„Digitalisierung ist die Lösung“

Barbara Klinka-Ghezzo spricht im Interview mit ITWelt.at über die Rolle von CIOs als Chief Invitation Officer, Business-IT-Integration, Nachhaltigkeit, Frauen in der IT und warum alle wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen mit IT und Digitalisierung zusammenhängen. [...]

Barbara Klinka-Ghezzo: "Es wäre fatal, die digitale Transformation nur in Männer-Hand zu lassen." (c) Confare
Barbara Klinka-Ghezzo: "Es wäre fatal, die digitale Transformation nur in Männer-Hand zu lassen." (c) Confare

Barbara Klinka-Ghezzo ist als geschäftsführende Gesellschafterin von Confare, Initiatorin des Confare Female IT-Mentorings und Veranstalterin der Confare CIO Summits in Wien, Zürich und Frankfurt sowie des CIO Awards eine der bekanntesten Frauen der heimischen IT-Branche. ITWelt.at hat sie zum Interview gebeten. 

State of the CIO: Welche Rolle spielen IT-Manager und CIOs heute in Unternehmen? 

Das Merkwürdige an dieser digitalen Transformation ist ja, dass wir ständig über Technologie sprechen, aber dabei immer mehr der Mensch in den Mittelpunkt rückt. Also, auch wenn gilt: Software eats the world – weil kein Produkt, kein Unternehmen, keine Dienstleistung mehr ohne Software-Unterstützung funktioniert – sind es die Menschen, die den Unterschied machen. Unternehmen wollen daher kunden- und mitarbeiterzentriert werden. Doch das funktioniert nur dann, wenn Technologie und Business nicht mehr voneinander losgelöst betrachtet werden. Daher ist das Aufbrechen von Silos zu einer grundlegenden Forderung des digitalen Zeitalters geworden. In der Praxis ist das aber gar nicht so einfach. Da muss eine Trennung überwunden werden, die über viele Jahre liebevoll gepflegt wurde. Hier die IT, dort das Business, beide durch Sprache, Lebensart und Aufgabe von einander getrennt. Doch in einer zunehmend digitalen Welt gibt es halt kein Business ohne IT – und übrigens auch vice versa. Also wird vereint, was gar nicht hätte getrennt werden sollen. In agilen Projektteams wird genreübergreifend gearbeitet, Daten werden gemeinsam genutzt und Silogrenzen überwunden. Das erweist sich als Kulturfrage. Hierarchien werden in Frage gestellt und Zuständigkeiten zum Stein des Anstoßes. Da gibt es nicht einfach einen Schalter den man umlegt.

Eine weitere Herausforderung für IT-Manager liegt wohl darin, dass die Komplexität zunehmend unsichtbar für den Anwender wird. Während die Software und die Endgeräte immer einfacher in der Bedienung sind, werden die Zusammenhänge im Hintergrund undurchsichtiger. So kommt es zum Vorurteil „bei meinem iPhone oder dem Cloud-Provider braucht es nur einen Klick, was kann denn da bei uns da so schwierig sein?“. 

Das ist zwar alles herausfordernd, hat aber auch viele Möglichkeiten. Der CIO wird zum Chief Invitation Officer, wie es einer unserer CIO-Award-Preisträger einmal formuliert hat. Er muss sich zwar noch selbst in jedes Meeting einladen, aber dann kommt man schnell drauf, dass die Dinge viel, viel besser funktionieren, wenn die IT rechtzeitig an Bord ist. Und plötzlich ist wieder ein Schritt in Richtung IT/Business-Integration getan.

Wie wirken sich die aktuelle Wirtschaftslage und die steigende Inflation auf die IT in Unternehmen aus?

Zum Ersten gibt es ein gewisses Risiko in den IT-Supply-Chains – und zwar über reine Cyberrisiken hinaus. Über die Verfügbarkeit von Hardware mussten wir uns viele Jahre lang keine Gedanken machen. Bei vielen Dienstleistern passieren Teile der Leistung über die ganze Welt verstreut. Wenn China, Russland oder andere Regionen instabiler werden, bedeutet das ein zusätzliches Risiko, nicht alles, was man einkaufen muss, auch wirklich zu bekommen. Die Unabwägbarkeiten in der Versorgung sind also mittlerweile ein Faktor, der bei der Planung berücksichtigt werden muss.

Zweitens gilt es, die IT-Verträge und Lizenzkosten im Auge zu behalten. Konzerne aus vielen Branchen nutzen die gegenwärtige Lage um enorme Preiserhöhungen durchzusetzen, die nicht immer nur mit den erhöhten Kosten zu tun haben. Und drittens ist IT auch immer mit Strom und Energiekosten verbunden.

Und trotz all dieser Herausforderungen ist es weiter entscheidend, die IT-Architektur der Zukunft heute zu gestalten, Cybersecurity im Griff zu haben und die digitale Transformation voran zu bringen. Dabei wird es immer schwieriger, die Menschen zu finden, die all diese Herausforderungen meistern und Projekte sowie Innovationen auch in die Tat umsetzen. Das hat interessanter Weise auch die Bedeutung des CIO Awards verändert. Ging es früher darum, Leistung gegenüber Geschäftsführung und Anwendern transparent zu machen, geht es jetzt vielmehr auch darum, die Unternehmens-IT als attraktiven Arbeitgeber zu positionieren. Wer möchte nicht auch in einem preisgekrönten Team arbeiten?

In welcher gesellschaftlichen Verantwortung sehen sich CIOs heute bei den Nachhaltigkeitszielen Österreichs und Europas? 

Das haben wir sehr oft mit unserer Community diskutiert. Zuerst gab es Zweifel: Das ist nicht unser Thema, wir sind nicht zuständig, war da der Tenor. Das ändert sich aber immer mehr. Es ist transparent, dass alle wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen mit IT und Digitalisierung zusammenhängen. Von Pandemie bis Klimawandel – überall werden Lösungen nur mit Einsatz digitaler Mittel möglich sein. Das bedeutet aber auch viel Verantwortung für die Menschen, die in den Unternehmen diese Themen vorantreiben sollen. Insbesondere bei Nachhaltigkeit haben die CIOs und CDOs einfach mehr Hebel, als nur die Daten für die gesetzlich vorgeschriebenen ESG-Reportings zur Verfügung zu stellen. IT kann Kreislaufwirtschaft in den Unternehmen möglich machen, Lieferketten optimieren, Energieeffizienz steigern und vieles mehr. Dazu müssen die IT-Manager aber auch in der Wahrnehmung der Geschäftsführer als Treiber dieses Themas wahrgenommen werden. Die Energiekrise hat hier auch noch viel Veränderungspotenzial, denn es wird sich auf einmal lohnen, sich Stromkosten und Lieferketten genauer anzusehen. Und wenn Geräte nicht unbegrenzt zu haben sind, sind auf einmal Reuse und Recycle Modelle wesentlich attraktiver.

 Frauen in der Technik: Auch im Jahr 2022 kämpft die Branche mit Fachkräftemangel und zu wenig Mädchen und Frauen, die sich für IT-Berufe interessieren. Welche Maßnahmen setzen Sie dazu?

Beim CIO Award sind fast nur Männer unter den Preisträgern. Das stört mich persönlich, obwohl ich alle unsere Preisträger sehr schätze, und weiß, dass sie zu Recht ausgezeichnet wurden. Es bildet einfach sehr gut die Realität in den Unternehmen ab. Nur 13 bis 15 Prozent der CIOs sind Frauen. Wenn aber IT und die dgitale Transformation so wichtig sind, wie oben beschrieben, dann wäre es fatal, diese Fähigkeiten nur in Männer-Hand zu lassen. Wir haben daher vor zwei Jahren auf dem Confare CIO Summit mit unserem Female IT-Mentoring begonnen. Heute ist es fixer Bestandteil auch unserer Events in Zürich und Frankfurt. Unser Ziel ist es, durch mehr Sichtbarkeit für Frauen in IT-Berufen dem weiblichen Nachwuchs zu zeigen: Das könnt ihr auch. Lasst Euch nicht den Bären aufbinden, IT, Mathe und Management wären nur was für Männer. Begleitend haben wir eine Community ins Leben gerufen, die sich in Blogbeiträgen, in den sozialen Netzwerken und in Netzwerktreffen austauscht. So finden sich Gleichgesinnte, so bekommt man Rückhalt auf der IT-Karriereleiter und findet gemeinsam Lösungen. 

Sichtbarkeit ist dabei ein ganz wichtiger Faktor, daher meine Bitte an Sie: Nominieren Sie weibliche IT-Entscheider für unsere Auszeichnungen. Ich bin sehr stolz darauf, dass unter den Nominierten der ImpactChallenge 2022 einige hochkarätige und hochrangige Frauen sind. Diese kann man aktiv mit einer Stimme beim täglichen Community Voting unterstützen. 


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