Digitalisierung: Noch zu viele Hindernisse

Österreich ist im globalen Innovationsindex 2016 nur mehr Schlusslicht in den Top 20. Besonders die Startup-Szene hat es schwer und Hindernisse bei Unternehmensgründungen lassen zahlreiche Potenziale ungenutzt. [...]

„Österreich tut sich sichtlich schwer damit, seine Stärken im Bereich Forschung und Entwicklung sowie in der Hochschulbildung für die Wirtschaft zu nutzen“, kommentiert Kai Engel, Partner bei A.T. Kearney und Innovationsexperte das Abschneiden Österreichs im globalen Innovationsindexes 2016. „Schlechte Werte bei der Einfachheit, eine Firma zu gründen, ein kompliziertes Steuersystem und geringe Marktkapitalisierung prägen die österreichische Innovationslandschaft negativ und werfen die dringende Frage auf: Verpasst Österreich den Ausbau eines Startup- und Scaleup- Ökosystems?“
Österreichs Stärken liegen in Forschung und Entwicklung, wo das Land weltweit sogar auf dem 7. Platz liegt: Österreich investiert rund drei Prozent seines Bruttosozialproduktes für Forschung und Entwicklung. Bei der Hochschulbildung wurde sogar der zweite Platz erreicht. Und beim Forschungsnachwuchs in der Privatwirtschaft reiht sich Österreich ebenfalls unter die Top 10. Schlechte Noten erhält das Land dagegen bei der Dichte junger Unternehmen (Platz 81) und der Leichtigkeit, ein Unternehmen zu gründen (Platz 80). Gleichermaßen unterdurchschnittlich: nur Rang 80 beim Thema Investment.
Rahmenbedingungen für Startups verbessern
Österreich habe sein Startup-System schon toll entwickelt, besonders in Wien, müsse aber dringend die Rahmenbedingungen für Startups und junge Unternehmen weiter verbessern, so Martin Ruppert, Geschäftsführer von IMP3rove Academy, zur Innovationsfähigkeit Österreichs. Denn von hier kämen die Innovationen, die heute und in Zukunft die Märkte in Atem hielten. Dabei beruft er sich unter anderem auf eine Umfrage, die A.T. Kearney und IMP3rove Academy für den Global Innovation Index mit mehr als 100 internationalen Führungskräften durchgeführt haben.
„Sechs von zehn Führungskräften sehen innerhalb der nächsten fünf Jahre ein Fünftel ihres Umsatzes durch disruptive Innovation bedroht“, sagt Ruppert. Um diese Bedrohung in Potenzial zu wandeln, brauche es Innovationspartnerschaften zwischen unterschiedlichsten Akteuren, globale und divers zusammengestellte Innovationsnetzwerke mit Startups sowie jungen Unternehmen und natürlich Kapital, Spontaneität und Schnelligkeit bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle. „Der Bericht des GII und unsere Forschungen zeigen“, ergänzt Engel, „dass sich die Natur von Innovationsmanagement weltweit ändert: Die Anzahl von Innovationen, die über globale Netzwerke entstehen, steigt deutlich – egal ob die Unternehmen eher national oder international agieren. Schwellenländer werden zu erfolgreichen Innovatoren und China holt mit atemberaubender Geschwindigkeit auf.“
Innovationsprozesse
70 Prozent der Führungskräfte erwarten der Umfrage zufolge, dass ihre Innovationsaktivitäten bis 2020 globaler werden und sich auch die Akteure verändern. Sie rechnen bis 2020 mit Auswirkungen auf ihr Geschäft: 78 Prozent durch die Einbindung von Kunden, 67 Prozent durch Partnerschaften mit Startups und 45 Prozent durch Kooperationen mit Forschungs- und akademischen Einrichtungen. Dadurch wird auch der Innovationsprozess komplexer: Verschiedene Kulturen, Hintergründe und Ziele müssen in Einklang gebracht werden – ein hoher Anspruch für jedes Unternehmen. Dementsprechend schätzen 57 Prozent der Firmen ihre internen Ressourcen und Fähigkeiten, einen internationalen Innovationsprozess zu steuern, als sehr schwach, schwach oder nur mittelmäßig ein.
Ruppert: „Die wachsende Transparenz gegenüber möglichen internationalen Innovationspartnern stellt viele Unternehmen vor die Qual der Wahl. Unternehmen können inzwischen die Innovationskraft möglicher Partner messen und mithilfe globaler Datenbanken international vergleichen, um fundiertere Entscheidungen zu treffen.“

Österreich muss handeln
„Österreich muss sich entscheiden, ob es bei den führenden Innovationsländern mitspielen oder nur ein guter Forschungs- und Ausbildungsstandort bleiben will, von dem die Privatwirtschaft nicht profitiert“, fasst Christian Schuh, Partner bei A.T Kearney Österreich, zusammen. Wer die Innovation von Unternehmen unterstützen wolle, müsse die Startup-Szene weiterentwickeln und sie mit den etablierten Playern verbinden. „Österreichs Politik hat das Thema erkannt – das als Startup-Paket bekannte Programm zielt auf ein paar wesentliche Punkte ab: Neue Lohnnebenkosten, Förderungen für Risikokapitalgeber, eine neue Rechtsform oder einfachere Gründungen aus der universitären Forschung heraus – es bleibt zu hoffen, dass diese Maßnahmen Österreich helfen, schneller, kollaborativer und mutiger zu werden.“
Der Global Innovation Index (GII) wird seit 2007 gemeinsam von der Cornell University, INSEAD und der Weltorganisation für Geistiges Eigentum (WIPO), einer Sonderorganisation der Vereinten Nationen, herausgegeben. Er gilt als das wichtigste Instrument, um die Innovationsfähigkeit von Ländern zu messen. China steigt im GII 2016 in die Riege der 25 innovativsten Volkswirtschaften der Welt auf. Angeführt wird das Ranking von der Schweiz, Schweden, Großbritannien, USA, Finnland und Singapur. Deutschland steigt in diesem Jahr in die Top 10 auf. Österreich dagegen ist um weitere zwei Plätze auf Rang 20 abgestiegen.
Digitalisierung braucht Geld und Weiterbildung
Auch in Sachen Digitalisierung scheint Österreich den internationalen Anschluss zu verlieren. Laut einer aktuellen Studie des IT-Dienstleistungsunternehmen CSC gehen 77 Prozent der Unternehmen in Österreich davon aus, dass sich der Wettbewerb im Zuge der Digitalisierung bereits verändert hat. Dennoch hat erst gut jede zweite Firma in Österreich mit der Planung oder Umsetzung einer digitalen Agenda begonnen. Das ist nur ein Plus von rund fünf Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr.
„Insgesamt verlangsamt sich damit der Digitalisierungsprozess in Österreich und das verwundert, denn international ist eine deutliche Beschleunigung zu verzeichnen. Heimische Unternehmen drohen hier den Anschluss zu verlieren“, sagt Dietmar Kotras, General Manager von CSC Österreich, Osteuropa und Türkei. Dabei sehen 55 Prozent der befragten österreichischen Unternehmen durch die Digitalisierung große Chancen bei der Kostensenkung (64 Prozent), Steigerung der Qualität (44 Prozent) und Verbesserung der Kundenkenntnis (43 Prozent).
Während die Telekommunikations- und IT-Branche eine Vorreiterrolle bei der Umsetzung der digitalen Agenda einnehmen, hinkt der Handel weit hinterher. „60 Prozent der Handelsunternehmen nehmen sich eine Erstellung einer digitalen Agenda erst in den nächsten zwölf Monaten vor. Nur 30 Prozent sehen in der Nutzung von digitalen Vertriebskanälen für die Kundenbetreuung eine Chance. Damit hat der österreichische Handel im Vergleich zu anderen Branchen noch massiven Aufholbedarf“, sagt Kotras.
Insgesamt sehen sich heimische Unternehmen mit vielen Hindernissen konfrontiert. Viele Unternehmen stolpern bereits darüber, dass das Digitalisierungspotenzial im eigenen Hause nicht erkannt wird. „Aber besonders die technische Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter erachten 42 Prozent der befragten heimischen Unternehmer als echten Stolperstein. Für 36 Prozent ist die Finanzierung der Umsetzung der digitalen Agenda eine schwer überwindbare Hürde“, sagt Kotras.
Digitalisierung bringt auch Chancen
Auf Seiten der Unternehmen muss laut CSC das Digitalisierungstempo deutlich erhöht werden, damit sie den internationalen Anschluss nicht verlieren. „Das wird aber nur passieren, wenn die Unternehmen groß denken und klein anfangen“, so Kotras. Aber auch von öffentlicher Seite bestehe Handlungsbedarf. „Es müssen positive Rahmenbedingungen für die Unternehmen geschaffen werden, damit Österreich fit für die Zukunft wird. Zum Beispiel unterliegt die Arbeitswelt einem großen Wandel, auf den wir jetzt reagieren müssen. Auch bei den Themen Datenschutz und Haftungen kommen völlig neue Herausforderungen auf uns zu.“ Die Digitalisierung berge aber auch große Chancen für den Jobmarkt, denn völlig neue Berufsbilder hätten viel Zukunftspotenzial.

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