Thomas Baach meistert den Spagat zwischen Transformation und Stabilität in einer groß angelegten organisatorischen und technischen Modernisierung. [...]
Digitalisierung, Wirtschaftskrise, Klimawandel, die Versicherungsbranche erfährt derzeit massive Veränderungen. Was bedeutet das für Ihr Unternehmen?
Die Allianz Technology ist der IT-Backbone für das Allianz Versicherungsgeschäft und damit stehen wir naturgemäß im Zentrum der Digitalisierung. Sie verändert die Versicherungsbranche grundlegend und erfordert nachhaltige Investitionen in Online-Plattformen, mobile Apps, Datenanalyse, AI und IT-Sicherheit. Als Versicherungsunternehmen müssen wir – ähnlich wie Banken – nicht nur die Erwartungen unserer Kunden nach einer nahtlosen Online-Erfahrung erfüllen, sondern auch durch Digitalisierung und Automatisierung die innerbetrieblichen Abläufe effizienter gestalten.
Wirtschaftskrise und Klimawandel haben unterschiedliche Auswirkungen. Kunden schließen zum Beispiel weniger Versicherungen ab und kündigen bestehende Polizzen, um Kosten zu sparen. Oder sie schließen andere Versicherungsarten ab. Zum Beispiel haben Gastwirte während der Pandemie verstärkt Betriebsschließungsversicherungen zum Schutz gegen Umsatzausfälle nachgefragt. Ein weiterer wichtiger Faktor ist der Klimawandel, der zu vermehrten Schadensregulierungen aufgrund extremer Wetterereignisse führt. Wir müssen uns bewusst sein, dass Versicherungsprämien für gefährdete Gebiete steigen könnten und bestimmte Risiken möglicherweise unversicherbar werden.
Wie wirken sich die aktuellen Krisen auf das Business von Allianz Technology aus?
Hier würde ich gerne an die vorherige Antwort anknüpfen. Wirtschaftskrisen verstärken vor allem den Veränderungsdruck in Richtung Effizienz. In solchen Zeiten braucht es ein geschärftes Bewusstsein für die Balance zwischen Benefits und Kosten. IT-Innovation hat ein Preisschild und dem gegenüber muss ein erlebbarer Mehrwert stehen – und zwar aus Sicht der Kunden! Außerdem muss man die Kostentreiber adressieren. Diese sind häufig Mangel an Transparenz, redundante Anforderungen und historisch gewachsene, dezentrale Einheiten sowie eine Vielfalt an IT-Systemen.
Wie sehr haben sich die Anforderungen an die IT der Allianz Technology in den letzten Jahren verändert?
Die Digitalisierung und die Innovationstrends im IT-Sektor haben zu einem Wandel in der Allianz Technology vor allem in den Bereichen Organisation und technischer Architektur geführt. In meiner Rolle als Geschäftsführer der Allianz Technology GmbH in Wien habe ich eine Rundum-Erneuerung der IT-Organisation erfolgreich durchgeführt, die sozusagen das »Software-Herz« der Allianz bildet, weil sie die Kernversicherungsplattform entwickelt. Die Transformation war notwendig, da die Organisation viele Entwicklungsschritte – z.B., die Implementierung erster agiler Piloten oder Umsetzung erster Konzepte zur technischen Modernisierung des IT-Systems – nicht oder unzureichend durchlaufen hatte. Wir haben darauf reagiert, indem wir Organisationseinheiten zusammengelegt, agilisiert und mit der technischen Modularisierung des monolithischen Kernversicherungssystems begonnen haben. Zudem haben wir die Renovierung des User Interfaces vorgenommen sowie die Implementierung von end2end-Customer Journeys. Auch unsere Codebasis in PL1 werden wir durch ein modernes Java Coding Framework ablösen. Programme werden archiviert, die nicht mehr verwendet werden. Grundsätzlich haben wir auch die Bereitstellung unserer Infrastruktur mit Hilfe von Cloud Technologien modernisiert.
Wie hat sich auch Ihre Rolle als CIO in den letzten Jahren gewandelt? Wieviel Prozent machen die Bereiche Technik, Strategie, Compliance/Recht bei Ihrer Arbeit aus?
Als CIO habe ich miterlebt, wie sich meine Rolle in den letzten Jahren stark gewandelt hat. Als ich 2019 die Verantwortung für die Auslieferung einer gesamtheitlichen Versicherungsplattform übernommen hatte, war es das Ziel, die unterschiedlichen Sub-Services auf Knopfdruck integriert und vorkonfiguriert unseren Kunden zur Verfügung zu stellen. Die Kernversicherungssoftware war dabei eine wichtige Komponente, aber die beteiligten Einheiten für die Kern-Versicherungsplattform (Standort Wien) und für die Umsysteme (Standorte Barcelona, Pune, Trivandrum, Bangkok) waren noch separate Einheiten. Das hat sich als zu umständlich herausgestellt. Auch architekturelle Komplexität hat uns Geschwindigkeit gekostet. Deshalb mussten wir, wie bereits beschrieben, fundamentalere Veränderungen vornehmen.
Wie gehen Sie an IT-Projekte heran und wie sieht Ihre Strategie aus? Wie gestalten Sie die Rolle des CIO?
Mir ist es eine Herzensangelegenheit, dass die Strategie der Allianz Technology von allen Mitarbeitern verstanden und gelebt wird. Ich lege daher großen Wert auf Dialog und nehme mir viel Zeit für Kommunikation mit meinen Führungskräften und Mitarbeitern, um gemeinsam neue Wege zu beschreiten. Es wird auch immer wichtiger ein attraktiver Arbeitgeber zu sein, denn unsere Mitarbeiter vergleichen uns mit anderen Unternehmen (u.a. Start-ups). Sie wollen mitgestalten und sie wollen mit modernen Technologien arbeiten, was mich gleich zum nächsten Punkt führt.
Der Einsatz von neuen Technologien spielt sowohl für unsere Mitarbeiter als auch unsere Kunden bzw. den Versicherungsendkunden eine immer größere Rolle. Zum einen wollen wir uns als Vorreiter am Markt wettbewerbsfähig positionieren und uns mit externen Benchmarks messen können. Zum anderen wollen wir von unseren Kunden als Frontrunner gesehen werden und die Versicherungskunden vergleichen mit großen Technologie-Anbietern wie Facebook oder Amazon. Konkretes Beispiel: Wenn ein Kunde ein Passwort ändern will, darf kein Batch mehr im Hintergrund ablaufen, sondern es muss in real-time passieren und das Ergebnis für den Benutzer unmittelbar ersichtlich sein.
Welche Fähigkeiten muss ein moderner CIO haben?
Ein moderner CIO muss aus meiner Sicht ein ziemlich breit gefächertes Spektrum an Fähigkeiten haben. Dazu gehören ein technisches Grundverständnis mit Blick auf Cloud Computing, technischer Architektur, Operations, künstlicher Intelligenz und Cybersecurity. Darüber hinaus ist strategisches Denkvermögen wichtig, um IT-Initiativen zu entwickeln, die die Geschäfts- und Strategieziele voranbringen. Nicht zu vernachlässigen sind Kommunikations- und Führungsfähigkeiten, um eine gute Zusammenarbeit mit den vielen Stakeholdern zu ermöglichen. Innovations- und Veränderungsbereitschaft sind notwendig, um Chancen zu erkennen und Technologietrends zu nutzen. Gutes Projektmanagement und Risikomanagementfähigkeiten runden das Profil ab.
Künstliche Intelligenz gilt als der Toptrend 2023. Haben Sie in Ihrem Unternehmen schon Projekte umgesetzt und wenn ja in welchen Bereichen?
Das Thema KI spielt für uns natürlich eine große Rolle. In Zukunft soll die Datennutzung für unsere Versicherungsplattform revolutioniert werden und wir werden unser Datenbankmodell erheblich erweitern, auch durch das Hinzuziehen externer Quellen und den Einsatz von KI, um beispielsweise die Vorhersehbarkeit für das Eintreten von Schadensfällen zu verbessern. Neben KI sehe ich auch noch personalisierte Versicherungsprodukte als großen Trend für unsere Branche, um den Absatzmarkt zu vergrößern – zum Beispiel auf Knopfdruck abschließbare Versicherungen für Wintersportler während eines Skiausflugs. KI hilft uns heute bereits bei der Schadenanlage um die Korrektheit von Bildern, möglichen Fraud oder die Haftung bei einem Autounfall zu verifizieren.
Welche Rolle spielt die Cloud im Transformationsprozess?
An Cloud kommt heute niemand mehr vorbei, weil sie so viele Vorteile bietet. Die Nutzung von Cloud-Technologien ermöglicht es uns, unsere Betriebsabläufe zu schärfen, Flexibilität zu erhöhen und aktiv Innovationen wie KI oder Big Data zu forcieren. Cloud-Technologien bieten Skalierbarkeit von Ressourcen, sodass wir unsere Infrastruktur schnell anpassen können. Sie hilft uns auch, Time-to-Market erheblich zu verkürzen, so dass wir unsere Kunden schneller mit neuen bzw. verbesserten Produkten bedienen können. Durch die Cloud wird auch die Zusammenarbeit und der Austausch von Informationen gefördert, da sie real-time Kommunikation in unserem Datenmodell und geteilte Nutzung von Daten ermöglicht. Und schließlich spielt Cloud auch im Security Bereich eine wichtige Rolle, um Unternehmensdaten zu schützen und Cyberbedrohungen zu bekämpfen.
Welchen Stellenwert hat IT-Security in Ihrem Unternehmen und welche Maßnahmen werden gesetzt?
Als IT-Versicherungsunternehmen muss man auf IT-Security jeden Tag aufs Neue ein sehr scharfes Auge haben – ähnlich wie im Banking. Wir setzen auf umfassende und gut orchestrierte Maßnahmen, um die Sicherheit zu gewährleisten. Dazu zählen eine robuste Sicherheitsarchitektur mit Firewalls, Intrusion Detection Systems und Verschlüsselungstechnologien. Durch regelmäßige Sicherheitsaudits, denen wir uns unterziehen müssen, sowie Penetrationstests und Sicherheitsschulungen stellen wir eine Absicherung aus allen Blickwinkeln sicher. Unser Ziel ist es, den Cyber Attacker immer einen Schritt voraus zu sein.
Wie beurteilen Sie die derzeitige Situation beim Thema Fachkräftemangel und wie bzw. wo finden Sie gut ausgebildete Mitarbeiter?
Unternehmen müssen meiner Meinung nach unterschiedliche Maßnahmen ergreifen, um qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen. Durch unsere globale Aufstellung in Österreich, Indien, Spanien und Thailand haben wir zwar die Möglichkeit, international zu rekrutieren, aber das allein ist keine Lösung. Vor allem ist es wichtig, die Mitarbeiter auch zu halten, denn bei zu viel Wechsel wird eine IT-Organisation schnell instabil. Ich erachte es als essenziell, ein attraktives Arbeitsumfeld, Karrierechancen und wettbewerbsfähige Gehälter zu bieten. Beispielsweise hat jeder Mitarbeiter bei uns die Möglichkeit, sich in verschiedene Rollen zu entwickeln, um mehrdimensionale Erfahrungen sammeln zu können. Ebenso bieten wir ein flexibles (Stichwort Homeoffice) und individuell angepasstes Karrieremodell, Teilzeit, Sabbatical, vielfältige Trainingsmöglichkeiten etc. Als IT-Unternehmen müssen wir aber noch bei einem anderen Thema punkten: Technologie-Experten wollen mit modernen Technologien arbeiten und sie wollen Weiterbildungsangeboten bzw. Zertifizierungen, die Marktwert haben. All das braucht es, um sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren.
Was bedeutet die Auszeichnung zum Top CIO für Sie persönlich?
Diese Auszeichnung ist für meine ganze Organisation eine große Anerkennung. Transformation und Veränderungen in unserer Größenordnung sind ein Kraftakt ähnlich einer anstrengenden Berg-Etappe. Diese Auszeichnung ist ein bedeutsames Zeichen dafür, dass wir auf dem richtigen Weg sind und es sich lohnt, neue Wege zu gehen. Außerdem verspreche ich mir davon eine Signalwirkung auf dem Arbeitsmarkt für IT-Fachkräfte. Dort werden wir als Versicherer – zu Unrecht – immer noch als ein bißchen »verstaubt« wahrgenommen.
Welche Tipps haben Sie für angehende CIO?
Das ist keine leichte Frage und die Antwort soll auch nicht vermessen klingen. Vielleicht nur: Bleibt als Mensch immer authentisch und nur wer die Basics – Qualität, Stabilität, Kosten – beherrscht, kann sich auch als strategischer Co-Pilot und Innovationspartner beim Kunden und bei den Stakeholdern positionieren.
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