Industrie 4.0 setzt für die Produktion völlig neue Maßstäbe und dürfte sowohl die Produkt- als auch die Fertigungssicht umkrempeln. [...]
In einigen Branchen sind individualisierte Produkte bereits gang und gäbe, und hochkomplexe Produktionsanlagen verlangen den Einsatz zigtausender Mess- und Stellstellen. Das vielfach in diesen Branchen eingesetzte Software-System Engineering Base kann mit seiner Struktur und seinen Erfahrungen die Entwicklung zur Industrie 4.0 schon heute effizient unterstützen.
Statt starrer Fertigungsstraßen für ein Produkt in einer Ausführung mit hoher Stückzahl sollen nach der vierten Industrierevolution Einzelaufträge für individuelle Produkte mit der Effizienz und Kostenentwicklung der Serienproduktion abgearbeitet werden. So würde eine Abfüllanlage in der Lage sein, verschiedene Rezepturen in entsprechende Behältnisse zu füllen und empfängerbezogen zu konfigurieren. Mit solch einer, sich selbst den Produkt- und Auftragsanforderungen anpassenden Fertigungsstraße entfallen aufwändige Hallenumbauten oder Hardware-Umrüstungen bei jeder Produktänderung. Welche Rolle spielt dabei das Engineering von Elektro- und Automatisierungstechnik? Diese Frage muss man aus zwei Perspektiven betrachten: Die zunehmende Individualisierung wird einen deutlichen Einfluss auf das Engineering des Produktes selbst, aber auch in hohem Ausmaß auf die Fertigungsanlagen haben.
INDIVIDUALITÄT GEWINNT
Dabei geht es um die individualisierte Planung des Produktes selbst, sofern es e-technische Anteile hat. Dazu gibt es in der Automobilindustrie bereits hocheffiziente, langjährige Beispiele. So setzen die großen deutschen Hersteller auf kundenspezifische Kabelstränge (KSK) und damit auf Modularität. In der Praxis bedeutet dies ein Angebot von 100.000 Kombinationen an Ausstattungsmöglichkeiten gegenüber etwa 150 Varianten der US-Hersteller. Das führt dazu, dass vom Engineering höchste Flexibilität und der bestmögliche Überblick verlangt wird. Dabei muss der Leitungsstrang mit allen Varianten (150-Prozent-Entwurf) abbildbar sein, um alle Möglichkeiten im Planungstool vorausdenken zu können und dann auf 100 Prozent herunterzubrechen.
Der zweite Bereich, der eklatanten Veränderungen entgegensieht, ist der Maschinen- und Anlagenbau. Fertigungsstraßen mit immer mehr Robotik und hochflexiblen Fertigungszellen werden entstehen, um variierende Produktmodule im Takt der Serienfertigung herzustellen. Das Erkennen der Produktgeometrie und das Reagieren in Sekundenbruchteilen erfordert die Planung und Dokumentation von einem Vielfachen an Sensoren und Aktoren. Das verlangt nach mehr Intelligenz. Alte Technologien haben ausgedient. Ethernet gewinnt immer mehr an Bedeutung. Das Mehr an Informationen ergibt komplexere Datenströme durch Dezentralisierung und aufwändigere Steuerungen, die ein adäquates Planungssystem brauchen. Im selben Maß, wie sich die Automatisierungstechnik vervielfacht, steigt auch der Engineering-Aufwand – jedoch ohne zusätzliche Ressourcen. Daher muss das Engineering diese Entwicklung mit zeitgewinnender Flexibilität, Durchgängigkeit und Qualität ausgleichen.
Mit einem dritten Aspekt der Entwicklung zu Industrie 4.0 schließt sich der Kreis der erweiterten Anforderungen an das Engineering von Produkten und Fertigungsanlagen. Aus der Fertigungssicht wird bei Betrachtung der einzelnen Maschinen einer Anlage schnell auch wieder die Produktsicht: Wenn in Zukunft ein Kunde eine Maschine ordert, die zehn verschiedene Produkte seriell bearbeiten kann, dann werden solche Maschinen etwa so komplex wie ein Auto. So wird im Sondermaschinenbau das Thema Modularität noch einmal einen gewaltigen Schub erleben. Das Arbeiten mit hochkomplexen Baukastensystemen wird noch notwendiger. Herkömmliche Engineering-Methoden ohne zentrale Datenbank werden der kommenden Datenflut und Kombinatorik nicht gewachsen sein.
ÄNDERUNGSMANAGEMENT
Allein die Anforderungen an das Änderungsmanagement werden durch die wachsende Vielfalt à la 4.0 noch einmal deutlich potenziert. Es muss zwei unterschiedliche, aber parallel existierende Arbeitsweisen unterstützen, um den zukünftigen Aufgaben gerecht zu werden: zum einen das kooperative Arbeiten einer Gruppe an einem Versionsstand eines bestimmten Themas – schon das ist nur mit zentraler Datenhaltung effizient machbar –, zum anderen das asynchrone Arbeiten unterschiedlicher Disziplinen an einem Produkt. Ändern sich Anschlüsse oder Kabellängen, muss jeder betroffene Bereich davon wissen. Das ist sofort der Fall, wenn alle auf derselben Datenbasis arbeiten. Nur eine zentrale Datenbank erkennt automatisch Änderungen an jeder Stelle und zeigt sie an, sodass jede Gruppe ihren Anteil unmittelbar anpassen kann. (pi/aw)
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