Digitalisierung als „work in progress“

"Projekte, die in den Bereich Industrie 4.0 fallen, sind nur durch die interdisziplinäre Vernetzung von Wissen adäquat zu lösen", sagt Christian Huszar, Leiter BEKO Wien, im Gespräch mit der COMPUTERWELT. [...]

Worin sehen Sie die primären Stärken des IKT-Standorts Wiens?
Die Stärken unseres IKT-Marktes sehen wir in der breiten Branchenstreuung, der hohen Wertschöpfung und in der Vielzahl an Ausbildungsstätten. Schließlich ist Wien zentraler Sitz der öffentlichen Verwaltung, aber auch ein wirtschaftlicher Hotspot mit Konzernzentralen, Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen, mit industrieller und gewerblicher Produktion. Diese Vielfalt ist befruchtend und macht die besondere Qualität des IKT-Standortes Wien aus. Ein wesentlicher Erfolgsgarant sind dabei jedoch die Ausbildungsstätten, und hier ist die Situation zwiespältig: Die Qualität der technischen Ausbildung ist gut, es mangelt allerdings an der Quantität. Deshalb war der Aufschrei angesichts der Reduzierung der Informatik-Studienplätze an der TU auch gar so laut. Zu Recht! Denn jede Maßnahme, die die Absolventenzahlen bei Technikern nach unten drückt, verschärft die ohnehin angespannte Lage noch weiter. 
Inwieweit sind Sie vom allgemeinen Facharbeitermangel betroffen?
Es wird immer schwieriger, Mitarbeiter mit dem richtigen Profil an Qualifikationen für eine Fixanstellung zu finden. Mit der firmeneigenen BEKO Akademie gelingt es uns zwar immer wieder, dringend nötige Kompetenzen vorausschauend im Haus aufzubauen, aber die Situation bleibt angespannt. Wir werden durch den Technikermangel gebremst. Dieser wird uns wohl auch in den nächsten Jahren begleiten. Interessanterweise sehen wir aber auch, dass ein gewisses Potenzial selbständiger Mitarbeiter in der Branche vorhanden ist. Diese sind aufgrund der komplexen gesetzlichen Regelungen aber nur bedingt verfügbar. Bei der Flexibilisierung der rechtlichen Rahmenbedingungen gibt es ganz klar Nachholbedarf.
Wie ist das Geschäftsjahr bis dato gelaufen und welche Erwartungen knüpfen Sie an das kommende Kalenderjahr?
Die Entwicklung ist positiv: Im Wesentlichen konnten wir in allen Branchen einen guten Geschäftsverlauf verzeichnen, unser Personalstand ist österreichweit gewachsen. Besonders in der  Industrie war der Aufwärtstrend unübersehbar. Das Thema Industrie 4.0 ist bei den Unternehmen angekommen. Die enormen Automatisierungspotenziale werden zusehends erkannt, und man macht sich auch daran sie zu heben. Zukunftsweisende Projekte werden geplant und in Angriff genommen. Man muss kein Prophet sein, um zu sehen, dass das Verschmelzen von Fertigungstechniken mit IT und Internet die Industrie in den nächsten Jahren massiv beschäftigen wird. Als führender Technologieanbieter werden wir sicherlich von dieser Entwicklung profitieren können.
Was waren die interessantesten Projekte der letzten Monate?
Das waren ganz klar Innovationsprojekte an den Schnittstellen zwischen verschiedenen Technologiefeldern, etwa in den Bereichen Mechatronik, IT und Automatisierung. Das Besondere dabei: Alle diese Projekte, die mehr oder weniger in den Bereich Industrie 4.0 fallen, sind nur durch die interdisziplinäre Vernetzung von Wissen adäquat zu lösen. Das beginnt bei der Erfassung von Sensordaten bei Maschinen und reicht bis zur Vernetzung und Auswertung der Daten, um Prozesse zu verbessern und günstiger zu machen.
Wie hat sich der Bereich Industrie 4.0 entwickelt?
Das Thema Industrie 4.0 hat in den letzten Jahren die Diskussion beherrscht wie kein anderes. Natürlich handelt es sich dabei um kein fertiges Konzept sondern um „work in progress“. Unübersehbar ist auch, dass die Vernetzung von Technologien und die Integration der IT die Unternehmen derzeit massiv beschäftigt. Der Bereich Industrie 4.0 wird sich weiter stark entwickeln, auch mit den dazugehörigen Themen wie Big Data, Cloud-Lösungen und Mobile. Künftig wird sich dieser Fokus auch stärker in den Geschäftsmodellen auswirken. Was Industrie 4.0 für die Fertigung ist, schlägt sich zurzeit über die Digitalisierung massiv auch in anderen Branchen nieder, wie bei Finanzdienstleistungen, der öffentlichen Verwaltung oder in der Telekommunikation. Wer heute nicht darüber nachdenkt, wie über IKT neue Geschäftsmodelle hervorzubringen sind, wird es schon bald sehr schwer haben, mit der Konkurrenz mithalten zu können.
Wie beurteilen Sie den Reifegrad heimischer Unternehmen in Sachen digitale Transformation?
In unserer Wirtschaft – und generell in unserer Gesellschaft – sind heute praktisch alle Organisationen von der Digitalen Transformation betroffen und müssen sich damit auch auseinandersetzen. Allerdings ist der jeweilige Reifegrad sehr unterschiedlich ausgeprägt. Von der IT als Tool für effizientere Geschäftsprozesse bis zur IT als eigenständiges Geschäftsmodell reicht die Palette. Denkt man an öffentliche Unternehmen, so gehören wir europaweit in Bereichen wie E-Government, Finanz Online oder Unternehmensportalen zu den Spitzenreitern. Andere Bereiche stecken noch in den Kinderschuhen. Dort stell man sich erst die Kernfragen, wie das eigene Geschäftsmodell verbessert werden kann. Nach unserer Erkenntnis setzt man sich in vielen Unternehmen mit digitaler Transformation oft erst dann auseinander, wenn der Druck von der diesbezüglich besser aufgestellten Konkurrenz zu groß geworden ist, um ihn länger ignorieren zu können. Ähnlich wie bei Industrie 4.0 unterstützen wir unsere Kunden auch hier, indem wir in einem ersten Schritt einen Beratungsprozess zur Verbesserung und Optimierung anbieten und erst in einem zweiten Schritt die IKT als Werkzeug für die konkrete Umsetzung zum Einsatz bringen.
Wie hat sich Ihr „One-Stop-Shop für technologische Dienstleistungen“ bis dato bewährt?
Sehr gut, denn wir haben uns rechtzeitig auf die durch den Technologiewandel bedingten Veränderungen des Marktes eingestellt. Verschiedene technische Disziplinen und Leistungen, die zusehends durch die IT miteinander vernetzt sind, erfordern auch ein entsprechend integriertes Portfolio. Das zeigt der Erfolg von BEKO als One-Stop-Shop-Unternehmen: Wir bieten nicht nur einzelne Dienstleistungen spartenfokussiert an, sondern entwickeln verstärkt Gesamtlösungen. Wir forcieren dabei Beratungsprojekte, die verschiedene Disziplinen aus Engineering und Informatik konstruktiv verknüpfen. Wir beraten und setzten um. Der Erfolg unserer Strategie zeigt sich an der steigenden Nachfrage sowohl nach unseren Beratungsleistungen als auch den damit verbundenen Technologielösungen.

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