Alexander Windbichler, CEO von Anexia, wurde im Februar 2025 als erster Österreicher in den seit diesem Jahr rein europäischen Vorstand von CISPE gewählt, einem gemeinnützigen Fachverband für Cloud-Anbieter in Europa. Im Gespräch mit ITWelt.at spricht er über die Notwendigkeit digitaler Souveränität für Europa und wie diese erreicht werden kann. [...]

Was sind Ihre Ziele bei der CISPE? Was haben Sie sich vorgenommen?
Mein zentrales Anliegen ist die digitale Souveränität Europas. Derzeit besteht eine kritische Abhängigkeit von US-amerikanischen Diensten – das müssen wir ändern.
Sie haben Ihr Unternehmen Anexia von VMware auf Open Source umgestellt. Wie lief dieser Prozess ab?
Wir sind bewusst auf die Open Source Software KVM (Kernel-based Virtual Machine) gewechselt, um unabhängiger zu werden. KVM ist definitiv mit VMware vergleichbar. Ein derartiger Wechsel ist aber nicht überall möglich, im Videokonferenzbereich gibt es etwa keine guten Alternativen. Die Übernahme von VMware durch Broadcom und die drastische Preiserhöhung haben uns zu diesem Schritt gezwungen. Innerhalb von drei Monaten haben wir mit unserem gesamten Team von knapp 400 Leuten die Migration abgeschlossen. Das war nur möglich, weil wir VMware primär für Virtualisierung genutzt und Frontend-Lösungen selbst entwickelt haben. Mittlerweile sind wir, was die Funktionalität betrifft, mit der neuen Lösung sogar besser aufgestellt.
Kann Ihr Vorgehen als Vorbild dienen?
Grundsätzlich ja. Es zeigt, dass ein Wechsel möglich ist – auch wenn es von den individuellen Systemlandschaften abhängt. Wichtig ist, wie hoch man das Thema Unabhängigkeit priorisiert.
Bei der CISPE gibt es mit AWS und Microsoft auch amerikanische Mitglieder. Wie ist das Verhältnis zu diesen Mitgliedern?
Diese amerikanischen Mitglieder gibt es schon lange. AWS ist sogar Gründungsmitglied. Mit der neuen Periode, mit der auch ich als CISPE-Vorstand angefangen habe, besteht der Vorstand der CISPE aus rein europäischen Vollmitgliedern. Microsoft und Amazon sind als Non-Voting-Member Teil der CISPE. Der Austausch mit den US-Konzernen ist wichtig, aber die Entscheidungsgewalt liegt bei europäischen Mitgliedern.
Auch Open Source ist stark von den USA beeinflusst und wird von US-Firmen gefördert und gesponsert. Wie kann so die Abhängigkeit zu den USA verringert werden?
Natürlich hat es in der Vergangenheit immer wieder Fälle gegeben, wo Open-Source-Lösungen plötzlich auf Closed-Source umgestellt und lizenziert wurden. Doch Open Source birgt weniger Risiko, da die Community Projekte weiterführen kann, wenn sich Unternehmen zurückziehen. Man muss jedoch auch sagen: komplett ohne Risiken oder ohne Abhängigkeiten wird es natürlich nie gehen. Unser Ziel ist es, erpresserische Abhängigkeiten zu vermeiden. Es spricht nichts dagegen, dass Broadcom die Preise verachtfacht, das ist der freie Markt. Die Ausnutzung von Abhängigkeiten ist aber nicht ok.
Broadcom hat zwar gar nicht so wenige Kunden verloren – unterm Strich scheint es sich doch gerechnet zu haben …
Ja, das stimmt. Wenn man jedoch dieses Vorgehen unterteilt in eine strategische, taktische und operative Ebene, dann hat Broadcom das operativ und taktisch auf die nächsten drei Jahre vielleicht gewonnen. Ich kenne allerdings keinen Kunden, der im Moment nicht eine andere Lösung will.
Es gibt natürlich welche, die darauf verweisen, dass sie bereits sehr viel von diesem Hersteller nutzen und die 50 Prozent Erhöhung akzeptieren. Aber für viele geht es auch ums Prinzip. Sie wollen sich das nicht gefallen lassen und suchen Alternativen; wissend, dass sie vielleicht noch drei Jahre gefangen sind, aber danach sind sie weg.
Ist die Abhängigkeit von den USA nicht nur ein technisch-wirtschaftliches Thema, sondern auch ein sicherheitspolitisches Thema?
Ja, ganz massiv, gerade im Cloud-Bereich. Wir haben drei große Cloud-Anbieter. Ein politisches Statement wie ein Abschalten großer Cloud-Plattformen könnte ganze Wirtschaftsbereiche lahmlegen. Dieser Möglichkeit müssen wir uns bewusst sein. Dann kommt alles zum Stehen. Deshalb braucht es europäische Alternativen und strategische Weitsicht.
Wie sieht es mit dem Projekt GAIA-X aus?
GAIA-X ist eines von vielen Projekten, bei denen man einen gemeinsamen Standard zu schaffen versucht. Deswegen ist es wichtig, dass der Markt solche Standards annimmt. Generell braucht es viele Initiativen und ein stärkeres Bewusstsein für digitale Eigenständigkeit. Hier kommen tatsächlich immer mehr Initiativen auf und das finde ich gut. Wenn wir uns jetzt anstrengen – wir haben ja in Europa sehr viele schlaue Köpfe –, dann werden wir Lösungen finden, ob das jetzt GAIA-X oder etwas anderes ist, etwa auch privatwirtschaftliche Initiativen.
Machen Sie Lobbying-Arbeit bei der EU, die hilft, die Abhängigkeit zu verringern?
Ja, Lobbyarbeit und vor allem Bewusstsein schaffen für faire Rahmenbedingungen, speziell für europäische Cloud-Anbieter, ist natürlich eines der großen Themen der CISPE.
Die CISPE ist eine starke Stimme und setzt sich sehr für ihre Mitglieder ein. Ich möchte alle, die in diesem Bereich tätig sind, dazu aufrufen, sich uns anzuschließen. Das macht uns noch stärker.
Wir müssen in der IT-Branche aufwachen und uns zusammenschließen. Ob das jetzt die CISPE oder eine andere Vereinigung ist. Jedenfalls ist der Zusammenschluss von kleineren Anbietern in Europa sinnvoll, weil nur gemeinsam sind wir stark. Alleine werden wir es nicht schaffen.
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