Anwendervereinigungen verstehen sich als Plattform für Kontakte, Referenzen und fachbezogene Themen im Umfeld eines Softwareproduzenten. Ein Beitrag von Wolfgang Honold, Vorstand Österreich der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG). [...]
Der Softwarekunde von heute ist anspruchsvoll: Bedarfs- und marktgerechte IT-Lösungen mit einfach zu bedienenden Benutzeroberflächen, guter Softwarequalität und durchgängige Unternehmensanwendungen führen die Wunschlisten an. Darüber hinaus soll die Komplexität der Systemlandschaften so gering wie möglich sein, um die Betriebskosten nicht unnötig in die Höhe zu schrauben.
Eine ideale IT-Welt, die der Realität (noch) nicht ganz entspricht. Software wird teilweise jahrelang unter „Laborbedingungen“ entwickelt und dadurch mitunter an den Bedürfnissen der Unternehmen vorbei. Oder: Anwender müssen auf Eigenentwicklungen setzen oder Fremdprodukte in Erwägung ziehen, weil dringend benötigte Funktionalitäten nur in vergleichsweise langen Releasezyklen ausgeliefert werden. Hier wollen die Anwendervereinigungen den Hebel ansetzen, um dem Ideal näher zu kommen. Ziel ist es, den Produktentwicklungsprozess einer Unternehmenssoftware nachhaltig zu beeinflussen – zum Wohle und Nutzen aller Softwarekunden eines Herstellers.
Eine anspruchsvolle Aufgabe, die zu erfüllen, zu allererst einer gut durchdachten Organisation bedarf. Dabei ist es hilfreich, die Verantwortung auf mehreren Schultern zu verteilen. Eine Gliederung nach Ressorts wie Service & Support, Technologie, Anwendungsportfolio, sowie Branchen/Geschäftsprozesse mit jeweils einem Bereichsvorstand an der Spitze sorgt zum Beispiel bei der SAP-Anwendergruppe in der DACH-Region für eine gute Abdeckung. Außerdem ist ein Fachbeirat sinnvoll, bestehend aus dem Fachvorstand plus den Sprechern der jeweiligen Arbeitskreise und -gruppen. Dieses Gremium legt die inhaltliche und strategische Ausrichtung der Fachressorts fest. Die Arbeitskreise und -gruppen wiederum setzen sich aus Vertretern der Mitgliedsunternehmen zusammen und bilden die Basis allen Handelns einer Anwendervereinigung.
KONTAKTE KNÜPFEN
Die Bedeutung der Gremien unterstreicht eine Umfrage der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG) unter 365 CIO im deutschsprachigen Raum. Die Erhebung hat gezeigt, dass sich IT-Entscheider bei ihrem Informationsverhalten vor allem auf persönliche Kontakte verlassen. Die Meinung von Branchenkollegen steht dabei am höchsten im Kurs. Zu diesem Zweck nutzen sie die von der Anwendervereinigung organisierten Veranstaltungen. Bei den Gelegenheiten treffen Softwareanwender auf „Gleichgesinnte“ mit der Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen und sich gezielt vor allem auch über die Erfahrungen anderer auszutauschen. Da es sich oftmals um sensible Aufgabenstellungen, komplexe Projekte und hohe Investitionen im IT-Umfeld handelt, ist die Vertrauensbasis beim Informationsaustausch eine wichtige Voraussetzung. Als Plattform für Kontakte, Referenzen und fachbezogene Themen, filtern Anwenderorganisationen wie die DSAG die Informationen, bevor sie an die Mitglieder verbreitet werden. Zum anderen liefern sie wertvolle Inhalte an den exklusiven Kreis ihrer Mitglieder, bevor sie der Allgemeinheit zugänglich sind.
EINBLICK IN PRODUKTPLANUNG
Eine gut gegliederte Organisation allein genügt jedoch nicht. Es bedarf auch entsprechender Kommunikationskanäle, um die Anforderungen der Mitglieder an den richtigen Stellen einzubringen. Dafür kann die strukturierte, enge Zusammenarbeit zwischen Anwendergruppe und den Produktteams beim Hersteller hilfreich sein. Im Falle SAP geschieht dies zum Beispiel im Rahmen einer Customer Engagement Initiative (CEI). Dadurch erhalten Anwender einen frühen Einblick in die Produktplanung und können die Entwicklung des Portfolios beeinflussen. Dazu gehören beispielweise Komponenten für Technologieplattformen (Integrations-, Applikationsplattformen), Industrielösungen oder auch integrierte Anwendungssysteme für durchgängige Geschäftsprozesse (SAP Business Suite). Hierbei handelt es sich in der Regel um größere Erweiterungen bzw. Produktinnovationen und taktische Verbesserungen. Folglich beziehen sich die entsprechenden Aktivitäten auf einen Zeitrahmen von ein bis drei Jahren.
PRODUKTABRUNDUNGEN
Deutlich kurzfristiger können die Vorschläge einer Anwendervereinigung umgesetzt werden, wenn sie auch in die Abrundung eines bereits bestehenden Produktportfolios eingebunden ist. SAP zum Beispiel beschreibt mit dem Begriff der kontinuierlichen Verbesserung (Customer Connection, CC) den Vorgang, wenn kleine Erweiterungen bzw. Verbesserungen bereits verfügbarer Produkte gemeinsam koordiniert und umgesetzt werden. Wesentlich dabei ist, dass die entsprechenden „CC-Pakete“ ohne großen Aufwand installiert und getestet werden können und den Anwendern alle zwei bis sechs Monate zur Verfügung stehen. So lassen sich mit Initiativen zwei entscheidende Einflussfelder abdecken, um stärker in den Produktentwicklungsprozess einbezogen zu werden. Ein Anwenderverband der genau die gewünschten Kanäle durch seine Vereinstätigkeit bedienen und im Sinne seiner Mitglieder im partnerschaftlichen Dialog auf die kurz- und langfristige Produktplanung und -entwicklung einwirken kann, hat gute Voraussetzungen, weiter kontinuierlich neue Anwenderunternehmen für seine Arbeit zu gewinnen und weiter zu wachsen. Der Verband selbst ist dabei nur Mittel zum Zweck bzw. das Sprachrohr des Anwenders. Dessen Bedürfnisse und Anforderungen in Bezug auf seine Unternehmens-IT im Dialog mit dem Hersteller zu kommunizieren und verwirklicht zu sehen, ist das vorrangige Ziel der Verbandsaktivitäten. „Netzwerk, Informationsaustausch und Einflussnahme“ sind dafür eine gute Basis, um im Sinne der Mitglieder und letztlich aller IT-Nutzer erfolgreich zu arbeiten.
* Wolfgang Honold ist CIO bei der Getzner Gruppe mit Hauptsitz in Bludenz. Seit 2006 ist er Mitglied des DSAG-Vorstands und vertritt die Interessen österreichischer Anwender.
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