Digitalisierung der Lieferkette

Mit seinem SaaS-Produkt will das Wiener Startup Orderlion Kunden dabei helfen, ihre Supply-Chain-Prozesse zu optimieren und dadurch ihre wirtschaftliche Resilienz zu erhöhen. Warum die Digitalisierung der Lieferketten so wichtig ist, erzählt Gründer und CEO Stefan Strohmer im IT Welt-Interview. [...]

Stefan Strohmer ist Mitgründer und CEO von Orderlion. (c) Orderlion

Das Thema Lieferketten hat während der Pandemie und jetzt auch in der Ukraine-Krise an Brisanz gewonnen. Wie können in Zeiten wie diesen Lieferketten sicher aufgestellt werden?

Im B2B-Bereich dient die Digitalisierung vor allem dazu, Prozesse zu optimieren und bisherige manuelle Aufgaben zu automatisieren. Dank Software, die auf spezielle Use Cases von B2B-Unternehmen zugeschnitten ist, können Unternehmen so häufig mit weniger Personalaufwand viel mehr leisten. Dies hilft insbesondere in Krisensituationen, da Firmen ihren Betrieb dann auch mit weniger Personal aufrecht erhalten können, wenn nötig. Dies war speziell in der Corona-Krise der Fall – gerade in der Lebensmittelindustrie, wo es in den letzten beiden Jahren oft zu Personalmangel kam. Durch die Digitalisierung ihrer Prozesse können Unternehmen sich resilienter aufstellen gegen solche Krisen.

Gerade die Gastrobranche durchlebt einen massiven Wandel. Wie betroffen ist diese und generell die »Food & Beverage«-Industrie vom Thema Digitalisierung der Supply Chain?

Bisher lag der Fokus in der Gastro häufig auf dem B2C-Bereich wie zum Beispiel dem Markt der Essenslieferungen. Da die Anbieter solcher Services den Kostendruck im Gastro-Bereich mitunter stark erhöhen, sind Restaurants gezwungen, ihre Prozesse zu optimieren. Häufig geschieht dies im Personalbereich oder im Einkauf. Von dort schwappt der Digitalisierungstrend mittlerweile auch auf die Lebensmittellieferkette über – und sobald Gastronomen günstiger einkaufen müssen, sind auch die Lieferanten gezwungen, nach Wegen der Effizienzsteigerung und Kostenreduktion zu suchen.

Was ist der Lösungsansatz von Orderlion?

Von Gastronomen oder Hotels werden ein Großteil der Lebensmittelbestellungen noch immer per Telefon gemacht. Viele Bestellungen landen dabei nachts auf dem Anrufbeantworter der Lieferanten, die dann am nächsten Tag manuell abgehört werden müssen. Ebenso findet selbst das Faxgerät mitunter noch Verwendung, da viele Unternehmen innerhalb der Food Supply Chain immer noch beinahe komplett offline arbeiten. Für Lieferanten und Großhändler wird es aber zunehmend unumgänglich, digitale Tools zu nutzen und ihre Bestellprozesse zu optimieren. Hier kommen wir mit unserer B2B-SaaS-Lösung ins Spiel: Mit Orderlion bauen wir ein »E-Commerce Operating System« (E-Commerce OS), das es jedem Lieferanten und Großhändler in der Lebensmittelbranche ermöglicht, in nur wenigen Schritten einen eigenen Webshop sowie eine Bestell-App für das Smartphone aufzubauen und wichtige interne Abläufe zu digitalisieren. So können Restaurants oder Hotels z.B. ihre Bestellungen einfach online bei unseren Kunden aufgeben. Wir bezeichnen uns deswegen auch gerne als »Shopify der Food Supply Chain«, da wir denselben Ansatz der »eigenen Lösung für Händler« anstatt eines zentralisierten Online-Marktplatzes verfolgen.

Welche Vorteile hat die SaaS-Lösung von Orderlion im Vergleich zu Systemen, die Supply Chains ohne Spezifizierung optimieren wollen und wie können KMU von der Lösung profitieren?

Die Food Supply Chain besteht größtenteils aus klein- und mittelständischen Unternehmen, denen häufig das Personal, die Zeit oder das technische Knowhow fehlt, um generische Lösungen ausreichend gut auf ihre speziellen Use Cases anzupassen. Deshalb bleiben manche Industriezweige oft jahrelang unzureichend digitalisiert. Genau dort setzen wir mit unserer SaaS-Lösung an: Wir haben ein E-Commerce OS gebaut, das exakt auf die Bedürfnisse der KMU der Lebensmittellieferkette zugeschnitten ist. Durch unser genau auf die Food-Branche spezialisiertes Produkt ist es den tausenden von Unternehmen entlang der Lieferkette erstmals möglich, mit vergleichsweise wenig Aufwand große Schritte in Richtung Digitalisierung zu machen. Die Implementierung unserer Lösung erfolgt sehr schnell, inklusive Integrationen zu von unseren Kunden bereits genutzten ERP-Systemen.

Wir wollen der Nummer-1-Digitalisierungspartner der KMU der Food Supply Chain sein – denn es sollte für alle Lieferanten und Großhändler möglich sein, mit modernsten Technologien zu arbeiten, um ihr volles Potenzial zu entfalten. Nur so können wir gemeinsam eine nachhaltigere Food Supply Chain bauen, die zum einen »Food Loss« (durch Ineffizienzen erzeugte Lebensmittelabfälle innerhalb der Lieferkette) reduziert und zum anderen die wirtschaftliche Resilienz der beteiligten Player erhöht. Durch unsere Lösung vermeiden Lieferanten und Großhändler nicht nur unnötige Abfälle dank des optimierten Managements von B2B-Bestellungen, sondern sparen vor allem viel Zeit und Geld. Unsere Kunden reduzieren ihren Zeitaufwand für Bestellvorgänge im Durchschnitt um 90 Prozent. Dank der Up- und Cross-Selling-Möglichkeiten, die unser E-Commerce OS bietet, verzeichnen sie zudem durchschnittlich 30 Prozent mehr Umsatz.

Können Sie konkrete Beispiele nennen?

Die österreichische Stiegl-Brauerei kann dank ihrer eigenen, auf Orderlion basierenden Bestell-App hunderte Gastro-Kunden parallel digital betreuen. Dies bedeutet konkret: Orderlion ermöglicht Stiegl die vollautomatisierte Abwicklung von täglichen Bestellungen sowie eine direkte Vertriebskommunikation mit den Kunden der Brauerei, da z.B. Produktneuheiten oder Sonderangebote innerhalb der App platziert werden können. Im Vergleich dazu ermöglichen die meisten Marketplaces keine Integration mit ERP-Systemen, sodass Bestellungen nicht automatisch bearbeitet werden können und noch viel manuelle Arbeit für Lieferanten übrig bleibt. Darüber hinaus ermöglichen solche zentralisierten Plattformen nicht oder nur in sehr geringem Umfang die Erstellung von Promotions oder die Hervorhebung von neuen Produkten, die an jeden Kunden individuell angepasst werden können. Insgesamt ist es für Lieferanten und Großhändler wie Stiegl viel schwerer, auf einem Marketplace langfristige Kundenbeziehungen aufzubauen, die in der Gastro-Industrie für den Erfolg eines Unternehmen enorm wichtig sind. Orderlion bietet in der Hinsicht z.B. auch eine Chat-Funktion für den direkten Kontakt zwischen Kunden und dem Kundenservice eines Lieferanten.

Wie haben sich die letzten beiden Jahre auf Ihr Geschäft ausgewirkt?

Die Corona-Krise war natürlich eine Herausforderung, da die ganze Branche anfangs komplett stillstand. Nach den ersten Monaten haben sich seit 2020 aber dann ganz neue Chancen entwickelt. Zum Beispiel ist es nun völlig normal, das KMU ihren Vertrieb auch per Videokonferenz machen. So konnte unser Sales-Team seitdem ebenso effizienter und nachhaltiger arbeiten, da viele Autofahrten und Flüge nicht mehr nötig waren. Letztendlich war die Krise ein großer Treiber für Digitalisierungsprojekte innerhalb der »Food & Beverage«-Industrie.

Wie sieht die Strategie von Orderlion aus und was erwarten Sie für 2022?

Wir wollen unsere Präsenz in unseren bisherigen Märkten verstärken. Nach unserer erfolgreichen Expansion in die Schweiz und Großbritannien wollen wir neben unseren Stammmärkten Deutschland und Österreich weiter in Europa wachsen, da Lieferanten in quasi allen Ländern Bedarf an digitalen Lösungen haben. Insgesamt wollen wir unsere Position als führender Digitalisierungspartner für KMU der Food Supply Chain ausbauen.


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