Ein klares Leitbild für die IT

Christian Platzer, Director IT der MAGNA STEYR Fahrzeugtechnik AG, hat mit seinem Team in einem hochdynamischen Umfeld ein klares Leitbild geschaffen und so die IT zu einem wichtigen Faktor für die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens gemacht. Dafür durfte er den CIO Award 2022 entgegennehmen. [...]

Christian Platzer, Director IT der MAGNA STEYR Fahrzeugtechnik AG, und Michael Ghezzo, CEO von Confare. (c) Confare
Christian Platzer, Director IT der MAGNA STEYR Fahrzeugtechnik AG, und Michael Ghezzo, CEO von Confare. (c) Confare

Die Automobilindustrie erfährt derzeit massive Veränderungen – Stichworte E-Mobility, digitale Transformation, Nachhaltigkeit, autonomes Fahren. Wie sehr haben sich die Anforderungen an die IT von Magna Steyr Fahrzeugtechnik in den letzten Jahren verändert?

Magna bewegt sich in einem sehr dynamischen Umfeld mit einer Vielzahl von Einflüssen und Trends und das trifft auch insbesondere auf die Complete Vehicle Gruppe der Magna mit ihrem Geschäftsmodell zu. Letztendlich wirken sich diese Einflüsse und Trends auf die IT dahingehend aus, dass der Bedarf an IT-Lösungen bzw. die IT-Durchdringung ständig steigt. Dazu einige Beispiele: Neue Produkte werden in immer kürzerer Zeit zur Marktreife gebracht und auch die Etablierung einer neuen Fertigungslinie oder der Umbau einer bestehenden Linie zur Integration eines weiteren Produkts wird in immer kürzerer Zeit umgesetzt. Hier setzen unsere Digitalisierungsmaßnahmen an, die unsere Prozesse schneller und flexibler machen, wie beispielsweise die Schaffung des digitalen Abbilds des Unternehmens (digital Twin) und die damit verbundene Möglichkeit der 3D-Simulation.

In Richtung Nachhaltigkeit unterstützen wir die Fachbereiche durch zahlreiche Projekte in der Verbesserung des ökologischen Fußabdrucks. Zum Beispiel bieten wir durch unsere Data-Analytics-Lösungen einen transparenten Einblick in unsere Energieverbräuche oder verbessern und optimieren durch Software-Lösungen die Transport- bzw. Anlieferwege.

Und was die Fahrzeuge der Zukunft angeht, so werden sich diese noch weiter über Software definieren als das heute schon der Fall ist. Fahrassistenzsysteme (ADAS) und seamless Connectivity werden in den Produkten zur Selbstverständlichkeit. Hier unterstützen wir mit der Bereitstellung einer hoch skalierbaren Infrastruktur in der Cloud und der für die anfallenden Datenmengen erforderlichen Bearbeitungsprozesse sowie deren Integration in die Unternehmensprozesse.

Wie wirken sich die aktuellen Krisen auf das Business von Magna Steyr aus? Sind Sie zum Beispiel von den Problemen mit den Lieferketten betroffen? Wo liegen derzeit die größten Herausforderungen?

Auch an uns gehen die aktuellen Herausforderungen leider nicht spurlos vorbei. In der IT sind wir insbesondere von der Störung der Lieferketten bei der IT-Hardware betroffen. Das wirkt sich dahingehend aus, dass wir was den Planungshorizont angeht, noch weiter in die Zukunft antizipieren müssen, damit mögliche Lieferverzögerungen nicht zu einem Business-Problem werden.

Wie hat sich auch Ihre Rolle als CIO in den letzten Jahren gewandelt? Wieviel Prozent machen die Bereiche Technik, Strategie, Compliance/Recht bei Ihrer Arbeit aus?

Ich denke, dass sich die Rolle eines CIO grundsätzlich nur was den technischen Inhalt und die Zeitspanne der Vorausschaubarkeit durch die immer raschere technisch Entwicklung verändert hat. Die Kernaufgabe eines jeden CIO war und ist es das Geschäft des jeweiligen Unternehmens bestens zu verstehen und vorausschauend zu handeln, indem er/sie mit einem guten Verständnis der technischen Entwicklungen die für das jeweilige Unternehmen richtigen und passenden Lösungen identifiziert. Das Thema Compliance ist mittlerweile eine Grundanforderung an jede Organisation und sollte mittlerweile voll in jeder Unternehmens-IT angekommen sein.

Wie gehen Sie an IT-Projekte heran und wie sieht Ihre Strategie aus? Wie gestalten Sie die Rolle des CIO?

Unsere IT-Projekte entstehen aus einer Vielzahl an Auslösern: den Fachbereichs-/Kundenanforderungen, den Compliance-/Security Anforderungen, den sich ändernden technischen Rahmenbedingungen und natürlich aus der IT-Strategie. Die Planung dazu erfolgt im jährlichen Budgetprozess. Unsere IT-Strategie ist bewusst sehr einfach gehalten und untergliedert sich wiederum in vier Schwerpunktkategorien bzw. Ziele: der Erfüllung der Anforderungen aus der Unternehmensstrategie, der Etablierung der IT als Business-Partner, der Verbesserung der Prozesse und Effizienz in der IT sowie der Stärkung der Organisation und Mitarbeiter-innen bzw. Mitarbeiter.

Näher eingehen bzw. erklären möchte an dieser Stelle die Kategorie „Etablierung der IT als Business-Partner“: Wir wollen als IT dem Business ein Partner auf Augenhöhe sein und nicht darauf warten, dass wir mit Problemen oder Anforderungen konfrontiert werden. Die IT soll eine aktive Rolle im Unternehmen einnehmen, proaktiv auf die Geschäftsbereiche und Kunden zugehen und von sich aus Lösungsvorschläge und Innovationen einbringen.

Ich persönlich gestalte meine Rolle so, dass ich die Richtung und den Rahmen vorgebe und dann der Organisation bei der Umsetzung möglichst freie Hand lasse und unterstütze, wenn es den Bedarf dazu gibt. Dennoch ist mir die Nähe zu den tagesaktuellen Themen und der Bezug zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit deren täglichen Herausforderungen wichtig, um nicht die Bodenhaftung zu verlieren.

Welche Fähigkeiten muss ein moderner CIO haben?

Das Unternehmen und die Marktentwicklungen bestens zu verstehen, sind für mich die Grundvoraussetzungen als IT-Leiter. Darüber hinaus ist für mich ein enger Kontakt – sowohl zum Business, dem eigenen IT-Team, zu Lieferanten und Peers – besonders wichtig. Als Erfolgsfaktoren sehe ich für einen CIO die folgenden drei Punkte: Das Geschäft des Unternehmens und dessen Herausforderungen genau zu verstehen um die richtigen IT-Lösungen anbieten zu können, die technischen Entwicklungen im Auge zu behalten um diese nutzbringend in das Unternehmen zu integrieren und ein besonderes Augenmerk auf das IT-Team und gut ausgebildete Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter zu haben. Jede Organisation kann nur so gut sein wie die Summe seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Künstliche Intelligenz und Machine Learning gelten als die Toptrends für das Jahr 2022. Haben Sie in Ihrem Unternehmen schon Projekte umgesetzt? Sehen Sie noch weitere Trends?

Ja, wir haben zum Thema Machine Learning bereits einige Pilot-Projekte umgesetzt und wir werden den Einsatz dieser Technologie definitiv ausweiten und breiter einsetzen. Umgesetzte Projekte und Anwendungsfälle sind beispielweise die Vorhersage der Ankunftszeit der Zuliefertransporte, um Abweichungen rechtzeitig erkennen und reagieren zu können, das frühzeitige Erkennen und die Vorhersage von Abweichungen z.B. bei Befüllanlagen zur Vermeidung von Nacharbeiten durch rechtzeitige Rekalibrierung der Anlage oder die algorithmusbasierte Erkennung von Geoskids (Aufnahmevorrichtung für Rohkarossen) außerhalb der Vorrichtungstoleranz.

Neben den Themen künstliche Intelligenz und Machine Learning sehe ich unter der Vielzahl an publizierten Trends für uns Cybersecurity Mesh, Cloud Native und das Thema Data Factory als die Wesentlichen und Relevanten an.

Das Thema Sicherheit/Datenschutz wird immer wichtiger. Welchen Stellenwert hat IT-Security in Ihrem Unternehmen und welche Maßnahmen werden gesetzt?

IT-Sicherheit und Datenschutz sind für uns enorm wichtig und neben dem hohen Eigeninteresse auch eine Basisanforderung unserer Kunden, deren Erfüllung wir durch Zertifikate (ISO 27001, TISAX, SOX, IATF 16949) nachweisen müssen. Wir versuchen über eine Vielzahl an vorgelagerten Maßnahmen das Risiko einer Beeinträchtigung unseres Betriebs bzw. unseres Geschäfts durch Cyber-Vorkommnisse zu minimieren. Dabei setzen wir sowohl auf technische Maßnahmen (wie beispielsweise MFA, LAN-Segmentierung, LAN-Trennung via FW, DMZ, Patching, next Gen AV) als auch auf organisatorische Maßnahmen wie Schulungen/Awareness-Trainings der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (beispielsweise Umgang mit verdächtigen Mails/Gefahr von Phishing).

Nach wie vor gibt es einen eklatanten Mangel an gut ausgebildeten IT-Fachkräften. Wie beurteilen Sie die derzeitige Situation und wie bzw. wo finden Sie gut ausgebildete Mitarbeiter?

Die Situation ist tatsächlich sehr herausfordernd und wir spüren, dass es immer schwieriger wird, offene Stellen zu besetzen. Eine der Maßnahmen mit denen wir dem Fachkräftemangel zu begegnen versuchen ist, dass wir uns aktiv um die Ausbildung unserer Nachwuchskräfte kümmern und IT-Lehrlinge und duale Studenten bei uns beschäftigen. Ein weiterer Baustein ist die erhöhte und permanente Präsenz der IT auf Universitäten, FHs und auf Berufsmessen.

Die IT-Budgets sind in den letzten Jahren meist zurückgegangen. Wie sieht es diesbezüglich bei Ihnen aus und wie reagieren Sie auf ein schrumpfendes IT-Budget?

Wir hatten in den letzten Jahren verbunden mit der guten Geschäftsentwicklung und dem steigenden Bedarf an Digitalisierung auch eine Steigerung im IT-Budget.

In den letzten Jahren wurden viele Arbeiten (zumindest projektweise) an IT-Fachleute außerhalb des Unternehmens ausgelagert. Wie sieht hier der Trend aus?

In unserer IT hatten wir schon immer einen hohen Grad an zugekauften IT-Leistungen. Uns war immer bewusst, dass es nicht sinnvoll ist und wir auch nicht in der Lage sind, alle Aufgaben im Haus selbst durchzuführen. Wichtig war uns dabei aber immer, dass wir das Knowhow bzw. die Steuerungskompetenz im Haus behalten und uns damit eine gewisse Flexibilität bewahren.

Für die Zukunft erwarte ich, dass der Zukauf an IT-Leistungen aus zwei Gründen noch weiter zunehmen wird: Zum Einen durch Angebote bzw. technische Fähigkeiten, welche es nur in der Cloud geben wird, und zum Anderen durch den Mangel an verfügbaren IT-Fachkräften.

Haben Sie eine eigene „Digital Transformation“-Abteilung eingerichtet und wenn ja, wie ist diese organisiert und wie ist die Zusammenarbeit mit der traditionellen IT-Abteilung definiert? Wenn Nein, was spricht aus Ihrer Sicht gegen eine derartige Abteilung?

Nein, eine eigene Abteilung für „Digital Transformation“ haben wir nicht. Unser Modell sieht so aus, dass wir Technik- und IT-affine Leute in den verschiedenen Fachbereichen beschäftigen, die gemeinsam mit der IT als verbindendes Glied die Digitalisierung im Unternehmen vorantreiben.

Was bedeutet der CIO Award für Sie persönlich?

Der CIO Award als Preis hat für mich wegen der hochkarätigen Jury mit Branchenkennern und Experten eine besonders hohe Bedeutung und ist für mich eine Bestätigung des eingeschlagenen Weges, aber vor allem eine Würdigung der beeindruckenden und herausragenden Leistungen des gesamten Teams.

Welche Tipps haben Sie für angehende CIOs?

Keinen speziellen für einen CIO, aber einen generellen für alle in der IT-Community: Have Fun in What you Do!


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