Erfolgsfaktoren für ERP-Projekte

Der Erfolg eines modernen ERP-Projekts steht und fällt mit … ja womit denn tatsächlich? Dazu haben wir zehn Experten befragt und über verschiedenste Ansätze diskutiert, wie ein ERP-Projekt optimal umgesetzt werden kann. [...]

Die ERP-Expertenrunde wurde von Christine Wahlmüller moderiert.
Die ERP-Expertenrunde wurde von Christine Wahlmüller moderiert. (c) timeline/Rudi Handl

Eines steht für alle fest: Ein erfolgreiches ERP-Projekt steht und fällt damit, wie gut die Mitarbeiter und Anwender von Anfang an »mitgenommen« werden. „Wir raten sogar dazu, dass Mitarbeiter oder Projektmanager in solchen Projekten psychologisch geschult werden. Wir sehen auch, dass eine einzelne Person ein ganzes Projekt zum Scheitern bringen kann. Ist diese Person dann weg, funktioniert alles“, verdeutlicht Oliver Krizek, Geschäftsführer von NAVAX, wie wichtig der menschliche Faktor ist. Und es muss die Chemie sowohl auf  Kunden- als auch auf Herstellerseite passen. „Es braucht auch Kompromisse. Ein ERP-Projekt ist wie ein Riesen-Bauprojekt – da muss man vielleicht einen Steher verschieben, eine Tragweite verändern oder einen Stahlträger einführen. Und was jetzt die ERP-Methodik betrifft: Die altbekannten Wasserfall-Modelle sind aus meiner Sicht heute nur noch schwierig zu realisieren“, sagt Krizek.

„Es braucht auch Kompromisse, ein ERP Projekt ist wie ein Riesen-Bauprojekt.“ 

Oliver Krizek, NAVAX
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Michael Sander, proALPHA: „Branchenexpertise ist über alle Maßen wichtig.“ (c) timeline / Rudi Handl

Für Michael Sander, Geschäftsführer von proALPHA, ist klar: „Die Mitarbeiter müssen an Bord sein. Übertreiben sollte man die Basisdemokratie bei ERP-Entscheidungen allerdings nicht. Branchenexpertise ist über alle Maßen wichtig und relevant. Alle Kunden und Interessenten erwarten kurze Einführungszeiten, Kostentransparenz und Budgettreue.“ Der Schlüssel zum Erfolg liegt laut Sander in der Branchenkompetenz. proALPHA fokussiert sich hier auf 12 Kernbranchen, insbesondere auf Fertigung und Großhandel. „Das Produkt ist eine Sache. Doch mindestens genauso wichtig ist die Beratungsleistung“, stellt Sander fest. „Branchenkenntnis bei den Beratern ist wichtig, aber das allein ist zu wenig.“ Der Anbieter sollte aus einer Best-Practice-Library schöpfen können und Prozesse bereitstellen, die dokumentiert und mit dem System verknüpft sind, um eine möglichst rasche Einführung zu ermöglichen. „Eine ERP-Einführung ist kein Kindergeburtstag. Es ist immer ein herausforderndes und teilweise auch belastendes Projekt für ein Unternehmen.“

„Eine ERP-Einführung ist kein Kindergeburtstag.“

Michael Sander, proALPHA
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Sabine Pfriemer-Zenz, SAP: „Veränderung als Chance nützen!“ (c) timeline / Rudi Handl

Sabine Pfriemer-Zenz, bei SAP für Mittelstandskunden und das Partner-Geschäft verantwortlich, wird konkret: „Wir haben sehr viele Kunden, die noch auf R/3 stehen und jetzt in Richtung S/4 gehen. Damit unsere Kunden weiterhin zu den führenden Unternehmen ihrer Industrie gehören, haben wir ein weltweites SAP S/4HANA Move Programm lanciert, um SAP-ERP-Kunden einen schnellen, transparenten und sicheren Umstieg auf die nächste Generation S/4HANA zu ermöglichen. Dem Kunden wird eine Roadmap aufgezeigt, wie er in 90 Tagen in die neue Welt gehen kann. Ich denke, man kann das auch als Chance im Unternehmen wahrnehmen“, macht sie den Unternehmen Mut. „In der Umsetzung ist ein agiles Projektvorgehen state-of-the-art und da können wir zahlreiche erfolgreiche Kundenprojekte aufzeigen.“

Alltagspraxis: Keine Zeit

„Aber wir dürfen nicht vergessen: Der Kunde ist häufig mit seinem Alltaggeschäft gut ausgelastet. Keyuser und Projektmannschaft haben dadurch oft nicht die notwendigen Freiräume, das Projekt voranzutreiben“, unterstreicht Christian Leopoldseder, Österreich-Chef von Asseco. Auch aus dieser Problematik heraus wurde eine eigene Prozesseinführungs-Methodik entwickelt. Hier werden dem Kunden Checklisten, FAQs, sowie Best-Practice-Prozessabläufe in den jeweiligen Branchen zur Verfügung gestellt. Bei der Definition der Best-Practice-Modelle wurde das tatsächlich gelebte Benutzerverhalten zugrunde gelegt – dieses unterscheidet sich teilweise von der definierten Struktur.

Trotzdem verlaufen sehr viele ERP-Projekte in der Praxis nicht so gut. „Viele Kunden bzw. Projekte scheitern schon an der Planung. Das heißt, es müssen andere Projekte mit berücksichtigt werden oder die IT-Abteilungen sind ausgedünnt. Und bei der Entscheidung ERP aus der Cloud geht es um die Frage: Wie schaut es aus denn mit Cloud-Anbietern? Da gibt es viele Vor-Themen, die bei einem ERP-Projekt bedacht werden müssen. Wenn ich eine ERP-Entscheidung treffe, ist es auch ein guter Zeitpunkt, die Systeme zu wechseln. Der Fehler ist, dass man da oft zu schnell ist und schnell starten will, aber die Hausaugaben noch nicht gemacht sind“, betont Thomas Schenk, Lead Business Developer SAP bei Tieto.

„Man muss relativ schnell das Look & Feel z. B. zum
Experimentieren darstellen.“

Markus Hauswirth, T-Systems

Viele Unternehmen stehen laut Bernd Lessmann, Vertriebsleiter von ams.erp, vor der Herausforderung, qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Da dies zunehmend schwieriger wird,  investieren Unternehmen in neue ERP-Systeme, erwarten in der Folge aber von den Anbietern weitreichenden Input  auf der Prozessseite, um mit der bestehenden Belegschaft mehr Umsatz machen zu können und den Engpass am Arbeitsmarkt zu umgehen. Lessmann stimmt auch Leopoldseder zu: „Wir haben in den vergangenen Jahren viel hinsichtlich Best Practices in der Auftragsfertigung gelernt. Wir wissen die Prozesse optimal zu gestalten und liefern den Interessenten und Kunden  konkrete Vorschläge. Zudem unterstützen wir die Kunden mit einem eigenem Tool namens Process Mining, das die realen Geschäfts- und Arbeitsabläufe  grafisch darstellt.“ Leider nutzten viele Mitarbeiter auch nach mehrmonatigem Live-Betrieb viele Funktionalitäten nicht. „Wir brauchen jedoch das Engagement und die Mitarbeit auf Kundenseite, schließlich ist ein ERP-Projekt keine Anbieter-Show“, stellt Lessmann nachdrücklich fest.

„Die beste Werbung ist intern  – von Mitarbeitern für
Mitarbeiter.“ 

Alexander Müllner-Gilli , SYCOR
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Markus Neumayr, Ramsauer & Stürmer: „Man muss den User mit einer Integralplattform so unterstützen, dass er entsprechend weniger Routinetätigkeiten hat.“ (c) timeline / Rudi Handl

Für Markus Neumayr, Geschäftsführer von Ramsauer & Stürmer, ist wesentlich, wie der Einstieg in ein Projekt vonstattengeht. „Viele Unternehmen steigen nach wir vor klassisch mit Funktionskatalogen ein. Da werden 380 oder mehr Fragen gestellt, die in keinem betriebswirtschaftlichen Zusammenhang stehen.“ So gehe das nicht, sondern »wir gehen zuerst direkt zum Kunden und erfassen dort seine betriebswirtschaftlichen Planungsprozesse«, darauf aufbauend werde ein Projektvorschlag für den Kunden erarbeitet. „Erst im zweiten Schritt geht es darum, zu sagen: was kostet das Projekt und wie schaut der Projektplanungsprozess aus, weil vorher kennen und verstehen wir den Kunden gar nicht“, gibt Neumayr Einblick in die Praxis. Overall sei es auch wichtig, „das Ziel von Anfang an richtig zu fokussieren. Egal ob Modernisierung eines Alt-Systems oder neues System – entscheidend ist, dass wir es schaffen, mit einer Integralplattform, den User so zu unterstützen, dass er entsprechend weniger Routinetätigkeiten hat als vorher und dass er sich auf die wichtigen Funktionalitäten konzentrieren kann.“

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Markus Hauswirth, T-Systems: „Unternehmensweites Change-Management sollte ein Projekt begleiten.“ (c) timeline / Rudi Handl

Um die Mitarbeiter früh ins Boot zu holen, gibt es laut Markus Hauswirth, bei T-Systems für das SAP-Geschäft verantwortlich, ja Möglichkeiten: „Man muss relativ schnell das Look & Feel für den Mitarbeiter darstellen, z.B. eine Spielwiese zum Experimentieren Damit können die Leute entdecken, wie sie mit neuen Funktionalitäten ihre Arbeit erleichtern können. Wenn ich das am Anfang des Projekts schaffe, werde ich Mitarbeiter haben, die für das Projekt brennen“, ist sich Hauswirth sicher. Vor allem wenn es sich um eine ERP-Neueinführung handelt, oder das Medium/System geändert wird, sollte ein unternehmensweites Change Management den Wandel begleiten. Neue Technologien und neue Medien sollten nicht zur Verunsicherung der Belegschaft führen.

„Wichtig ist, das Ziel von Anfang an zu fokussieren.“

Markus Neumayr, Ramsauer & Stürmer

Dem stimmt SYCOR-Österreich-Geschäftsführer Alexander Müllner-Gilli zu: „Wir haben ein Change-Management-Team, das begleitend den Kunden hilft, dass die Geschäftsprozesse entsprechend angepasst und abgebildet werden.“ Wichtig sei es auch, die innovativen Köpfe im Unternehmen zu gewinnen, denn sie würden die anderen Mitarbeiter mitnehmen: „Die beste Werbung ist intern von Mitarbeitern für Mitarbeiter.“ Er rät, bei der Auswahl einer Lösung auf Releasefähigkeit, Betrieb und Wartung nicht zu vergessen. 

»Agiles Projektvorgehen in der Umsetzung ist state-of-the-art.«

Sabine Pfriemer-Zenz, SAP
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Josef Höckner, Fujitsu: „Genau überlegen: Was will ich überhaupt verbessern?“ (c) timeline / Rudi Handl

Für Josef Höckner, CTO bei Fujitsu, heißt es, einen Schritt zurücktreten: „Bevor man eine Ausschreibung macht, sollte man genau überlegen: was will ich denn überhaupt verbessern oder verändern? Wir setzen hier auf die Human Centric Experience Design Methode – das heißt, ich schaue mir zunächst den Ist-Zustand an und vergleiche mit dem Sollzustand, um dann zu planen, was ist denn notwendig, damit ich von links nach rechts komme. Das erfordert auch die Einbindung der Mitarbeiter und Fachabteilungen, um von ihnen die Informationen zu bekommen, wo es hakt. Das kostet zwar etwas Zeit, die man sich aber nehmen sollte, um in einem strukturierten Prozess entsprechende Lösungen zu finden, die dann optimal abgebildet werden können und dabei nichts zu übersehen.“

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„Erfolg ist etwas Individuelles.“ Oliver Krizek, NAVAX (c) timeline / Rudi Handl

NAVAX-Geschäftsführer Oliver Krizek stellt schließlich den Begriff „Erfolg“ zur Diskussion. „Wenn ich einem Geschäftsführer die Frage stelle: ‚Was ist Erfolg?‘ bekomme ich oft als Antwort: ‚Erfolg ist, einfach gut zu sein im Unternehmen.‘ Das ist zu wenig, Erfolg ist etwas Individuelles, das es zu definieren gilt. Aber in den meisten Fällen wird Erfolg in den Unternehmen gar nicht definiert, das sollte man ändern“, so sein Rat.   

SAP S/4HANA Einführung bei Glatz

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(c) Glatz

Die Julius Glatz GmbH mit ihrem Standort im deutschen Neidenfels betreibt drei Papiermaschinen und produziert Papiere für die Zigarettenindustrie, Dünndruck- und Spezialpapiere. Das historisch gewachsene IT-System verursachte zu hohe Kosten und beeinträchtigte die Agilität der Geschäftsbereiche sowie die Time-to-Market zusehends. Mit TIPS/4 (Tieto Integrated Production Solution auf S/4HANA Basis) konnte die erste, komplett integrierte S/4HANA Papier-Plattform in einem Greenfield Ansatz mit dem Partner Tieto verwirklicht werden. Nutzen:

  • Alle Kerngeschäftsbereiche in einem System abgebildet
  • End-to-End Lösung schafft Transparenz und Effizienz – von schneller Bestelleingabe bis hin zur integrierten Logistik
  • Einheitliche Datenbasis für alle Abteilungen und Management samt Fiori-Screens für eine benutzerfreundliche Bedienung.

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