Das Sammeln, Aufbereiten und Verfügbarmachen von Unmengen an Daten könnte schon bald die Geschäftsgrundlage vieler Unternehmen sein. Die richtige Auswertung und der Einsatz der Erkenntnisse kann den entscheidenden Wettbewerbsvorteil verschaffen. Martin Willcox, Director Product and Solutions Marketing International bei Teradata, im Interview. [...]
Teradata beschäftigt sich laut eigener Aussage bereits seit 1979 mit dem Thema Big Data. Die COMPUTERWELT hat im Rahmen des jährlichen weltweiten Summits mit Martin Willcox, Director Product and Solutions Marketing International, gesprochen.
Big Data scheint, außer als Schlagwort, noch nicht Österreich angekommen zu sein.
Martin Willcox: Das betrifft nicht nur Österreich, das ist in Europa eher der Fall. Bezogen auf den Umsatz ist Big Data ein US-amerikanisches Phänomen.
Viele meinen Big Data sei bloß ein Mehr an Daten. Können Sie bitte erläutern, welchen Nutzen Big Data für Unternehmen hat?
Es hat keinen Sinn, Big Data als ‚viele Daten‘ zu definieren. Für viele Daten haben wir schon seit Langem viele Lösungen. Unsere größte Datenbank umfasst 50 Petabyte an Daten. Teradata hat über 50 Kunden mit 1 Petabyte an verwalteten Daten. Es geht dabei nicht nur um Technologie, es geht auch um den Prozess. Aber das haben wir sehr gut gelöst. Für mich geht es bei Big Data darum, fünf Herausforderungen zu meistern: Viele Daten, an denen wir zunehmend interessiert sind, sind nicht relational, sondern multi-structured, etwa Textdokumente, Sprachaufzeichnungen zwischen Kunden und Callcenter-Mitarbeitern. Hier gilt es, diese Daten zu erfassen und zu managen. Weiters geht es um die Analyse von Interaktionen. Wir versuchen, jenseits des Erfassens von Transaktionen und Ereignissen in einem Data Warehouse das Verhalten von Kunden und Systemen direkt messbar und analysierbar zu machen.
Gegenwärtig wächst das Datenvolumen sehr schnell, gleichzeitig stagnieren oder schrumpfen die IT-Budgets. Teradata ist stolz darauf, dass seine Lösungen schon seit jeher hervorragend skalierbar sind und mit wachsenden Anforderungen erweitert werden können. Das schätzen unsere Großkunden, sie wünschen aber eine non-lineare Preispolitik. Das ist eine wirtschaftliche Herausforderung.
Ich glaube, 60 oder 70 Prozent der Kosten traditioneller BI Analytics liegen im Sammeln, Normieren und Integrieren der Daten. Die Herausforderung liegt darin, dass wir oft nicht wissen, ob die gesammelten Daten für einen speziellen Geschäftsfall nützlich sind oder nicht. Hinsichtlich einiger neuartiger Datenbereiche, dort wo wir experimentieren, müssen wir eine flexible Datenakquise priorisieren.
Viele Hersteller glauben, das Ziel von Big Data sei, neue Einsichten in neue Geschäftsfelder zu gewinnen. Das sollte nicht das Ziel sein, sondern ist bloß eine Phase im Prozess. Das Ziel ist die Art, wie wir Geschäfte machen. Das Ziel ist immer, die gewonnenen Erkenntnisse zu verwenden, hinsichtlich der Art, wie wir Geschäfte machen und diese Art auch zu ändern.
Wenn sich die Art ändert, wie wir Geschäfte machen bzw. wie Unternehmen arbeiten, muss sich dann nicht auch die Unternehmensorganisation ändern? Stichwort Chief Digital Officer.
Es geht niemals ausschließlich um Technik, sondern immer auch um Unternehmensprozesse. Das gilt besonders im Bereich der Teambildung. Noch vor ein paar Jahren suchte jeder nach Mitarbeitern, die sowohl ein Spitzenprogrammierer mit einem Doktortitel in Statistik waren als auch ein Experte im gewünschten Bereich.
Diese Menschen gibt es zwar, doch sie sind sehr selten. Es ist viel produktiver, die benötigten Fähigkeiten durch Teams abzudecken, als in einer einzigen Person zu suchen. Kompetenzzentren bringen diese Leute zusammen – und zwar für eine begrenzte Zeit. Nach dem Projekt gehen sie wieder in ihre angestammten Bereiche zurück. Diese kleinen interdisziplinären Teams zu kreieren, ist viel produktiver als einen Chief Strategy Officer, einen Chief-dies- und einen Chief-das-Officer zu ernennen. Letzteres ist zudem sehr hierarchisch gedacht.
Big Data soll einerseits ein komfortables Nutzererlebnis für den Kunden schaffen, andererseits ist eine gewisse Überwachungsproblematik auch nicht von der Hand zu weisen. Was meinen Sie dazu?
Hierauf gibt es keine einfache Antwort, denn diese Frage wird von der Gesellschaft nach wie vor diskutiert. Was ist vernünftig, was akzeptabel? Es gibt hier riesige kulturelle und geografische Unterschiede. Was akzeptierte und angewandte Praxis in Indonesien ist, ist vielleicht inakzeptabel in der Schweiz. Und ich glaube, es ist naiv, dass die Menschen in verschiedenen Kontinenten die gleiche Meinung zu dieser Problematik haben. Transparenz ist hier sehr wichtig. Unternehmen, die bei Konsumenten großes Vertrauen genießen, sagen klar und offen, was sie tun.
Eine große Rolle spielt auch der Kundennutzen. Die Unternehmen sammeln Daten, um uns besser kennenzulernen. Denn wenn sie uns besser kennen, können sie uns mehr Dinge verkaufen. Betriebe, die das richtig gut machen, geben den Leuten auch etwas dafür. Warum verwenden die Menschen Gmail? Weil es ein großartiger Service ist und noch dazu gratis und verlässlich. Im Gegenzug akzeptieren wir, dass Google unsere Informationen für Werbung verwenden darf. Das ist ein klassischer Handel. Ich nütze Google und Google nützt mir.
Wann glauben Sie, dass Big Data vollends akzeptiert wird?
Das hängt davon ab, wie Sie Big Data definieren. Für Teradata war der Begriff immer schon ein Problem. Wir sind seit jeher eine Big-Data-Company, deswegen wurden wir gegründet. In Bezug auf unsere neue Technologien, also die Aster- und die Hadoop-Produklinie und Integrationsprojekte wie Query Grid, ist zu sagen, dass das Business ziemlich gesund ist. Es ist kleiner als das existierende Kerngeschäft, da es jünger ist. Im internationalen Bereich, den ich betreue, wird es am Ende dieses Jahres doppelt so groß sein wie Ende letzten Jahres. Die Zahlen in den USA sind ähnlich. Die Zukunft ist schon da, sie ist nur ungleich verteilt.
Das Gespräch führte Klaus D. Lorbeer.
Martin Willcox
Als Director Product and Solutions Marketing, International ist Martin Willcox bei Teradata dafür verantwortlich, die Strategie des Unternehmens nach außen zu tragen. Willcox ist 2004 als Enterprise Architecture Consultant zum Unternehmen gestoßen. Davor war Willcox bei Co-operative Retail, wo er schon jahrelang als Kunde Erfahrungen mit den Produkten von Teradata gemacht hat.
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