E-Government: Note 5 im Praxistest

Angeblich zählt Österreich seit Jahren zu den Vorreitern in Sachen E-Government. Was aber nutzt das alles, wenn Behörden nicht antworten? Ein Erlebnisbericht eines Desillusionierten. [...]

Behörden und elektronische Kommunikation: Eine abenteuerliche Kombination. (c) Red.
Behörden und elektronische Kommunikation: Eine abenteuerliche Kombination. (c) Red.

Bürgerkarte und Handy-Signatur, E-Card, ELAK, Elektronische Zahlung, Help.gv, und wie sie alle heißen: Österreich wurde mehrfach mit dem Spitzenplatz in internationalen E-Government-Vergleichen belohnt. Aber hält das auch einem einfachen Praxistest stand? Ich bin ein Internet-verliebter Nerd und lebte bis vor kurzem mit meiner Familie im Ausland. Kaum zurückgekehrt, machte ich mich also sofort frohen Mutes daran, E-Österreich auszutesten.

Wohnungs-Meldung

Neue Wohnung, also ein Fall für das Melderegister: „Sie können sich persönlich oder postalisch anmelden. Die Anmeldung kann aber auch durch einen Boten überbracht werden. Anmeldungen per Fax oder E-Mail sind derzeit gesetzlich nicht möglich“, teilt mir Help.gv.at mit. Nun ja. Wir spazieren mit unserem Mietvertrag zum Magistrat und melden uns nach einer Stunde Wartezeit behördlich an. Wir erhalten drei Papiere mit einem hübschen Stempel drauf.

AMS

Meine Frau ist Italienerin und will gerne Deutsch lernen. Freunde munkeln, dass man beim AMS ermäßigte Kurse erhalten kann – also los! Wow, das AMS hat eine „eServiceZone“. Toll! Leider versteht meine Frau kein Wort, da es keine englische Version gibt. Ich muss also wieder mal aushelfen. Ich schaffe es immerhin bis zum Online-Anmeldeformular – dann aber scheitern wir, weil man hier eine Sozialversicherungsnummer für sie eingeben muss, welche wir nicht haben. Wir begeben uns also wieder live vor Ort und erfahren, dass man Anrecht auf Kurse erst mit guten Deutschkenntnissen (B1) hat. Haha!

„Anmeldebescheinigung“ – MA 35

EU-Bürger dürfen nicht so ohne weiteres nach Österreich ziehen. Wussten Sie das? Wir auch nicht. Die Wahrheit ist, für einen längeren Aufenthalt (und im Übrigen auch eine Anmeldung beim AMS etc.) benötigt man die „Anmeldebescheinigung“. Noch lachen wir über das lustige Wort und buchstabieren es abwechselnd, während wir ein Formular als PDF online ausfüllen und dann – ja, wer hätte es gedacht – ausdrucken und zur Sprechstunde auf die MA 35 mitnehmen. Aber nach einer Stunde Wartezeit unter etwa 150 Wartenden vergeht uns das Lachen. Man teilt uns mit, dass noch diverse andere Bestätigungen benötigt werden: Freizügigkeit, Einkommen, Passkopie, usw.

Elektronisch? Nein, nein: nochmal kommen

Das nächste Mal kommen wir mit jeder Menge Zetteln bewaffnet. Wir warten wieder eine Stunde, dann nach dem Erstkontakt nochmals zwei Stunden, um am Ende mitgeteilt zu bekommen, dass die Steuerkonto-Auszüge aus England leider nicht gut genug sind. Ha, immerhin darf ich sie per E-Mail nachschicken, was sagt man dazu! Das mache ich glatt, worauf drei Wochen lang gar nichts passiert. Ich frage per E-Mail nach und erhalte tatsächlich rasch die Antwort, dass bald eine Antwort kommen wird. Das ist mittlerweile zwei weitere Wochen her. Die Telefonschleife habe ich heute nach fünfzehn Minuten genervt verlassen.

Sozialversicherung I

Da ich bisher in England bzw. Spanien gemeldet war, wird es nun Zeit, mich wieder als Neuer Selbständiger in Österreich anzumelden. Mit Hilfe von Help.gv.at finde ich das Portal der Sozialversicherung (SVA) und schaffe es irgendwie, mich zu den elektronischen Formularen durchzuschlagen. Nach einer Stunde gründlichem Studium aller Infos fülle ich ein Online-Formular aus. Leider habe ich noch keine Handysignatur oder Finanz Online (aha, nächster Task!), daher muss ich es – erraten – ausdrucken und mit der Post senden. Das zwölf Seiten lange „Formular_Abschluss_FM_Neuzugangsprozess_SVA_V1_0.pdf“ mit allen Angaben und Dokument-Kopien für meine Familie schicke ich also nach einem Ausflug in den Copyshop mit Snail-Mail auf den Weg.

Zwei Wochen später, auf telefonische Nachfrage hin, teilt man mir mit, dass das Formular nie angekommen ist. Ich könne es aber auch per E-Mail senden. Das mache ich glatt und eine Bestätigung verkündet, dass das E-Mail „rasch“ bearbeitet wird. Zwei weitere Wochen später: Ich rufe genervt an, weil ich mir Sorgen um unser aller medizinische Versicherung mache. Diesmal meint eine Dame, dass meine eigene Versicherung und jene meines Sohnes bereits erledigt sei, für die Anmeldung meiner Partnerin aber erst die Scheidungsurkunde von meiner Ex-Frau benötigt werde. Ich schicke prompt die Urkunde per E-Mail, und eine Bestätigung verkündet, dass das E-Mail „rasch“ bearbeitet wird.

Finanz-Online und Handy-Signatur

Um seine Finanzen online in Ordnung bringen zu dürfen, muss man in Wien – richtig – persönlich in der Marxergasse vorbeikommen. Dort wartet man dann zwei Stunden auf engstem Raum mit 200 anderen genervten Menschen. Bis ein sehr freundlicher Beamter meinen Pass kopiert und einen Zettel mit der neuen Zugangs-Kennung ausdruckt. „Jetzt geht’s los“, jubele ich innerlich und mache mich schnellstmöglich an den Laptop. Teilnehmer-Identifikation, Benutzer-Identifikation, PIN, ich bin drin! Das ist ja wie im Paradies! Als erstes bestelle ich gleich einmal die Handy-Signatur, als zweites beantrage ich Familienbeihilfe.

Zwei Wochen später flattert ein Brief vom Finanzamt ins Haus, dass wir für Familienbeihilfe noch einige Dinge nachbringen müssen. Ich drucke sie aus, und gehe zur Post um sie ans Finanzamt zurückzuschicken. Mittlerweile bin ich beim Kopieren von Dokumenten und Briefversand wieder recht geübt. Von Handy-Signatur leider keine Spur, darum bestelle ich sie gleich nochmals. Eine Woche später ist sie dann wirklich da – ich registriere mich, lade die App runter und habe mich mittlerweile schon 2 Mal identifiziert, unter anderem für die elektronische Zustellung. Das macht Spaß.

Sozialversicherung II

Zwei Wochen später: ich rufe wieder mal bei der SVA an, weil ich mir Sorgen um die medizinische Versicherung meiner Partnerin mache. Diesmal meint eine Dame, dass für ihre Anmeldung eine Bestätigung nötig sei, dass wir 10 Monate zusammengelebt hätten. Ich frage sie, warum man diese doch nicht unwichtige Information nicht per E-Mail kommuniziert hat? Antwort: Sie müssen in der E-Mail bekannt geben, dass sie eine Antwort wünschen. Ich bin baff, versuche es aber dann erneut: ich schreibe eine E-Mail mit der verlangten Auslands-Meldebestätigung und ersuche höflich um Antwort. Zwei Wochen später: Ich rufe genervt an, weil ich mir Sorgen um die medizinische Versicherung meiner Partnerin mache. Diesmal meint eine Dame, dass für die Anmeldung noch die Meldebestätigung und eine Ausweiskopie nötig sei (die ich ursprünglich schon hochgeladen hatte). Ich frage nicht mehr nach, warum man mir das trotz Bitte nicht kommuniziert hat, sondern schicke die Formulare per E-Mail und sinke weinend zu Boden.

Mein Fazit: Man kann einen alten Esel nicht durch ein kleines „e“ vor der Nase zum Galoppieren bringen.

 

Stellungnahme der SVA

Die Anmeldung des Mitarbeiters der COMPUTERWELT und seines Sohnes hat – bis auf den Verlust der Unterlagen durch die Post – nach Plan funktioniert. Anmeldebestätigungen schicken wir aus Datenschutzgründen per Post. Denn obwohl die Kommunikation per E-Mail heute eine Selbstverständlichkeit ist, dürfen wir in der SVA aufgrund des Datenschutzgesetzes erst per Mail antworten, wenn eine Einverständniserklärung des Versicherten dazu vorliegt. Warum? Wir haben tagtäglich mit sensiblen Daten zu tun: Wir arbeiten mit Einkommens-, Gesundheits- und Krankheitsdaten. Diese gilt es, so gut wie möglich zu schützen. Wir empfehlen deshalb auch die Versicherungs-Neuanmeldung online mit Handy-Signatur – hier kann man bequem und sicher alle Informationen online einreichen und erspart sich den Postweg.

Zur Anmeldung der Partnerin: Die Anmeldung der Partnerin von Roland Kissling war ein Sonderfall: Sie ist keine österreichische Staatsbürgerin und ist aus dem Ausland zugezogen. Bei Spezialfällen wie diesem kann es vorkommen, dass bis zur tatsächlichen Anmeldung mehr als einmal nachgefragt werden muss. Hier musste beispielsweise im Detail überprüft werden, ob die Partnerin bereits zehn Monate im gemeinsamen Haushalt mit Roland Kissling zusammenlebt. Hier ist die SVA generell dazu verpflichtet, alle Daten zu sammeln, um den gesetzlichen Bedingungen zum Versicherungsschutz zu entsprechen.

Transformations- und Digitalisierungs-Projekt SVA 2020: Die SVA verzeichnet rund 60.000 Neuanmeldungen pro Jahr und ist mit einem Plus von 7 Prozent an Kunden jährlich der am schnellsten wachsende Sozialversicherungsträger in Österreich. Wir bekennen uns klar zur Digitalisierung, um diese Steigerungen künftig noch effizienter zu bewältigen. Wir bauen mit unserem Transformations-Projekt SVA 2020 das Kundenservice und Kundenerlebnis aus, SVA-Anliegen sollen künftig so einfach und rasch funktionieren wie eine Flugbuchung.

Weiters möchten wir trotz des starken Kundenanstiegs die Verwaltungskosten bei rund zwei Prozent des Gesamtbudgets halten. Ziel war und ist es, so viel Leistung wie möglich wieder an die Kunden zurückzugeben. Dazu haben wir im Rahmen des Projektes SVA 2020 bereits einige interne und externe Prozesse transformiert und digitalisiert. Wir bieten für unsere Kunden auch bereits erste Online-Services an:

  • Online-Versicherungsanmeldung: Alle Formulare können online unter www.svagw.at/neuzugang ausgefüllt, digital signiert und abgeschickt werden. Nur das Begrüßungsschreiben und die Bestätigung des Versicherungsschutzes bekommen Neugründer noch in Papierform. Voraussetzung dafür ist die Handy-Signatur (die man, wenn man sie noch nicht hat, z.B. online unter www.post.at/handysignatur beantragen kann oder persönlich mit Handy und Lichtbildausweis in jeder SVA-Landesstelle, Magistrat, Bezirkshauptmannschaft oder Gemeindeamt erhält)
  • Online-Beitragskonto: Alle Informationen zu ihren Beiträgen können SVA-Kunden online abrufen – vom tagaktuellen Kontostand und den Vorschreibungen über die Jahres- oder Saldenübersicht bis hin zu der Aufschlüsselung aller Beitragsgrundlagen.
  • Ärzterechnungen kann man bereits online einreichen sowie um Bewilligungen ansuchen, demnächst funktioniert das auch per App.
  • „Beitrag modern“: Ein neues, internes Backbone-System im Melde-, Versicherungs- und Beitragswesen führte zu einem Plus von 10 Prozent mehr Effizienz in den Bearbeitungen.
  • Die Online-Kundenzone soll weiter ausgebaut werden. Wir schicken derzeit 500.000 Zahlungs-Vorschreibungen pro Quartal aus. Das soll künftig bei so vielen Kunden wie möglich über das elektronische Postfach ablaufen.
  • Eine Innovation soll demnächst in abgegrenzten Geschäftsfällen Antworten geben können: der SVA Chatbot.
  • Es gibt bereits vernetztes Training und die Betreuung durch den SVA-Gesundheitscoach während und nach der Reha in den SVA Gesundheitszentren.
  • Wir möchten in unseren Gesundheitszentren künftig noch stärker digitale Lösungen anbieten wie z.B. Apps, um die Rückfallquoten zu minimieren, damit die Kunden länger gesund bleiben.
  • Demnächst gibt es zudem eine zentrale Telefonnummer und ein Beratungszentrum, bei dem sich SVA-Kunden aus ganz Österreich unter der Nummer 050 808 808 kundenfreundlich über alle Themen hinweg informieren lassen können.

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