufene Geschäftsjahr für Ihr Unternehmen und was erwarten Sie sich von 2016?

Das letzte Jahr war in Ordnung, es ist aber immer Luft nach oben. Der lange, heiße Sommer und andere externe Ereignisse haben zu Projektverzögerungen geführt. Seit Herbst ist das Thema der IT-Security aber wieder präsenter, auch dank der neuen EU-Datenschutz-Grundverordnung, die nun beschlossen werden soll und ab 2018 strenge Regeln und vor allem auch hohe Schadenersatzzahlungen vorsieht. Bei uns trägt auch die Expansion nach Deutschland erste Früchte und von strategischen Partnerschaften mit deutschen bzw. japanischen Industriekonzernen erwarten wir uns einen weiteren Schub.
Zudem bringt die Vernetzung von Geräten und Tools eine Informationsflut mit sich, die den Ausbau der Sicherheitsmechanismen verlangt – da sind wir natürlich gerne Ansprechpartner. Schließlich ist es ein Unterschied, ob Daten manipuliert oder gestohlen werden oder ob einen das Smart-Home nicht mehr reinlässt oder die Produktionssteuerung hoch- und herunterfährt.

Für welche Technologien oder Lösungen erwarten Sie heuer eine verstärkte Kundennachfrage?

Datenschutz ist das Thema unserer Zeit und bringt auch uns als IT-Security-Anbieter voran. Seit das Thema auch softwaretechnisch relevant ist, werden vermehrt neue Lösungen gefordert – die wir bereits haben. So haben wir einen österreichischen Partner zum Thema Awareness und Organisation von Compliance-Themen via App.
Auch die Themen Blackout und Industriespionage, zu denen wir verschiedene Lösungen anbieten, sind aktueller denn je. Wir sind bestens gerüstet, vor allem durch unsere Kundennähe und unser breites Spektrum, vom 24×7-Security-Betrieb bis zur Produktabdeckung der gesamten IT-Sicherheit mit namhaften Herstellern. Unsere langjährigen Mitarbeiter geben auch Schulungen und implementieren die Lösungen. Dass das gefragt ist, wird daran deutlich, dass unsere Auditoren und Pen-Tester voll ausgelastet sind.

Was war Ihr Vorzeigeprojekt in den vergangenen zwölf Monaten?

Unser Vorzeigeprojekt der letzten acht Jahre ist der Sicherheitsbetrieb für das österreichische Bankomat-Netz. Wir haben viele verschiedene Projekte wie permanente Security-Audits bei Energieversorgern, Firewall-Systeme für Banken und Ministerien.
Auch betreuen wir Städte und Landesgesellschaften in Sicherheitsfragen, vom Strategie-Workshop bis zur Endpoint-Security. Erste Projekte im Bankensektor in Frankfurt am Main und unsere Partnerschaft mit Hewlett Packard Österreich erleichtern uns darüber hinaus den Zugang zu Großunternehmen in Österreich.

Was bedeutet Digitalisierung für Ihr Geschäft und Ihre Kunden?

Digitalisierung ist sozusagen der Blutkreislauf der Wirtschaft. Und zwar jener der Zukunft, unserer Republik und natürlich der unseres Unternehmens. Wer es auf das schnelle, illegale große Geld abgesehen hat, nutzt das Internet. Jede Branche erzeugt Daten, verteilt sie und nutzt sie. Folglich müssen diese auch geschützt werden. Natürlich wird IT oft als Kostenfaktor gesehen, bislang wurde sie aber vor allem als Kostenminimierer genutzt. Da­runter leidet auf Dauer aber die Qualität des Unternehmens. Und was passiert, wenn man ausgerechnet bei der Sicherheit als elementaren Bestandteil der Gesellschaft einspart, sieht man ja aktuell in der realen Welt. (wf)


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