Seit Oktober 2018 ist Walter Schinnerer DSAG-Vorstand in Österreich. Mit der COMPUTERWELT sprach er über die Herausforderungen der digitalen Transformation und darüber, wie wichtig es sei, dass die SAP das Gespür für den Bestandskunden nicht verliere. [...]
Für SAP ist S/4HANA die Zukunft. Mit der Wartung von SAP ERP 6.0/SAP Business Suite 7 bis 2025 hat SAP auch ein Datum für die gewünschte Umstellung gesetzt. Doch laut einer Umfrage zum DSAG-Jahreskongress 2018 liegt die Zahl jener DSAG-Mitglieder, die ihre Systeme bis 2025 auf S/4HANA umgestellt haben werden, bei noch überschaubaren 37 Prozent. Geht die digitale Transformation schnell genug?
Die SAP hat uns jahrelang mit dem Datum 2025 als Wartungsende für ihr ERP-System verschreckt, dabei findet die digitale Transformation ja ohnedies laufend statt. Das ist entkoppelt von der SAP-Technologie oder Architektur zu sehen. Die SAP hätte gerne, dass nur mit ihrem digitalen Kern, dass nur mit S/4HANA die digitale Transformation möglich ist. Dabei geht es vielmehr um Fragen, wie „Was bewegt die SAP-Kunden in Österreich? Was hat ein Unternehmen, das eine sehr breite Produktpalette von SAP im Einsatz hat, für eine Geschwindigkeit? Was braucht es für eine Geschwindigkeit? Wie rasch und wie schnell kann es sich überhaupt technologisch erneuern?“ Es braucht einen Pfad, der von Kunden mit gutem Gewissen und wirtschaftlich vertretbar beschritten werden kann. SAP gibt hier ein zu rasches Tempo vor und scheint das Gespür für den Bestandskundenmarkt etwas verloren zu haben.
Für viele österreichische Kunden ist noch viel zu tun. Jetzt, da die Marktreife von S/4HANA gegeben ist, müssen sich Unternehmen fragen: Was bedeutet es, die Technologie zu erneuern und habe ich die Mannschaft dafür? Die vorhandene Mannschaft ist wahrscheinlich zu klein aufgestellt und hat noch nicht die Kompetenz und Qualität ein S/4HANA-Projekt ohne externe Unterstützung umzusetzen. Zudem werden uns die externen Berater in den nächsten drei bis fünf Jahren ausgehen. Wenn große SAP-Kunden nicht langsam einen Fahrplan dafür haben, wie man bis 2025 umstellt, dann wird man es nicht schaffen. Aber wie gesagt: Die digitale Transformation findet jetzt und laufend statt und hat mit den SAP-Systemen nur eingeschränkt zu tun.
Viele sehen in der Cloud die Zukunft, auch SAP hat eine in die Cloud weisende Strategie. Wie sehen Sie das?
Ich bin seit dreißig Jahren im öffentlichen Sektor tätig, dabei habe ich gelernt, dass personenbezogene Daten, wie z.B. Gesundheitsdaten, in keine Cloud gehören. Auch nicht in eine private Cloud im SAP-Data-Center, sondern die Datenhaltung muss regional in Österreich passieren, möglicherweise im Bundesrechenzentrum oder in einem anderen lokalen Rechenzentrum in Österreich.
Die Cloudnutzung ist also branchenabhängig?
Ja, auch die produzierende Fertigungsindustrie, die ihre Geschäftsgeheimnisse quasi in der Fertigungsstraße hat, wird diese Daten garantiert nicht in der SAP-Cloud nutzen.
Könnte die Cloud nicht gerade kleineren Unternehmen Nutzen bringen?
Ja, natürlich. Für ein mittelständisches oder kleines Unternehmen, wie dem lokalen Schlosser im Dorf, oder die Tischlerwerkstatt ist jetzt eine SAP-Lösung endlich mach- und leistbar. Business ByDesign war schon ein erster Schritt dazu, aber dank S/4HANA in der Public Cloud ist das für ein Mittelstandsunternehmen garantiert das Mittel der Wahl.
Das betrifft dann aber eher Neueinsteiger?
Genau.
Sind die Lizenzkosten nicht auch ein Bremser?
Ja, aber das gilt auch für die Cloud. Die SAP-Lizenzpolitik in der Cloud ist derzeit der größte Bremser dabei, den Kunden in die Cloud zu bewegen. Die SAP wäre gut beraten, ihr diesbezügliches Pricing zu überdenken.
Die DSAG hat dazu sicher Vorschläge?
Natürlich. Es braucht ein klares und transparentes (atmendes) Lizenzmodell. An diesem arbeitet die DSAG bereits seit Längerem in enger Abstimmung mit SAP. Das schätze ich auch an der SAP als Softwarehersteller, und das ist auch einer der Gründe, warum ich mich für diese DSAG-Funktionärsfunktion entschieden habe, dass die Zusammenarbeit zwischen SAP und DSAG funktioniert. Das haben die letzten Jahrzehnte bewiesen
Ist der Fachkräftemangel auch ein Thema für die DSAG?
Das ist sogar ein sehr großes Thema, weswegen die DSAG unlängst die DSAG-Academy ins Leben gerufen hat, die auch eine Kooperation mit Hochschulen vorsieht. Hier hat die DSAG etwas sehr Beeindruckendes auf den Boden gestellt.
Gibt es diese Academy physisch oder online?
Es gibt sie physisch und online. Die Academy hat mehrere Unterprogramme. Im Bereich Recruiting geht es um den Bedarf der Unternehmen und was die Hochschule bieten kann. Die DSAG tritt hier als Mittler zwischen Unternehmen und Hochschule/Studenten auf. Im Bereich Weiterbildung geht es darum, dass wir Unternehmen mit Mitarbeitern haben, die in Richtung Digital Skills weitergebildet werden sollen und die dann auch in Zusammenarbeit mit einem Dienstleister hier in Österreich Weiterbildungsangebote über die Academy wahrnehmen können.
Was haben Sie sich vorgenommen als DSAG-Vorstand für Österreich vorgenommen?
Vor Jahrzehnten hat die SAP schon mit dem Competence Center – jetzt heißt es CCOE, Competence Center of Expertise – etwas wirklich Gutes ins Leben gerufen, das die SAP leider in den letzten Jahres etwas vernachlässigt hat. Beim CCOE-Programm bin ich, seitdem ich gewählter Österreich-Vorstand bin, also seit sechs Monaten, sehr, sehr aktiv hinter der SAP her. Hier möchte ich ab 2020 wieder eine jährliche DSAG-Veranstaltung für die CCOEs in Salzburg realisieren.
SAP setzt aktuell eher auf individuelle C-Level-Veranstaltungen mit maximal 40 bis 80 Teilnehmern . Bei Neukunden wird das so funktionieren, aber bei Bestandskunden wird man mit diesen Veranstaltungen kaum eine Unterstützung der Kunden für die Umsetzung der SAP-Transformationsprojekte erzielen. Hier muss es einen direkteren Kontakt mit den CCOE-Mitarbeitern unter Bezugnahme auf deren Kundensituation geben. Das S/4HANA-Adoption-Starter-Programm, welches auf Anregung der DSAG ins Leben gerufen wurde, und die darauf aufbauenden Services sind hier ein wesentlich besserer Bezugspunkt; um in die Interaktion mit dem Kunden zu gelangen. Daher ist mein Schwerpunkt für die nächsten zwei Jahre: SAP bei der Erneuerung bzw. Wiederbelebung des CCOE-Programms zu unterstützen und die SAP wieder zu einem besseren Gespür bzw. Verständnis des Bestandskunden zurückzubringen.
Zur Person
Walter Schinnerer ist seit mehr als 30 Jahren im Finanz und Informatik-Umfeld beschäftigt. Seit über 25 Jahren und seit 2004 in leitender Funktion betreut er das SAP-Kompetenzzentrum der österreichischen Sozialversicherungsträger. Er war maßgeblich am Aufbau diverser SAP-Communitys in Österreich beteiligt. Seit 2011 ist Walter Schinnerer Sprecher der DSAG-Arbeitsgruppe CCC Service & Support in Österreich.
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