Eine Art digitales Bargeld

Nach einer zweijährigen Untersuchungsphase der Europäischen Zentralbank hat die EU-Kommission jetzt im Juni 2023 einen Gesetzesvorschlag zur Einführung des digitalen Euro vorgelegt und leitet die nächste Phase des digitalen Währungsprojekts ein. [...]

Einführungsphase des digitalen Euro gestartet (c) Gerd Altmann / Pixabay
Einführungsphase des digitalen Euro gestartet (c) Gerd Altmann / Pixabay

Die Entwicklung einer digitalen digitalen Variante der Euro-Währung ist kein Projekt mit Alleinstellungsmerkmal, arbeiten doch gegenwärtig 115 Notenbanken an digitalen Versionen ihrer Landeswährungen, darunter etwa die US-Nationalbank Fed, die Bank of Canada, die Bank of Japan, die chinesische Zentralbank, die Reserve Bank of India, die Bank of England, die Banque de France und die Schweizerische Nationalbank. Davon sind die Chinesen, die Inder, die Kanadier, die Franzosen und die Schweizer bereits in der Pilotphase. Die Bestrebungen der genannten Nationalbanken sind auch ein Grund, warum die EU an einem digitalen Euro arbeitet: Denn wenn andere Zentralbankwährungen in größerem Stil für grenzüberschreitende Zahlungen genutzt werden, riskiert man, dass der Euro – gegenwärtig nach dem US-Dollar die weltweit zweitwichtigste Währung – ins Hintertreffen gerät. Wer übrigens wissen will, welche Länder welche Projekte bezüglich digitalem Geld verfolgen und wie weit sie dabei bereits fortgeschritten sind, dem sei die Website CBDC-Tracker (CBDC = Central Bank Digital Currency) unter https://cbdctracker.org empfohlen. Außerdem will die EU-Kommission verhindern, dass der Euro in eine Konkurrenzsituation mit sogenannten Stablecoins (Das sind Kryptowährungen, deren Preis durch aktive oder automatische Preisbindungsmechanismen mit dem Ziel geringer Abweichungen in Bezug auf eine nationale Währung, einen Währungskorb oder andere Vermögenswerte gesteuert wird. Die meisten Stablecoins bilden Fiat-Währungen wie Euro oder US-Dollar ab.) kommt und die monetäre Souveränitat des europäischen Finanzsektors gefährdet. Wichtig: Der digitale Euro ist keine Kryptowährung wie beispielsweise der Bitcoin, wobei der Begriff Währung nur auf den Euro zutrifft, nicht auf den Bitcoin, der ja eben nicht von einer Zentralbank ausgegeben wird. Das Mining, also das Schürfen neuer Bitcoins mittels komplizierter mathematischer Aufgaben, benötigt zudem äußerst viel Strom und ist extrem umweltschädlich. Hier versichert die EZB, dass eigenen Tests zufolge der Energieverbrauch für die Durchführung zehntausender Transaktionen pro Sekunde bei den getesteten Architekturen im Vergleich zu Krypto-Assets wie Bitcoin vernachlässigbar sei und spricht von einer umweltfreundlichen Kerninfrastruktur für den digitalen Euro.

Zurück zu den Bestrebungen der diversen Zentralbanken eine digitale Variante ihrer Währung zu schaffen: Hier sind die Chinesen mit ihrer digitalen Währung bereits weit fortgeschritten, doch befinden sie sich nach wie vor in der Pilotphase. Einzig die Central Bank of Nigeria hat ernst gemacht und mit dem e-Naira tatsächlich eine digitale Währung offiziell gestartet – allerdings mit bisher überschaubarer Akzeptanz bei der Bevölkerung. Es zeigt sich, wie das auch beim digitalen Euro der Fall ist, dass die technische Umsetzung das eine ist, die Vorteile der Nutzung einer digitalen Währung aber der Bevölkerung verständlich kommuniziert werden müssen, damit diese auch angenommen wird.

Eine weitere, vielleicht noch stärkere Motivation für den digitalen Euro seitens der EU ist, diesen als europäische Antwort auf die amerikanischen Online-Zahldienstleister wie Visa, MasterCard, Apple Pay, Google Pay oder Paypal zu positionieren, da man den elektronischen Zahlungsverkahr nicht völlig diesen Institutionen überlassen will. Insbesondere während der Corona-Pandemie wurde verstärkt mit Karten bezahlt – ein Trend, der sich auch nach Ende der Pandemie fortsetzt. Das Währungssystem soll daher mit dem digitalen Wandel Schritt halten und es soll mit dem digitalen Euro eine kostenlose elektronische Zahlungslösung angeboten werden. 

Ganz wichtig: Auch beim digitalen Euro handelt es sich um Zentralbankgeld, also CBDC. Die EU-Kommission betont, dass ungeachtet seiner Form – bar oder digital – ein Euro stets ein Euro ist und bleibt.

Verschiedene Geldformen 

Es gibt Unterschiede zwischen den Erscheinungsformen des Geldes: Im E-Commerce wird Geschäftsbankengeld verwendet – und zwar in Form von Giralgeld, also Geld, das sich auf einem Konto befindet. Genaugenommen handelt es sich um eine Forderung auf Bargeld – gezahlt wird, indem die entsprechenden Summen mittels Buchungen von Girokonto zu Girokonto übertragen werden. Kommt die Hausbank in wirtschaftliche Schwierigkeiten und muss zusperren, ist auch das Guthaben auf dem Konto weg (es sei denn der Staat haftet für eine gewisse Summe).

Das Bargeld andererseits ist Zentralbankgeld, für das die Zentralbank gerade steht. Bargeld kann direkt zwischen zwei Menschen beziehungsweise zwei Parteien ausgetauscht werden und braucht keinen Vermittler (Intermediär) wie eine Bank. Zudem ist es ein vollkommen anonymes Zahlungsmittel. Übrigens: Das auf dem Chip der Bankomatkarte gespeicherte Geld ist ebenfalls Giralgeld und kein digitaler Euro – es erhöht jedoch die Anonymität des Bezahlvorganges. Allerdings wird diese Zahlung mittlerweile nur mehr sehr selten genutzt.

Wer die eingangs erwähnte Liste von Zentralbanken, die an einer digitalen Währungsvariante arbeiten, aufmerksam durchgelesen hat, wird sich vielleicht gewundert haben, dass sich auch die französische Zentralbank in dieser Aufzählung befindet, gehört doch Frankreich zur Eurozone. Dazu muss man wissen, dass es zwei CBDC-Konzepte gibt: Wholesale und Retail. Beim Wholesale CBDC werden die digitalen Zentralbankreserven nur Finanzinstituten zugänglich gemacht, beim Retail CBDC (jener Form, der der digitale Euro zuzuzählen ist) wird Endkunden (natürlichen Personen, Unternehmen und staatlichen Behörden) ein direkter Zugang zu digitalem Zentralbankgeld ermöglicht. Und Frankreich oder auch Kanada verfolgen eben auch Wholsale-Konzepte. Beim chinesischen Pilot handelt es sich jedoch um Retail CBDC. 

Wie funktioniert der digitale Euro?

Gespeichert wird der digitale Euro in einer Geldbörsen-App, auf englisch auch als Wallet bezeichnet. Ob das im Rahmen der App der jeweiligen Hausbank geschieht, oder mittels einer Karte analog der Bankomartkarte oder ob der digitale Euro für Bürger und Bürgerinnen direkt von der Zentralbank etwa über ein eigenes EZB-Konto zur Verfügung gestellt wird –diese Fragen sind noch nicht geklärt. Jedenfalls soll die Zahlung mit dem digitalen Euro für die Bevölkerung kostenlos sein. In den EU-Staaten haben geschätzt fünf Prozent der erwachsenen Bürger kein Bankkonto, doch auch für diese Menschen muss der Zugang zum digitalen Euro möglich sein. Hier sind die einzelnen Mitgliedstaaten gefordert, Lösungen zu finden.

Für die digitalen Euro im Wallet gibt es übrigens keine Zinsen. Zudem soll der digitale Euro ganz bewussst kein Mittel der Geldanlage und Aufbewahrung sein. So könnte man ja sein ganzes Vermögen als digitale Euros auf einer Wallet speichern und bräuchte in letzter Konsequenz keine Konten und vielleicht auch weniger Bankdienstleistungen mehr. Wenn jedenfalls zuviel Geld von den Privatbanken zur EZB fließt, könnte dies wiederum zu Liquiditätsengpässen bei den Bankinstituten führen. Deswegen plant man Obergrenzen zu schaffen, wieviele digitale Euros im Wallet gespeichert werden können. Hier ist noch nichts fixiert, Obergrenzen zwischen 500 und 5.000 Euro werden diskutiert und sind möglich.

Der digitale Euro soll eine 1:1-Entsprechung des Bargelds im virtuellen Raum sein, quasi digitales Bargeld. Das heißt, es muss jedenfalls gewährleistet sein, dass damit auch anonym bezahlt werden kann. Deswegen gibt es einen Online- und einen Offline-Modus. Im letzteren wird die Privatsphäre geschützt, es erfolgt, anders als beim Online-Modus, kein Zugriff auf personenbezogenen Daten und die Zahlung ist nur dem Zahlenden und dem Zahlungsempfänger bekannt. Das ist nicht bei jeder CBDC so. Es gibt Stimmen, die meinen, dass der digitale Renminbi, die chinesische CBDC, zur Überwachung der Zahlungen der Bevölkerung eingesetzt wird.

Wer kann also den digitalen Euro verwenden? Die Frage ist berechtig, denn anders als beim Euro-Bargeld müssten Nutzer des digitalen Euro über ein spezielles Konto (vielleicht gar bei der EZB) verfügen. Nach dem von der Europäischen Kommission vorgelegten Legislativvorschlag und im Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum festgelegt, soll der digitale Euro natürlich für Personen mit Aufenthalt oder Niederlassung im Euroraum bereitgestellt werden. Auch Menschen, die früher ihren Aufenthalt oder ihre Niederlassung in einem Land des Euroraums hatten, könnten ein Konto für den digitalen Euro haben. Auch Wirtschaftstreibene außerhalb des Euroraums könnte Zahlungen in digitalen Euro entgegennehmen. Sie bräuchten dazu ein Konto bei einem Zahlungsdienstleister aus dem Euroraum.

Die rechtlichen Grundlagen werden zudem weiterentwickelt, sodass auch Konsumentinnen und Konsumenten sowie der Handel im Europäischen Wirtschaftsraum, also EU-Länder mit anderer Währung als den Euro wie z.B. Dänemark oder Schweden, Zugang zum digitalen Euro erhalten. Grundsätzlich ist das auch für Konsumenten und Handel ausgewählter Drittländern denkbar.

Wann kommt der digitale Euro?

Auch wenn schon lange über den digitalen Euro gesprochen wird und die EU-Kommission am 28. Juni 2023 den Gesetzesvorschlag zur Einführung vorgelegt hat, liegt die letztgültige Entscheidung bei der Europäischen Zentralbank (EZB). So ist zum einen die zweijährige Untersuchungsphase zum digitalen Euro erst im Oktober 2023 abgeschlossen. Danach entscheidet die EZB, ob sie in die nächste, die sogenannte Vorbereitungsphase eintritt.

Der Gesetzesvorschlag der EU-Kommission muss indessen auch das Europäische Parlament und den Rat passieren. Hier können sich noch einige Änderungen ergeben. Ist alles beschlossen und geregelt, entscheidet die EZB, ob und wann sie den digitalen Euro einführt. Nach höchst ambitionierten Schätzungen könnte das bereits Ende 2026 sein, viele Experten sehen aber 2028 als Einführungsjahr als realistischer an.

Ganz wichtig ist allen Beteiligten zu betonen, dass der digitale Euro das Bargeld nur ergänzen, sicher aber nicht ersetzen werde. Das ist auch vertraglich festgehalten. Sollte der digitale Euro jedoch kommen und sich einer großen Akzeptanz bei der Bevölkerung erfreuen, werden digitale Bezahlvorgänge im Vergleich zu Bargeld weiterhin zunehmen.


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