Da IT oft als reiner Kostenfaktor gilt, werden steigende IT-Budgets vielfach als negativ empfunden. Keine gute Idee, findet Xerox-CIO Stephen Little und rät Unternehmen dazu, mehr Geld für IT auszugeben und diese Ausgaben als etwas Positives zu betrachten. [...]
Stephen Little, Global CIO von Xerox, erklärt im Gespräch mit der COMPUTERWELT, warum Projektmanagement zu den wichtigsten Fähigkeiten eines CIO gehört und wie man sich in einem Konzern mit 140.000 Mitarbeitern das Vertrauen der Business-Seite verschafft.
Sie sind „Global CIO“ von Xerox. Heißt das, es gibt auch „Local CIO“ bzw. mehr als einen CIO bei Xerox?
Stephen Little: Wir haben eine Menge CIO und ich bin der Boss der CIO. Ich bin für die IT von Xerox aus globaler Sicht verantwortlich. Das bedeutet, dass es in manchen Geschäftsbereichen eigene CIO gibt und ich nicht alle IT-Prozesse manage, da die IT zur Unterstützung unseres BPO-Geschäftes historisch in den dafür zuständigen Business-Einheiten angesiedelt war. Wir sind gerade dabei, das zu zentralisieren. Überhaupt geht es gerade stark darum, unsere IT-Prozesse – wie wir die Produktentwicklung, Support und Wartung unterstützen – zu vereinheitlichen.
Wieviele IT-Mitarbeiter hat Xerox?
Zwischen 4.000 und 5.000, wobei fast unsere gesamte Infrastruktur ausgelagert ist. Wir arbeiten zudem in der Entwicklung auch viel mit indischen Firmen zusammen, die uns Arbeitskräfte zur Verfügung stellen.
Sie sind CIO eines IT-Unternehmens. Macht das Ihren Job leichter oder schwieriger?
Ein bisschen von beidem, wobei man dazusagen muss, dass die meisten Unternehmen heute auch IT-Unternehmen sind. IT ist inzwischen überall drinnen. Leichter ist es, weil die Xerox-Mitarbeiter IT gut verstehen. Schwierig ist mein Job dann, wenn wir intern über neue IT-Projekte reden und die Fachabteilung schon mit der Lösung daherkommt. Ich hatte unlängst ein Gespräch mit einem unserer Senior Executives, in dem es darum ging, Salesforce.com in unsere kanadische Organisation zu integrieren. Ich hab dem Kollegen dann gesagt, dass er mir nicht einfach die Lösung erklären soll, sondern was er denn überhaupt erreichen will. Wir integrieren jetzt auch tatsächlich Salesforce.com aber auf eine andere Weise, als er sich das vorgestellt hat.
Wie sieht Ihr Verhältnis zur Geschäftsleitung aus?
Ich habe ein gutes Verhältnis zu unserer CEO Ursula Burns, die gelernte Ingenieurin ist. Vor Kurzem erst hat sie zu mir gesagt: Ich verstehe nichts von diesem IT-Zeug, kümmere du dich darum. Das ist das richtige Mindset: Vertrauen zwischen Business und IT. Sie vertraut mir, weil ich in der Lage bin, in verständlicher Sprache zu erklären, was Xerox im IT-Bereich tun sollte.
Und was sollte Xerox tun?
Kurz gesagt: Die verschiedenen IT-Systeme vereinfachen und zusammenführen. Wir haben alleine im Legacy-Bereich 1.800 Applikationen im Einsatz. Diejenigen von ihnen, die gut funktionieren, nehmen wir als Basis, einige andere, deren Betrieb und Wartung für uns sehr schwierig und teuer sind, wollen wir eliminieren und durch modernere Lösungen ersetzen.
1.800 Applikationen nur im Legacy-Bereich: Wieviele sind es insgesamt?
Das weiß ich nicht genau. Tausende.
Das ist interessant. IT-Anbieter erklären ihren Kunden ja seit Jahren, dass sie ihre IT-Landschaft vereinheitlichen sollten und Xerox macht es erst jetzt. Wie kommt das?
Ich denke, dass Xerox das versucht hat, aber nicht besonders erfolgreich dabei war. Es gab einige große IT-Projekte, die nicht so gut gemanaged wurden, wie es hätte sein sollen. Der Unterschied jetzt sind saubere Governance-Prozesse und mehr Kompetenz im Bereich Projektmanagement. Ich sage immer: Projektmanagement ist sehr einfach, aber Projekte zu managen ist schwierig. Und Projektmanagement ist meiner Meinung nach eine der wichtigsten Fähigkeiten eines CIO.
Haben IT-Organisationen Ihrer Meinung nach generell Aufholbedarf im Bereich Projektmanagement?
Ja. Wenn IT-bezogene Probleme auftauchen, egal ob intern oder bei Kunden, dann liegt das meiner Erfahrung nach so gut wie immer an fehlender Disziplin im Projektmanagement. Natürlich gibt es auch das eine oder andere technische Problem aber generell geht es um sauberes Projektmanagement und Projekt-Governance. Wir müssen als IT-Abteilung die Business-Anforderungen möglichst gut verstehen, damit wir in der Lage sind, den externen und internen Partnern oder Kunden verständlich zu erklären, was wir ihnen liefern. Anschließend geht es darum, einen Prozess zu etablieren, der sicherstellt, dass wir auch tatsächlich das liefern, was gewünscht ist.
Hört sich eigentlich einfach an.
Projektmanagement ist eigentlich auch einfach. Es gibt klare Regeln und Vorgaben – nur muss man sich auch daran halten. Unglücklicherweise versuchen Leute oft, kreatives Denken in einen Prozess einfließen zu lassen, bei dem es nicht angebracht ist. Gutes Projektmanagement braucht vor allem Disziplin und konsequentes Vorgehen.
In welchen anderen Bereichen haben IT-Organisationen noch Aufholbedarf?
Wir brauchen mehr Beratungs-Skills und eine engere Zusammenarbeit zwischen Business und IT. Es geht darum, dass die IT-Mitarbeiter, die die Anforderungen des Business erheben, wirklich verstehen, warum das Business etwas tun will – und zwar nicht nur verstehen, was das Business will, sondern warum sie es wollen. Anschließend kann man dann gemeinsam überlegen, ob es vielleicht einen besseren Weg gibt, die Ziele zu erreichen. Das versuche ich meinen Leuten beizubringen: die Fähigkeit zuzuhören, zu beraten und die richtigen Leute einzubinden.
Wie wird dieses Business-IT-Alignment bei Xerox konkret umgesetzt?
Wir haben zu diesem Zweck sogenannte Business Relationship Manager eingeführt. Das sind Mitarbeiter aus der IT, die mit dem Business arbeiten und auch in den Fachabteilungen sitzen. Diese Business Relationship Manager nehmen an Business-Meetings teil, schauen sich an, wie die Leute in den Fachabteilungen arbeiten und welche Lösungen die brauchen und geben dann regelmäßig Feedback an die IT. Zusätzlich haben wir einen eigenen Prozess etabliert, um diese Verbesserungsvorschläge zu managen.
Sie haben vorhin von Vertrauen zwischen Business und IT gesprochen. Wie entsteht dieses Vertrauen?
Das Wichtigste ist: Wenn wir als IT einmal zugestimmt haben, etwas zu tun, dann müssen wir das auch umsetzen. Tun wir das nicht, dann entsteht kein Vertrauen auf der Business-Seite und es wird keine Wertschätzung für die IT geben. Es ist faszinierend, wie oft IT-Abteilungen, auch die von Xerox, Projekten zustimmen, von denen sie eigentlich wissen, dass sie in der Form nicht machbar sind. Das ist kontraproduktiv und natürlich ist dann die IT schuld. Es muss daher für eine IT-Abteilung möglich sein, auch mal „Nein“ zu sagen. Das führt natürlich zu Diskussionen. Aber es ist viel besser, diese Diskussionen im Vorfeld zu führen und sich auf eine gemeinsame Lösung zu einigen. Das bringt weit mehr als sich hinterher gegenseitig die Schuld in die Schuhe zu schieben.
Wie ist das Feedback der Xerox-Mitarbeiter? Sind die mit ihrer IT zufrieden?
Die sind niemals zufrieden. Die IT kann gar nie schnell, günstig und intelligent genug sein. Das ist die harte Realität eines CIO. Es gibt natürlich immer Spielraum nach oben, aber alles in allem verstehen die Xerox-Mitarbeiter die IT-Strategie und ich denke, dass wir positiv wahrgenommen werden. Der große Wermutstropfen in diesem Zusammenhang ist, dass IT-Kosten allgemein als administrative Ausgaben betrachtet werden, die man möglichst senken sollte. Nehmen wir als Gegenbeispiel den Bereich Forschung und Entwicklung: Ein steigendes F&E-Budget wird als etwas Positives gesehen – je mehr man dafür ausgibt, desto besser. Doch wenn man bedenkt, wie sehr IT heute alle Bereiche des Lebens durchdringt, nicht nur im Geschäftsleben, dann kann man Unternehmen nur raten, mehr Geld für IT auszugeben, und das sollte dann auch als etwas Positives gesehen werden. Natürlich muss man das IT-Budget sinnvoll ausgeben, muss sich auf das Wesentliche konzentrieren, Komplexität herausnehmen, die Produktivität erhöhen, aber generell ist mehr IT-Budget für ein Unternehmen eine gute Sache.
Das Gespräch führte Oliver Weiss.
Stephen Little
Stephen Little ist seit Jänner 2014 Global CIO von Xerox. Er verfügt über rund 40 Jahre Erfahrung im IT-Bereich und hatte im Laufe seiner Karriere verschiedene IT-Führungspositionen inne. Unter anderem war Little, der Industrial Management und Business Administration studiert hat, vor Xerox als CIO von Schneider Electric bzw. als Director of Infrastructure Services bei ITT tätig.
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