Aus Sicht des Marktspezialisten Trovarit ist das derzeitige Angebot an ERP-Systemen besonders für KMU nahezu unüberschaubar. Es empfiehlt sich daher, in Frage kommende Lösungen sukzessive einzugrenzen. [...]
Von der „Golfplatz“-Entscheidung bis zur „Akademischen Übung“ reichen die praktizierten Ansätze der Software-Auswahl. Ähnlich stark unterscheiden sich Projektergebnisse, Aufwand und Dauer der Projekte. Die Ursache für diese unterschiedlichen Ausgestaltungen besteht häufig darin, dass in vielen Unternehmen Unsicherheit darüber besteht, wie ein Software-Projekt richtig angegangen werden sollte. Hinzu kommt, dass viele Experten vor Fehlschlägen warnen und auf die großen Investitionsrisiken verweisen. Eine Vielzahl von Einflussgrößen erschwert Unternehmen die Standortbestimmung und die Festlegung des richtigen Wegs zur passenden Software-Lösung.
AUFGABE DER SOFTWARE-AUSWAHL
Das Ergebnis der Software-Auswahl ist in der Regel ein Vertragswerk mit dem zukünftigen Software-Lieferanten, der die Überlassung der Nutzungsrechte an der Software (Lizenzvertrag), die Einführung (Beratungsvertrag) und die Wartungsleistungen (Wartungsvertrag) festlegt sowie die entsprechenden Konditionen festschreibt. Für den Beratungsvertrag ist außerdem die Projektierung der Einführung notwendig. Hierbei geht es vor allem um den Anpassungsumfang, der an der Software notwendig ist, um relevante Projektmeilensteine sowie um die Festlegung der jeweiligen Projektbeteiligten.
Nüchtern betrachtet handelt es sich bei der Software-Auswahl um ein Investitionsprojekt: Es geht darum, eine geeignete Software und einen kompetenten Lieferanten zu finden, der die gewünschte Software zu einem angemessenen Preis liefert, einführt und wartet. Wie bei jedem Investitionsvorhaben sind dabei folgende Aufgaben zu bewältigen:
ANFORDERUNGEN ERMITTELN
Jede Unternehmenssoftware ist letztlich ein Werkzeug zur Unterstützung der Geschäftsprozesse. Vor dem Hintergrund der Projektziele, der technologischen Randbedingungen (zum Beispiel IT-Strategie) und des geplanten Einsatzbereichs werden die Anforderungen an die Lösung daher aus den Geschäftsprozessen und Informationsflüssen abgeleitet und in einem mehr oder weniger umfangreichen Lastenheft dokumentiert. In vielen Fällen setzt dies eine Prozessanalyse voraus, deren zweckmäßiger Umfang und Detaillierungsgrad allerdings stark variieren kann.
MARKT SONDIEREN
Insbesondere aus der Sicht mittelständischer Unternehmen ist der Markt für Unternehmenssoftware recht vielfältig. Neben den Herstellern der Software selbst, bieten deren Vertriebspartner die Lösungen an – oft modifiziert, mit verschiedenen Add-Ons oder erweiterter Funktionalität. Berücksichtigt man dann noch die verschiedenen Branchenvarianten bekannter Produkte, beispielsweise mySAP oder Microsoft Dynamics, dann steigt die Zahl der unterschiedlichen Lösungen noch einmal erheblich. Eine intensivere Auseinandersetzung mit einigen wenigen Software-Lösungen setzt daher eine Eingrenzung der Kandidaten voraus.
Zur Reduzierung des enormen Rechercheaufwandes hat es sich bewährt, die Informationsbeschaffung und -auswertung sukzessive zu verfeinern. So genügt es, sich in einem ersten Schritt mit den technologischen Anforderungen und der generellen Brancheneignung einer Lösungen auseinanderzusetzen, bevor man sich der Systemfunktionalität widmet. Diese Vorgehensweise mag auf den ersten Blick merkwürdig erscheinen, ist jedoch durchaus sinnvoll: Denn wenn eine Lösung hinsichtlich Technologie und Branchenpassung nicht mit den Anforderungen des Unternehmens harmoniert, hilft auch die beste Funktionalität nichts.
PROJEKT AUSSCHREIBEN UND ANGEBOTE VERGLEICHEN
Im Rahmen der Ausschreibung werden den in Frage kommenden Anbietern die Anforderungen übergeben und gegebenenfalls erläutert. Die Anbieter erarbeiten bzw. präsentieren daraufhin in der Regel ihre Lösungsvorschläge. Dabei verschaffen sie sich meist auch ein Bild des Anpassungsbedarfs der Software und unterbreiten auf dieser Grundlage ein erstes Angebot.
FEINSPEZIFIKATION UND VERTRAGSVERHANDLUNG
Am Ende der Software-Auswahl steht die Verhandlung der Verträge mit dem Anbieter. Bei komplexeren Projekten, wie eben im Bereich ERP, ist hierfür meist noch eine genauere Beschreibung von unternehmensspezifischen Anpassungen der Software erforderlich, ohne die der Anbieter den Programmier- und Beratungsaufwand nicht kalkulieren kann.
Zentraler Bestandteil des Vertrags ist das Pflichtenheft, das die zu erbringenden Leistungen dokumentiert. Dieses Pflichtenheft kann effizient auf Basis des Lastenheftes aus der Anfangsphase des Projektes erstellt werden.
Um für ein Software-Projekt eine möglichst hohe Investitionssicherheit zu gewährleisten, ist eine strukturierte Vorgehensweise bei der Auswahl von Anbieter und System unerlässlich. Wie detailliert und umfangreich das Projekt „Software-Auswahl“ im Einzelnen ausgestaltet wird, muss letztlich immer im Spannungsfeld zwischen der Reduzierung des Investitionsrisikos und dem für eine sichere Auswahl erforderlichen Aufwand gesehen werden.
Wenn weder die „Akademische Übung“ noch die reine „Golfplatz-Entscheidung“ für ein Unternehmen in Frage kommen, sind umfassende Werkzeuge wie der IT-Matchmaker ein probates Mittel, um effizient und sicher die passende Lösung für das eigene Unternehmen zu finden. Den Einstieg in den IT-Matchmaker können Sie auch auf der COMPUTERWELT-Homepage unter www.itwelt.at/software-tests finden.
* Michael Schober gibt 35 Jahre ERP-Erfahrung als Lektor für „ERP Selection and Implementation“ an der FH-Technikum Wien weiter und leitet das Österreich-Büro der Trovarit AG.
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