Alexander Adrowitzer ist Data Science Experte, Lead der Expert Group »Datanauts« des DMVÖ sowie Dozent an der FH St. Pölten. Im Interview mit der COMPUTERWELT schildert er den Weg zum erfolgreichen Data Scientist und erklärt warum Data Scientists zum bestimmenden Erfolgsfaktor vieler Unternehmen werden können. [...]
Warum brauchen wir Data Scientists?
Die fortschreitende Digitalisierung vieler Lebens- und Arbeitsbereiche produziert eine Unmenge an Daten. Data Scientists können durch einen verantwortungsvollen Umgang mit den Daten Analysen und Interpretation erstellen, die einen Mehrwert für Unternehmen und Personen bringen.
Was muss ein Data Scientist können und welche Anwendungsfelder gibt es?
Zunächst sind eine analytische Denkweise, Freude am Umgang mit Daten und Kommunikationsfähigkeit wichtig. Fachlich benötigt man Kenntnisse in Statistik und Mathematik, im Programmieren, sowie Branchenwissen und Informationen darüber, wie ein Unternehmen funktioniert. Als Data Scientist interagiert man mit vielen Stakeholdern, etwa aus dem Marketing, Controlling und der IT.
Es gibt zwei klassische Anwendungsfelder. Das erste ist die Vorhersage von Ereignissen, etwa wieviel Umsatz man im nächsten Monat macht. Das zweite ist die Klassifikation, etwa ob eine Krankheit vorliegt oder nicht.
Welche Branchen können von Data Scientists profitieren?
Data Science ist für jede Branche geeignet, in der Daten analysiert werden. Das sind klassische wie Produktion, Medizin oder Marketing, aber auch in der Finanzwelt oder der Steuerberatung setzt man immer mehr auf Methoden der künstlichen Intelligenz.
Warum lohnt sich ein Job in der Branche und wie können Data Scientists zum Erfolgsfaktor im Unternehmen werden?
Die Digitalisierung ist aus dem täglichen Leben nicht mehr wegzudenken. Jetzt hat man die Chance, von Anfang an dabei zu sein und die Prozesse aktiv mitzugestalten. Darüber hinaus zahlen Unternehmen derzeit sehr attraktive Einstiegsgehälter. Wenn es richtig umgesetzt wird und alle Stakeholder im Unternehmen mitmachen, können Data Scientists genauere Vorhersagen treffen sowie Prozesse und Abläufe verbessern. Darüber hinaus können bisher ungenutzte Daten in die Analysen aufgenommen werden, auch unstrukturierte wie Audio- oder Videodaten.
Wie ist Österreich im Bereich »Data Science« im internationalen Vergleich aufgestellt?
Noch vor einigen Jahren war man etwa zwei Jahre hinter Deutschland, gerade was die Akzeptanz in Unternehmen betrifft. Anders sieht es bei Startups aus, hier sehen wir eine sehr dynamische Szene, die auch international durchaus mithalten kann.
Wie sieht es in Österreich mit der Ausbildung der Data Scientists aus?
Da tut sich gerade enorm viel. 2018 hat die erste Bachelor-Ausbildung an der FH St. Pölten gestartet, die ersten Absolventinnen und Absolventen beginnen gerade in den Unternehmen. Mittlerweile gibt es mehr als ein Dutzend Bachelor- und Master-Programme an Universitäten und Fachhochschulen in ganz Österreich. Zudem gibt es mit den Datanauts eine landesweite Vernetzungsmöglichkeit für Data Scientists, wo man sich auch über die verschiedenen Ausbildungsmöglichkeiten informieren kann.
Welche Folgen können entstehen, wenn wir keine gut ausgebildeten Fachkräfte in diesem Bereich haben?
Dann werden wir im internationalen Vergleich zurückfallen und das kann sich unsere Wirtschaft nicht erlauben. Für viele Anwendung benötigt es eine mehrjährige praxisnahe Ausbildung, wie sie etwa an FHs angeboten wird.
Was müsste Ihrer Meinung nach geschehen, um diesem Fachkräftemangel entgegenzuwirken?
Künstliche Intelligenz und Data Science haben das Potential, mehr Menschen Lust auf Daten und Zahlen zu machen. Wir müssen weg von dem »ich bin schlecht in Mathe«-Denken. Darüber hinaus müssen die positiven Beispiele, was mit Datenanalyse etwa bei der Pandemiebekämpfung möglich ist, stärker medial transportiert werden. In vielen Bereichen des täglichen Lebens steckt schon Data Science, nur weiß man es oft nicht.
Vor welchen ethischen Herausforderungen stehen Data Scientists?
Ich sage meinen Studierenden immer: Denkt daran, dass eure Algorithmen Auswirkungen auf Menschen haben. Man muss sich diese Konsequenzen stets vor Augen halten, damit keine Diskriminierung oder Benachteiligung entsteht. Dazu braucht man nicht nur die selbstfahrenden Autos, selbst ein Marktsegmentierungs-Algorithmus kann unfair sein, etwa wenn Bewohner in Hietzing mehr Versicherungsprämie bezahlen sollen als in Favoriten.
Wie werden Data Scientists auf diese Herausforderungen vorbereitet?
Ethik und Recht gehört auf den Studienplan jedes Data Scientists, denn neben der ethischen Komponente sind auch die rechtlichen Grundlagen sehr wichtig. Nicht alles, was mit Daten möglich ist, ist auch erlaubt.
Ist »Big Data Watching You«?
In manchen Ländern und Bereichen, ja. In Europa sind wir durch die DSGVO geschützt, viel wichtiger aber ist die Eigenverantwortung aller Personen. Ich muss mir bewusst sein, dass ich mir Gratis-Apps durch meine Daten kaufe. Die Datenhoheit muss bei mir bleiben. Das Argument »ich habe ja nichts zu verbergen« ist sehr kurzsichtig, denn das Internet vergisst nichts.
Alexander Adrowitzer, Studiengangsleiter Stellvertreter Data Science and Business Analytics leitet seit Ende Juni gemeinsam mit Laura Kaltenbrunner, Junior Researcher der Forschungsgruppe Data Intelligence des Instituts für IT Sicherheitsforschung, offiziell die Expert Group »Datanauts« des österreichischen Dachverbandes DMVÖ (Dialog Marketing Verband Österreich). Ziel ist es mehr Bewusstsein für Data Science als wichtigsten Treiber für Innovation und Wachstum zu schaffen. Die Initiative möchte eine Vernetzungs-, Wissens- und Erfahrungsplattform für Data Science Enthusiasten und Visionären schaffen. Unterstützt wird die Initiative seit Ende Juni zudem durch den DIO (Data Intelligence Offensive) als offizieller Partner der Datanauts. Ausgestaltet ist der Verband über mehrere Events, Workshops und Talks pro Jahr. Das Auftaktevent findet im Herbst 2021 statt. Informationen gibt es unter www.datanauts.at.
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