ELGA ist bloß ein teurer Etikettenschwindel!

Die COMPUTERWELT sprach mit dem Obmann von Arge Daten, Hans Zeger, über die Treiber von ELGA, den Schwächen und den möglichen Alternativen zu einem sehr österreichischen System. [...]

Computerwelt: Sollte nicht jede Maßnahme, die die ­aktuelle Situation im Gesundheitswesen verbessert, mit offenen Armen begrüßt werden? Warum stößt ELGA auf so wenig Gegenliebe? Hans Zeger: Wenn etwas gut ist, braucht man keine Zwangsmaßnahmen, man würde es gerne annehmen. Das aktuelle ELGA-System ist ein Etikettenschwindel. Es steht zwar effiziente Verwaltung von Krankengeschichten drauf, in Wahrheit ist es aber ein bürokratisches Kontrollsystem. Wenn man sich zudem ansieht, wer die Treiber sind, fühlt man sich bestätigt. Diese sind die Sozialversicherungen und die Länder als Spitalserhalter. Im Vordergrund steht nicht das Heilungsinteresse, sondern Kostenmanagement.
Gerade im Gesundheitswesen ist der Kostendruck immens. Kosten spare ich ein, indem ich die Strukturen so anpasse, dass sie zeitgemäß sind. Kosten spare ich nicht dadurch ein, dass ich das Herumgezerre zwischen den Kostenträgern – wer zahlt was – quasi auf höherem Niveau verwalte. Beispiel: Wenn die Befundung im Spital stattfindet, zahlt dieses. Wird die Befundung in einem eigenständigen Labor gemacht, zahlt die Sozialversicherung. Die Folgen: Die Spitäler haben ihre Befundungseinrichtungen ausgelagert, damit die Länder Kosten sparen können, weil diese von den Sozialversicherungen übernommen werden. Und die Sozialversicherungen versuchen zu sparen, indem sie zum Beispiel den Druck auf die Ärzte erhöhen, Patienten so schnell wie möglich an das Spital zu überweisen. Und das soll mit ELGA besser verwaltet werden als bisher. Das ist keine Kostenersparnis, das ist ­Bürokratismus auf hohem Niveau, der selbst hohe Kosten verursacht.
Ihre Kritikpunkte bei den Sicherheitsrichtlinien von ELGA sind unter anderem die wenig konkreten Vorgaben. Mein Verständnis von Zielformulierungen ist, dass sie operativ sind. Sonst sind es Sonntagsreden. Das kann keine Grundlage für die technische Realisierung sein. Eine erfolgreiche Umsetzung besteht aus drei Teilen, das Signaturgesetz ist ein gutes Beispiel dafür, wie man technische ­Lösungen machen kann. Im Gesetz steht, welche Mindeststandards zu erfüllen sind, z.B. welche Verschlüsselung zu verwenden ist. Die Verordnung sagt wiederum, welche Algorithmen zur Anwendung kommen sollen, z.B. RSA 1532. Die Leitlinien, die ein Pflichtenheft darstellen, gehen weiter in die Tiefe. Hier steht, mit welchen System und Produkten all das technisch zu implementieren ist. ELGA hat vor sechs Jahren bei Null begonnen. Wir sind immer noch bei Null.
Wir würden Sie das aktuelle ELGA-System bezeichnen? Es ist die Verknüpfung der schlechten Seiten zweier Welten. ELGA ist ein zentrales System mit dezentraler Speicherung. Bin ich in ELGA einmal drinnen, verhält es sich so, als ob es eine zentrale Einrichtung wäre. Wenn ich es knacke, dann habe ich den Jackpot. Da es auch dezentral ist, muss ich mit viel mehr Angriffsstellen als bei einem zentralen System leben. Ein weiterer Nachteil: Es kann vieles passieren, ein Server fällt aus, die Leitung ist unterbrochen, Software-Fehler treten auf. Für den Missbrauchsfall ist das kein Nachteil: Wer auf eine Million Gesundheitsdaten zugreifen will, kann gerne auf den einen oder anderen Datensatz verzichten. Braucht aber der Arzt zu einer bestimmten Zeit einen bestimmten Datensatz – und er keinen Zugriff hat –, dann gibt es Probleme.
Wie könnte man es anders machen? Mein Credo: Man macht eine zentrale Verwaltung der Gesundheitsdaten mit sehr strengen Auflagen, was Sicherheitsstandards betrifft, mit einer einheitlichen Schnittstelle, damit der Arzt nicht mit unterschiedlichen Systemen überfordert wird, und mit den gleichen Standards, wie die medizinischen Dokumente abgelegt werden. Jeder, der diese Auflagen nachweislich erfüllt, kann als zentrale Plattform für Patientendaten dienen. Im Zuge des E-Health-Booms der letzten Jahre sind einige Plattformen entstanden. Dem Patienten steht es frei, sich für ein Online-Archiv zu entscheiden, wo alle seine Daten zusammenlaufen. Und dem Arzt steht es ebenso frei, diesen Service anzubieten oder auch nicht. Unter diesen Voraussetzungen wäre ein sehr schlankes ELGA-Gesetz möglich, das die wenigen notwendigen Rahmenbedingungen vorgibt.
Das Gespräch führte Wolfgang Franz.


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