ERP-Markt kein Sprinter

Schnelle Veränderungen passen nicht zum ERP-Markt, ist Godesys-Chef Godelef Kühl überzeugt. Gedacht werde dort eher in Dekaden. [...]

Godesys ist ein Anbieter von ERP-Lösungen für den Mittelstand. Godelef Kühl, Gründer, Vorstandsvorsitzender und zugleich auch Hauptaktionär des Unternehmens, zeigt sich im Gespräch mit der COMPUTERWELT bodenständig und wirft – befragt nach den aktuellen Trends – bewusst nicht mit Hypes und Marketingschlagworten um sich. „Der ERP-Markt ist aus meiner Sicht eher Marathonläufer als Sprinter. Als echten Trend im ERP-Markt sehe ich eigentlich die SOA-Architektur. Wir erleben jetzt den Umbau der Applikationslandschaften von der modul- zur prozessorientierten Sicht. Das setzt voraus, dass man eine SOA-basierende Architektur im Unternehmen hat“, so Kühl, der ergänzt: „Im Grunde genommen denken wir im ERP-Markt in Dekaden. Ein tolles Konzept auf einer Blaupause ist schnell beschrieben, aber bis Sie die neue Technologie nutzen können dauert das Jahre.“

Auch Releasewechsel brauchen ihre Zeit, die Unternehmen springen nicht auf jeden Zug auf: „Ich hatte in den Neunzigern keine Probleme, dem Anwender einen Releasewechsel anzubieten. Aber damals hat das auch nur zwei Tage gedauert. Heute dauert ein Releasewechsel deutlich länger. Mittlerweile müssen wir sechs bis sieben Jahre alte Software pflegen. Die Erwartungshaltung der Kunden ist, dass ein viel größerer Variantenreichtum an Softwareständen gewartet wird. Die Kunden gehen nicht alle Updates mit.“

WAS IST DIE CLOUD EIGENTLICH?
In diesem Zusammenhang kommt auch Kühl nicht darum herum, doch ein Trendthema anzusprechen: Cloud Computing. Die Cloud sei ein Weg, dem Anwender die Updateproblematik abzunehmen. Doch was ist Cloud Computing? Für den Godesys-Gründer gibt es drei Sichtweisen: „Die Cloud kann ein Betriebskonzept sein. Dann stellt sich aber die Frage, was der Unterschied zu Hosting ist. Dann kann es noch ein Finanzierungskonzept sein – Sie mieten die Software. Das ist eine weitere Option, die Komplexität vom Anwender wegzunehmen und auf die betriebswirtschaftliche Entscheidung zu reduzieren. Für mich ist Cloud aber in erster Linie ein Infrastrukturservice, den Sie anbieten müssen. Wenn Kunden in der Cloud sind ist der Vorteil nicht das Mietkonzept oder neue Software, sondern höhere Service Level.“

Kritisch sieht Kühl die mit der Cloud einhergehende Standardisierung von ERP-Lösungen „aus der Steckdose“. Denn ERP lebe immer vom Individualisierungsgedanken, der Anpassung an die individuellen Prozesse eines Unternehmens. Eine Cloudlösung könne nur dann erfolgreich sein, wenn der Kunde innerhalb einer Struktur Anpassungen vornehmen kann, ist Kühl überzeugt. Ein weiterer Kritikpunkt: „Der Kunde bezahlt zwar nur Lizenzkosten, aber die Abhängigkeit vom Hersteller ist in der Cloud höher. Der Einführungsaufwand ist jedoch identisch.“ Er kann der Cloud aber auch Gutes abgewinnen: „Wir sehen die Cloud heute eigentlich – ohne sie schlechtzureden – als Marketinginstrument an: Steig als Cloud-Kunde ein, aber du kannst jederzeit in ein hybrides oder ein privates Modell gehen. Dann kann der Kunde tun was er will und hat Wahlfreiheit.“

Für Kühl heißt das Trendthema Ergonomie. Bei der Vielzahl an angebotenen Funktionen würden sich die Branchenlösungen nur marginal unterscheiden, mit Design- und Usability-Elementen könnte man sich aber vom Mitbewerb abgrenzen: „Wir machen beispielsweise Eingabemasken einfacher und arbeiten daran, dass das Userinterface ohne großen Trainingsaufwand greifbar wird. Gute Usability ist etwas, das Einführungsaufwände verschlankt.“ (rnf)


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