Menschen können durch die Verbreitung flexiblerer Arbeitsmodelle wählen, wann, wo und wie sie in Zukunft arbeiten wollen. Unter den veränderten Bedingungen besteht die Gefahr, kein qualifiziertes Personal mehr halten bzw. neues finden zu können. Das erhöht auch den Druck auf Servicemitarbeitende, wie Tanja Hilpert, Regional Vice President DACH bei Zendesk, erzählt. [...]
Während der Pandemie haben sich viele Teile der Geschäftsprozesse inklusive der Kundenbeziehungen in das Home Office verlagert. Wie hat sich aus Ihrer Sicht das Verhältnis Kunden zu Unternehmen während der Pandemie verändert?
Die Kundenkommunikation hat sich aufgrund der Pandemie fast ausschließlich ins Digitale verlagert. Gleichzeitig sind die Erwartungen der Kunden an den Kundenservice im letzten Jahr deutlich gestiegen, wie unsere Studie »Customer Experience Trends Report 2022« zeigt. Die gestiegene Online-Aktivität von Verbrauchern hat zu einer größeren Erwartungshaltung geführt: Aus Sicht der Kunden darf die Pandemie keine Entschuldigung mehr für schlechten Service sein. Wir beobachten weiterhin, dass sich mehr Menschen an die Nutzung von digitalen Kanälen gewöhnen und Unternehmen den Mehrwert darin erkennen, diese als ersten Kontaktpunkt mit ihren Kunden zu nutzen. Service-Teams haben die einzigartige Möglichkeit, der erste Kontaktpunkt zu sein und sollten die Interaktionen mit Kunden nutzen, um tiefere Beziehungen aufzubauen, den Kunden personalisiert zu behandeln und letztendlich Unternehmenswachstum voranzutreiben. Ein Vorgehen, dass immer wichtiger wird, da der persönliche Kontakt im physischen Geschäft eingeschränkt ist.
Welche Rolle kommt hier den Servicemitarbeitern zu? Wie haben sich deren Situation und Arbeitsverhältnisse verändert?
Die eingangs erwähnten höheren Kundenerwartungen führen zu größerem Druck auf Serviceagenten, was zu einem höheren Risiko für Burnout führt. Nur 15 Prozent der Support-Mitarbeitenden sind mit ihrer Arbeitsbelastung äußerst zufrieden. Fest steht: Der Bedarf für mehr Fortbildungen, die qualitativ besser sind, ist groß. Und das scheint sich auch bei den Kunden bemerkbar zu machen: Mehr als die Hälfte sind der Meinung, dass Unternehmen die Ausbildung von Service-Mitarbeitenden verbessern müssen. Außerdem bedarf es geeigneter Prozesse und Tools, um das Leben von Service-Agenten zu erleichtern. Nicht zuletzt sollte auch die Rolle des Service-Agenten flexibel bleiben: Es sollte nicht im Vordergrund stehen, Anfragen abzuhaken; vielmehr sollte eine hochwertige Zusammenarbeit stattfinden, bei dem der Service-Agent durch den Kundenaustausch informiert bleibt und in der Position ist, Veränderung voranzutreiben.
Laut der Zendesk-Studie sind nur wenige Service-Mitarbeitende mit ihrer Arbeitsbelastung äußerst zufrieden. Wie kann sich das auf die Kundenbeziehungen auswirken?
Durch unzufriedene Mitarbeitende können enorme Konsequenzen, beruhend auf den nicht-erfüllten Kundenerwartungen, entstehen. Zum Beispiel hat die Hälfte der Kunden angegeben, dass bereits eine einzige schlechte Erfahrung mit dem Kundenservice ausreichend ist, um zu einem anderen Unternehmen zu wechseln. Gleichzeitig zeigt der Report, dass fast die Hälfte der befragten Unternehmen der Meinung ist, dass sich der Kundenservice positiv auf das Geschäftswachstum auswirkt. So geben 80 Prozent der deutschen Kunden an, dass sie bereit sind, mehr Geld bei einem Unternehmen auszugeben, welches den Kundenservice personalisiert. Dies zeigt wiederum, wie wichtig es ist, Service-Agenten den Raum für Empathie frei zu räumen, zum Beispiel durch Automatisierung. Service-Mitarbeitenden müssen geeignete Tools zur Verfügung gestellt werden. Auch die erfolgreichsten Kundenservice-Teams sind nur so gut wie die Tools, die sie nutzen. Kunden möchten On-Demand-Service, der dann erreichbar ist, wenn sie ihn benötigen. Passende Tools mit offenen Plattformen bringen Unternehmen mehr Flexibilität und Agilität.
„Die Pandemie darf keine Entschuldigung mehr für schlechten Service sein.“
Tanja Hilpert, Zendesk
Insbesondere für KMU mit begrenzten Ressourcen besteht die Gefahr, kein qualifiziertes Personal mehr halten bzw. neues finden zu können. Wo sollten diese Unternehmen ansetzen?
Unternehmen – egal ob KMU oder Großunternehmen – sollten damit anfangen, ein attraktives Umfeld für ihre Service-Mitarbeitenden zu schaffen, damit sie gern zur Arbeit kommen und jederzeit einen adäquaten Kundenservice leisten zu können. Wie unsere Statistiken gezeigt haben, ist das derzeit in der Praxis nicht der Fall: Dass nur 15 Prozent mit ihrer Arbeitsbelastung äußerst zufrieden sind, ist eine erschreckende Zahl. Hier sollten Unternehmen ansetzen: Eine interne Wissensdatenbank kann zum Beispiel dazu beisteuern die Arbeit des Support-Teams zu erleichtern. Ein Help Center ist aber auch für Kunden sinnvoll, denn diese helfen sich nämlich am liebsten selbst, bevor sie anrufen oder eine E-Mail schreiben. Im heutigen Zeitalter ist ein Customer Support Service ohne Self-Service-Lösung nicht denkbar. Mit einem guten und ausführlichen Helpdesk können also auch Ressourcen eingespart werden. Zusammengefasst: Mit clever eingesetzten Technologien wird die Arbeitsbelastung bei Mitarbeiter geringer, was die Motivation steigert und neue Ressourcen freisetzt.
Was müssen Unternehmen den Mitarbeitern bieten, um für sie attraktiv zu sein bzw. zu bleiben?
Es geht darum, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem sich jeder wohlfühlt und die beste Version von sich selbst zeigen kann. Das kann nur passieren, indem Unternehmen ihren Mitarbeitenden zuhören, ihre Meinung regelmäßig in Umfragen evaluieren und so gut es geht umsetzen. Regelmäßige qualitativ hochwertige Fortbildungen sollten nicht nur für Service-Mitarbeiter, sondern auch für Führungskräfte Priorität haben. Zeitliche und örtliche Flexibilität hilft den meisten Mitarbeitenden, eine für sie geeignete Work-Life-Balance zu schaffen. Eine weiter Maßnahme, die Zendesk eingeführt hat, ist der Recharge Friday: Alle Mitarbeitenden erhalten einen zusätzlichen freien Freitag im Monat, um abschalten und/oder etwas Neues erleben zu können.
Ein ermutigendes Arbeitsklima, in welchem sich Mitarbeiter gegenseitig aufbauen, unterstützen und somit ihr volles Potenzial ausschöpfen können, sollte außerdem selbstverständlich sein. Teamziele und Teamevents – vor Ort oder extern – sind nur ein Beispiel der Maßnahmen für ein attraktives Arbeitsumfeld.
Wie schätzen Sie die Situation für 2022 in ihrem Geschäftsbereich ein?
Kunden und Unternehmen haben in den letzten zwei Jahren gelernt, wie anpassungsfähig wir sein können und wie schnell Veränderungen vollzogen werden können. Das wird sich nicht verlangsamen, und »Disruption« ist unsere neue Realität. Unternehmen müssen in der Lage sein, sich schnell anpassen zu können und haben keine andere Wahl, als agil zu bleiben. Ich denke auch, dass die digitale Transformation, die pandemiebedingt zwangsläufig geschehen musste, ein Umdenken in traditionellen Unternehmen bewirkt hat und mit größerer Priorität vorangetrieben wird. Bezüglich des Kundenservices beobachten wir einen Aufwärtstrend in Hinblick auf künstliche Intelligenz: Laut unseres letzten Trend Reports erwartet mehr als ein Drittel der Kunden, dass KI die Qualität des Kundenservice verbessern wird. Unternehmen sehen das ähnlich: Knapp 20 Prozent der deutschen Unternehmen haben ein Viertel oder mehr ihres Kundenservice-Tech-Budgets für Künstliche Intelligenz bereitgestellt.
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