Die Standortagentur Tirol ist eine Einrichtung des Landes Tirol mit dem Auftrag, den Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort nachhaltig zu stärken, um dadurch bestehende Arbeitsplätze zu sichern und neue Arbeitsplätze im Land zu schaffen. [...]
Franz Unterluggauer ist Cluster Manager für Informationstechnologien in der Standortagentur Tirol und hat mit der COMPUTERWELT über den IKT-Standort Tirol und den Fachkräftemangel im Land gesprochen.
Was sind aus ihrer Sicht die Stärken des IKT-Standortes Tirol?
Franz Unterluggauer Die IKT ist eine klassische Querschnittstechnologie und kann diese Stärke in Tirol optimal ausspielen: Tirol ist in Wirtschaft und Wissenschaft stark im Kompetenzdreieck Technologie – Gesundheit – Tourismus. In diesem breiten Feld spielt die IT mit modernen technischen Lösungen eine zentrale Rolle für das Wachstum. Durch innovative Entwicklungen über die Branchengrenzen hinweg kommen etwa touristische Entwicklungen und moderne Kommunikations- und Sicherheitslösungen mit globaler Reichweite aus Tirol.
So ist es etwa ein Tiroler Unternehmen, das eine technische Nahtstelle für Buchungen direkt aus einer Google-Suche erlaubt.
Die Tiroler IT-Unternehmen arbeiten eng mit der Forschung zusammen und entwickeln erfolgreich hoch innovative Produkte mit exzellenter Qualität: Ein Viertel aller durch die Tiroler Technologieförderung unterstützten F&E-Projekte kommt aus dem Bereich IT. Und die Tiroler IT-Unternehmen arbeiten ebenso dienstleistungsortientiert wie pragmatisch, weil sie aufgrund ihrer Struktur als kleine und mittlere Betriebe agil und rasch auf Marktveränderungen und Technologiesprünge reagieren.
Wo gibt es Aufholbedarf?
Wir wollen die oben beschriebene Durchlässigkeit zwischen IT und benachbarten Branchen durch gezielte Maßnahmen noch ausbauen, weil hier für alle Beteiligten großes Potenzial steckt. Wir denken da zum Beispiel an Schneetechnologien mit der Vernetzung von Leitsystemen, Business-Prozess-Manangement und die Integration von Enterprise Software, neue Energienutzungs- und -verwertungskonzepte oder auch an die Unterstützung, welche die IT vor dem Hintergrund des Demographischen Wandels im täglichen Leben leisten kann, etwa bei altersgerechten Assistenzsystemen (Ambient Assisted Living).
Auch die breite Verwertung öffentlicher Verwaltungsdaten ist hier ein Thema, das wir im Cluster aktiv vorantreiben und wo wir erste Vorzeigeprojekte umgesetzt haben. Dasselbe gilt in der Produktion und im produktionsnahen Bereich, also beim Thema Industrie 4.0.
Wie war das abgelaufene Geschäftsjahr für Ihr Unternehmen und was haben Sie für Erwartungen für 2015?
Trotz der angespannten internationalen Wirtschaftslage sehen viele Unternehmen und Kunden die Chancen in den neuen Technologien und investieren gerade jetzt in moderne Informations- und Kommunikationstechnologien, Stichwort: IT-Security und Datenschutz, Integration von Infrastruktur, zuverlässige und vertrauensvolle Cloud Services. 2015 werden wir uns im Cluster weiterhin auf branchenübergreifende Vernetzung und den Ausbau von Kooperationen konzentrieren, um innovative Produkte und Dienstleistungen voranzutreiben, besonders in den oben genannten Bereichen.
Wie beurteilen Sie den Mangel an IT-Fachkräften in Tirol und wie wirkt er sich auf Ihr Geschäft aus?
Eben weil die IKT in immer mehr Branchen und Technologiebereichen eine immer größere Bedeutung erlangt, steigt der Bedarf an hochqualifizierten Fachkräften. Das Land Tirol hat 2001 mit der Informatikinitiative wichtige Impulse gesetzt; die Universität Innsbruck, die Privatuniversität UMIT, das Management Center Innsbruck und die FH Kufstein bieten IT-Studien an.
Erfolgreich war auch die österreichweite Initiative des Instituts für Informatik der Universität Innsbruck „you can make IT“, durch das zusätzliches Interesse an IT-Berufen in den Schulen geweckt und die Zahl an Erstsemestrigen am Institut für Informatik stark angehoben werden konnte.
Auch der Academy Cube, dessen Koordination in Tiroler Händen liegen, bewegt viel. Darüber hinaus werden laufend Angebote zur berufsbegleitenden Aus- und Weiterbildung im IT-Bereich entwickelt, etwa »Digital Business« an ausgewählten HAK-Standorten in Österreich oder die Wirtschaftsinformatik an der HAK Kitzbühel.
Für welche Technologien/Lösungen erwarten Sie heuer eine verstärkte Kundennachfrage?
Virtualisierung und hybride Cloud Services sind gereift und werden als State of the Art eingesetzt. Big-Data-Analysen sind seit langem in aller Munde und werden stetig weiterentwickelt. Neben diesen Themen liegen die Herausforderungen in der Abbildung und Steuerbarkeit der gewachsenen Komplexität, im Ausbau und der Bewusstseinsbildung bei Sicherheitstechnologien und Risikomanagement.
Viele Technologien sind erprobt und integrierbar – es gilt, dieses Know-how und die Praxiserfahrungen in andere Einsatzbereiche zu bringen und gegenüber schnellen Hypes zu verteidigen. Infrastrukturen wie wir sie aus dem Unternehmensumfeld kennen, bilden oft komplexe Geschäftsfälle ab – und müssen oft 24/7 verfügbar sein.
Diese Robustheit verlangt einen abgestimmten Mix aus neuen Technologien, aber auch die Pflege und den Ausbau bestehender Infrastruktur. Die Themen Breitbandausbau, Integration und Kombination von verschiedensten Technologien und Datenquellen werden stark nachgefragt. Ähnliches erwarten wir bei der Analyse und der Verwertung öffentlicher Verwaltungsdaten im Zusammenhang mit den Themen Verkehr, Smart City, Geografische Informationssysteme und eTourismus sowie Location-based Services und Business-Intelligence-Anforderungen.
Letztlich eröffnet natürlich das Internet der Dinge Potenziale für neue Businessmodelle und Dienstleistungen. Es geht hier besonders um die Kombination aus stationären und mobilen Applikationen, Echtzeitmonitoring und kontextbasierte Entscheidungsunterstützung, Online Services als Standard für Kunden und webbasierte Arbeitsumgebungen – immer und überall. Ein Thema, an dem wir im Cluster mit einem eigenen Themenschwerpunkt Vernetzte Systeme und Industrie 4.0 dran sind.
Was war Ihr Vorzeigeprojekt 2014?
Zum einen konnte im Cluster »Building Information Modeling« (BIM) realisiert werden. Gebäude können mit dieser von Clustermitgliedern entwickelten Software optimiert geplant, kalkuliert und gebaut werden. Alle bedeutenden Gebäudedaten werden dabei digital erfasst, kombiniert und vernetzt, das Gebäude wird als virtuelles dreidimensionales Modell geometrisch visualisiert. Alle Änderungen, die an der Projektdatei vorgenommen werden, sind über die BIM-Cloud für alle vernetzten Beteiligten in Echtzeit verfügbar. So wird die Produktivität des Planungsprozesses hinsichtlich Kosten, Terminen und Qualität weiter gesteigert.
Zum anderen haben wir gemeinsam mit dem Land Tirol, der Tirol Werbung und maßgeblicher Mitarbeit von Clustermitgliedern 2014 die Infrastruktur geschaffen, damit öffentliche Verwaltungsdaten kommerziell genutzt werden können. Dieses Produkt konnte erfolgreich am Markt platziert werden und wird neben Unternehmen auch von Tourismusverbänden genutzt.
Das Gespräch führte Alex Wolschann.
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