Digitalisierung in kleinen Schritten

Jochen Borenich, Vorstand von Kapsch BusinessCom, erklärt im Gespräch mit der COMPUTERWELT, wie ICT Austria heimischen Unternehmen die Angst vor der Digitalisierung nehmen und lokale IT-Ressourcen stärken will. [...]

Was war denn die Motivation, den Verein ICT Austria zu gründen?

In erster Linie geht es darum, IT-Ressourcen, in Österreich aufzubauen und zu halten. Die Bedeutung der Digitalisierung steigt massiv an. Ohne IT kann man heute nicht mehr wettbewerbsfähig sein. Das bedeutet aber auch, dass man entsprechendes Digitalisierungs-Knowhow braucht.

Und dieses Knowhow gibt es nicht?

In diesem Zusammenhang muss man sich die IT-Landschaft in Österreich anschauen. Die IT-Landschaft in Österreich ist geprägt durch große internationale IT-Konzerne und eher kleinere bis mittlere österreichische Anbieter. Für internationale Anbieter ist der österreichische Markt, was die IT-Ausgaben betrifft, sehr klein. Selbst die Schweiz hat mit ihren vielen internationalen Konzernen höhere IT-Ausgaben und auch im CEE-Raum hat uns beispielsweise Polen inzwischen überholt. Wir sind also von der Größe her nicht interessant für große internatonale Anbieter. Auch von der Marge her sind wir nicht attraktiv, weil der Wettbewerb in Österreich sehr intensiv ist. Der Durchschnittspreis für IT-Dienstleistungen liegt in Österreich zum Beispiel unter dem von Deutschland. Und das, obwohl man in Deutschland ganz andere Skaleneffekte hat. Deutschland ist wesentlich größer als Österreich und trotzdem wird mehr für IT-Dienstleistungen bezahlt.

Und das wirkt sich negativ auf die IT-Ressourcen in Österreich aus?

Ja. Wenn man sich aus der Sicht eines internationalen Anbieters überlegt, wo man Ressourcen hineinsteckt, wo man Marketing-Investitionen tätigt, wo man Techniker aufbaut, dann ist das in der Regel im Moment nicht Österreich. Das sieht man auch an den Beschäftigungszahlen der großen internationalen IT-Anbieter in Österreich, die tendenziell rückläufig sind. Logisch. Die setzen ihre Leute in attraktiveren Märkten ein und auch gute österreichische Leute und Firmen verlassen Österreich, weil der Markt sehr eng ist.

Was kann man dagegen tun?

Wir bemühen uns im Rahmen von ICT Austria, den österreichischen Firmen die Angst zu nehmen, neue Sachen auszuprobieren. Wir leben leider nicht in einer Kultur, wo man sagt: Probieren wir was aus. Der angloamerikanische Raum ist da ganz anders. Da werden sehr viele Dinge ausprobiert und Pilotprojekte durchgeführt. ICT Austria ist keine Vertriebsorganisation und es geht auch nicht darum, Riesenprojekte zu machen. Wir wollen der konservativen Einstellung der heimischen Unternehmen entgegenwirken und zeigen, dass keine großen Projekte notwendig sind, sondern sich in kleinen Schritten und mit sehr überschaubaurem finanziellen Aufwand beweisen lässt, dass die Digitalisierung ein Riesenpotenzial bietet. Das machen große Anbieter nicht mehr: Die kommen und wollen große Projekte und wenn es die nicht gibt, dann gehen sie woanders hin.

Österreichische Unternehmen können also zu ICT Austria kommen und ohne viel Aufwand Dinge ausprobieren?

Genau. Nehmen wir zum Beispiel das Salzburger ICT-Austria-Mitglied COPA-DATA her. COPA-DATA beschäftigt sich damit, bei Industriebetrieben Daten von Maschinen unterschiedlichen Herstellern auf der Produktionsebene zu sammeln und darüber Big-Data-Analysen zu fahren. Welche Vorteile das bringt, lässt sich ohne ein Riesenprojekt und ohne große Investitionen mit einem Proof of Concept sehr schnell unter Beweis stellen.

Aber so etwas ist doch eigentlich eine grundlegende Vertriebsaufgabe eines IT-Anbieters, oder?

Da gebe ich Ihnen recht. Trotzdem ist es ein Investment, das die internationalen IT-Anbieter nicht mehr tätigen. Die investieren nicht mehr und säen nicht, sondern wollen ernten. Oft haben sie auch einfach nur mehr Vertriebsmitarbeiter in Österreich, die mit Folien agieren, aber kaum mehr lokales Knowhow. Ich kenne viele heimische  IT-Leiter, die sagen: Wenn ich mal einen Experten brauche, dann ist der nicht verfügbar, weil er in einem internationalen Projekt steckt.

Es geht also um die Stärkung der heimischen IT-Branche.

Genau. Wobei man dazusagen muss, dass wir in einer zu globalen, vernetzten Welt leben, als dass wir in Österreich autark agieren könnten. Ich meine nur, das es Sinn macht, sich zu überlegen, was wir zukaufen, bei wem und was wir selber machen können. Wenn diese Überlegung in den Köpfen der IT-Entscheider drinnen ist, gepaart mit dem Bewusstsein, dass die Digitalisierung auf uns zukommt und wir was tun müssen, dann hat ICT Austria seine Aufgabe erfüllt. (oli)

ZUR PERSON

Jochen Borenich ist Präsident von ICT Austria und Vorstand des ICT-Austria-Gründungsmitglieds Kapsch BusinessCom.


Mehr Artikel

News

Große Sprachmodelle und Data Security: Sicherheitsfragen rund um LLMs

Bei der Entwicklung von Strategien zur Verbesserung der Datensicherheit in KI-Workloads ist es entscheidend, die Perspektive zu ändern und KI als eine Person zu betrachten, die anfällig für Social-Engineering-Angriffe ist. Diese Analogie kann Unternehmen helfen, die Schwachstellen und Bedrohungen, denen KI-Systeme ausgesetzt sind, besser zu verstehen und robustere Sicherheitsmaßnahmen zu entwickeln. […]

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*