ERP in Zeiten der Digitalisierung

Anwender brauchen mehr Flexibilität und Agilität als ältere Systeme vielfach liefern können. Doch wer sein ERP-System auf Vordermann bringen möchte, braucht den richtigen Plan dafür und muss das Ganze strategisch angehen. [...]

ERP-Systeme bilden nach wie vor das Herzstück in der IT vieler Unternehmen. Schließlich sind sie die Schaltzentrale für fast alle Kernfunktionen rund um Finanzverwaltung, das Kundenmanagement, die Produktionsplanung, die Logistik sowie die Verwaltung und Steuerung sämtlicher wichtiger Ressourcen im Unternehmen. Läuft dieser Softwaremotor nicht rund, gerät auch der Geschäftsbetrieb ins Stocken.

Gerade in großen Konzernen sind daher Heerscharen von Controllern, Account-Managern und Analysten damit beschäftigt, Klarheit in allen finanziellen Dingen des Unternehmens zu schaffen. Das ist allerdings kein Selbstläufer und macht oft Schwierigkeiten. Grund sind veraltete Systeme, die mit ungenauen Daten arbeiten und entsprechend unsaubere Reports produzieren. Dabei wäre genau das die Kernaufgabe eines gut funktionierenden ERP-Systems. Was also erwarten Finanzmanager von ihren Systemen?

ERP-Applikationen müssen etwa mit der wachsenden Komplexität innerhalb der Firmenstrukturen mithalten können. Gerade im Zuge von Akquisitionen beziehungsweise Veränderungen im Geschäftsmodell kann es passieren, dass ein älteres ERP-System nicht mehr zur veränderten Situation passt. „Der frühere Ansatz in Sachen ERP sah so aus, dass man feste Prozesse im Unternehmen in die Software gepresst hat“, erläutert Keith Mattioli, Analyst von KPMG. Doch nun verändere sich die Welt. Diese fest im ERP zementierten Prozesse funktionieren nicht mehr ohne ergänzende Prozesse, die drum herum gestrickt werden müssten.
Korrektheit: Obwohl die Unternehmen jedes Jahr viel Geld in ERP- und andere Business-Software stecken, werden etliche – auch unternehmenskritische – Finanzangelegenheiten immer noch mit Excel-Sheets erledigt.
Makros und Tabellen laufen in aller Regel unter dem Radar der IT-Abteilungen. Entsprechend fehlt das eigentlich notwendige Qualitätsmanagement. Das kann zu gewaltigen Problemen führen. Finanzexperten von F1F9 wollen herausgefunden haben, dass neun von zehn Excel-Tabellen Fehler beinhalten – auch in großen Unternehmen, die es eigentlich besser wissen müssten. „Viele Finanzchefs realisieren mittlerweile, dass ihre aktuellen Prozesse und Tabellen nicht so recht zu den Anforderungen moderner Finanzsysteme passen“, sagt Mattioli. „Manuelle Prozesse stellen auch immer ein Risiko für die eigene Finanz-Compliance dar.“

Von einem Chief Financial Officer (CFO) und seiner Abteilung wird erwartet, dass sie Budgets genau planen, neue Geschäftschancen identifizieren und genaue Berichte ablieferen. Das alles basiert auf korrekten Daten sowie einer soliden Verarbeitung und Analyse dieser Daten. Soweit die Theorie. In der Praxis stammen die Daten der Finanzabteilungen meist aus den unterschiedlichsten Quellen und variieren daher in der Konsequenz auch in ihrer Qualität. Neue ERP-Systeme können dabei behilflich sein, die Qualität der für die Analysen herangezogenen Daten zu verbessern.

Neue ERP-Optionen ausloten
Wer sich jetzt überlegt, sein ERP-System gegen ein Neues abzulösen beziehungsweise die bestehende Software auf den neuesten Stand zu bringen, sollte jedoch strategisch vorgehen und das entsprechende Projekt genau planen. Dabei können auch Cloud- und Software-as-a-Service-Angebote (SaaS) eine interessante und durchaus überlegenswerte Alternative bilden. Die geringen Anfangsinvestitionen seien beispielsweise ein großer Vorteil von Cloud-ERP, erläutert Eric Kimberling, Managing Partner beim auf ERP-Beratung spezialisierten Unternehmen Panorama Consulting. Allerdings würden derzeit vor allem kleinere Firmen entsprechende Cloud-ERP-Lösungen einsetzen.

Ein Grund, warum gerade große Unternehmen noch davor zurückschrecken, ihre Finanzsysteme einer Cloud-Lösung anzuvertrauen, seien Sicherheitsbedenken, erläutert Mattioli von KPMG. Diese bildeten den Kern jedes Unternehmens und dürfen daher unter gar keinen Umständen ausfallen, beschreibt der Analyst die in vielen Finanzabteilungen vorherrschende Skepsis gegenüber Cloud-Lösungen. Falsche oder verlorene Finanzdaten könnten schließlich jedes Unternehmen in Konflikt mit regulatorischen Vorschriften bringen. Cloud-Lösungen von vorneherein und per se als potenzielle Risikofaktoren zu verteufeln sei jedoch falsch, warnt ERP-Spezialist Kimberling. Für die Anbieter entsprechender Lösungen besäße die Sicherheit der Kundendaten allerhöchste Priorität. „SaaS-Provider könnten ihr Geschäft dicht machen, wenn sie keinen sicheren Service liefern könnten“, so der Analyst. Der Anreiz, einen sicheren und verlässlichen Softwareservice abzuliefern sei also hoch.

ERP aus der Cloud
Tatsächlich forcieren derzeit viele Softwarehersteller ihre Aktivitäten rund um Cloud-ERP – gerade auch die großen Softwarekonzerne, die in den vergangenen Jahrzehnten ihr Geschäft vor allem mit klassischen On-Premise-Produkten gemacht haben. Beispielsweise hat Oracle jüngst bekannt gegeben, für 9,3 Milliarden Dollar das Unternehmen Netsuite übernehmen zu wollen, einen Spezialisten für Cloud-ERP-Lösungen, die sich vor allem an KMU richten. Microsoft hat kürzlich mit Dynamics 365 ein integriertes gebündeltes SaaS-Angebot für ERP und CRM geschnürt, das zudem von einem AppSource, einem speziellen Business-AppStore, flankiert wird. Und SAP bemüht sich neben seinem auf KMU zugeschnittenen Cloud-ERP-Paket Business byDesign auch den Nachfolger der Business Suite S/4Hana in der Cloud in Position zu bringen.

Der Markt für Cloud-ERP-Lösungen birgt noch großes Potenzial, konstatiert denn auch Oliver Giering, Analyst der Experton Group und verweist auf die Vorteile der SaaS-Angebote. Kunden verstünden immer häufiger die Dringlichkeit, interne Systeme an externe Datenquellen beziehungsweise Systeme andocken zu müssen, um bei der Wertschöpfung alles im Blick zu haben und keine Silos aufzubauen. Dies gehe nur über eine „Cloudifizierung“ von bestehenden Lösungen beziehungswiese den Einsatz nativer Cloud-Lösungen in SaaS-Form. Paul Hamerman von Forrester Research verweist darauf, dass sich die Verbreitung von Cloud-ERP zwischen 2012 und 2014 von sechs auf 16 Prozent mehr als verdoppelt habe. Dazu kämen weitere 19 Prozent, die den Einsatz eines ERP-Systems aus der Cloud konkret planten. 2012 waren es erst sechs Prozent.
Der Forrester-Analyst räumt zwar ein, dass sich ein Cloud-ERP-System nicht automatisch für jeden Unternehmenseinsatz eigne, aber in vielen Fällen durchaus Vorteile biete, beispielsweise wenn es darum gehe, neue Geschäftsfelder oder -einheiten zügig zu unterstützen beziehungsweise in die Jahre gekommene heterogene ERP-Landschaften abzulösen.
Wichtige Vorteile, die ein neues oder überarbeitetes ERP-System leisten kann – sei es nun aus der Cloud oder On Premise – sind mehr Flexibilität, Agilität und zusätzliche Analysemöglichkeiten. Allerdings sei es auch wichtig, diese Pluspunkte offensiv herauszustellen und zu vermarkten, mahnt Mattioli.

ERP-Wertbeitrag herausarbeiten
Das bedeutet auch, dass die IT-Verantwortlichen den Eintritt eines neuen ERP-Systems in die Organisation des Unternehmens begleiten und unterstützen müssen. Dazu zählt beispielsweise ein funktionierendes Datenqualitäts-Management. Denn wenn die Finanzabteilung von Anfang an schlechte Daten in das neue ERP kippt und infolgedessen auch schlechte Ergebnisse damit erzielt, wird man in erster Linie das ERP dafür verantwortlich machen. Die IT-Verantwortlichen sollten daher sorgfältig prüfen, wie das eigene Unternehmen in Sachen Daten organisiert ist. Dabei helfen Visualisierungs-Tools wie Tableau, rät ERP-Experte Kimberling. Damit ließe sich dem Management vor Augen führen, wie sich Datenanomalien auswirken.

Darüber hinaus sollten IT-Verantwortliche auch ihr Knowhow zu den eigenen Prozessen ausspielen. Schließlich ist es seit Jahren ihre Aufgabe, die Abläufe mit IT zu unterlegen. Es gelte, die Mitarbeiter in den Finanzabteilungen an die Hand zu nehmen und ihnen genau zu zeigen, wie sie mit IT-Unterstützung bessere und genauere Berichte für das eigene Geschäft produzieren könnten.
Zu guter Letzt könne die IT auch punkten, indem sie die Sicherheit und Nachvollziehbarkeit der mit dem ERP-System erzeugten Berichte gewährleistet. Mittels Identity- und Access-Management (IAM) lasse sich beispielsweise genau nachverfolgen, wer wann an welchen Versionen bestimmter Reports und Zahlen gearbeitet hat. Das Tracking, wie bestimmte Entscheidungen zustande kommen, werde immer wichtiger, mahnen die Experten. Auditoren seien wenig beeindruckt, wenn man ihnen sagen muss, dass im System nicht nachzuvollziehen sei, wie bestimmte Zahlen zustande gekommen seien.

Fazit
Um zielsichere Entscheidungen zu treffen, muss sich das Management auf die Informationen aus den Finanzsystemen verlassen können. Die IT-Verantwortlichen sollten daher ihr Hauptaugenmerk darauf richten, deren Anforderungen und Probleme möglichst genau zu verstehen. Auf die Kollegen in den Finanzabteilungen zu hören und von ihnen zu lernen, hilft letztlich auch der IT, mit am Tisch zu sitzen und Gehör zu finden, wenn es um Entscheidungen zu ERP-Systemen und anderen Technologien geht.    
*Der Autor Martin Bayer ist Redakteur der Computerwoche.


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