Mit dem Internet der Dinge (IOT) könnte die europäische High-Tech-Industrie ihre weltweite Relevanz stärken – vorausgesetzt, die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen. [...]
Das Internet der Dinge (IoT) ist eine riesige Chance für die europäische High-Tech-Industrie. Doch es besteht die Gefahr, dass sie leichtfertig verspielt wird. „Die europäische High-Tech-Industrie hat das Potenzial, ihre internationale Bedeutung über das Internet der Dinge wieder auszubauen. Sie wäre allerdings gut beraten, ihr Engagement zu intensivieren, denn in den vergangenen Jahren hat sie Boden an Asien und die USA verloren“, sagt Axel Freyberg, Partner bei A.T. Kearney und Leiter des Bereichs Telekommunikation, Medien und Technologien für Europa, den Mittleren Osten und Afrika (EMEA). Ohne entsprechende Anpassung der Rahmenbedingungen drohe demnach der europäischen High-Tech-Industrie, den Ball auch in diesem Bereich an die Konkurrenz abzugeben.
Freyberg bezieht sich auf eine aktuelle Studie von A.T. Kearney, die das europäische Marktpotenzial des Internets der Dinge analysiert. Die Studienergebnisse stellen wirtschaftliche Auswirkungen von 940 Mrd. Euro für die europäische Wirtschaftsleistung durch IoT bis 2025 in Aussicht:
- 430 Mrd. Euro durch Produktivitätsgewinn, zum Beispiel weil sich auf Basis zeitnaher Informationen und historischer Daten Prozesse präziser und ohne Ressourcenverluste steuern lassen.
- 300 Mrd. Euro durch wachsende Konsumentenkaufkraft, unter anderem weil das Internet der Dinge es erlaubt, Energie einzusparen und die Lebensdauer vieler Produkte zu verlängern.
- 210 Mrd. Euro durch Zeitgewinn für jeden Einzelnen, zum Beispiel weil sich Transportverzögerungen wie Staus vermeiden lassen.
So könne sich laut Freyberg jeder Euro, der in IoT-Lösungen investiert werde, mit zwölf Euro Gewinn durch Produktivitätszuwachs, steigende Kaufkraft oder Zeitgewinn auszahlen. Dabei eröffnet die Ausrüstung der europäischen Unternehmen mit IoT-Lösungen in den nächsten zehn Jahren ein jährliches Marktpotenzial von 80 Mrd. Euro für Modulhersteller, Anbieter von Plattformen für Daten und Sicherheit, Softwarehersteller und Systemintegratoren.
EUROPA NOCH FÜHREND
„Dieser Markt ist aber heute bei Weitem noch nicht verteilt“, so Freyberg. Zwar habe Europa in vielen Segmenten wie der Halbleiter-, Hardware-, Software- und elektronischen Konsumgüterindustrie die Vorherrschaft im letzten Jahrzehnt an die USA und Asien verloren, doch werden mit IoT die Karten neu gemischt. Da Europa in vielen Schlüsselindustrien (Gesundheitswesen, Automobil, TK, Finanzwirtschaft, Maschinenbau) noch weltweit führend ist, könnten im Zusammenspiel mit der europäischen High-Tech-Industrie zum Vorteil für beide Seiten neue Potenziale im IoT-Zeitalter erschlossen werden. „Das Internet der Dinge könnte in Europa zum Katalysator eines rasanten Fortschritts in vielen Industrien werden“, meint auch Sebastian Schömann, Principal und IoT-Experte bei A.T. Kearney. Allerdings müssten wie bei allen größeren technologischen Revolutionen die regulatorischen und politischen Rahmenbedingungen auf breiter Front angepasst werden, damit die Unternehmen sich ungehindert in den neuen Geschäftsfeldern engagieren können. Branchen wie Gesundheit und Energie müssten dereguliert, der Aufbau von Plattformen gefördert, Investitionen in Telekomnetze unterstützt und Europa zu einem Akteur für Standardisierung (insbesondere bei Fertigung, Smart Grids, Gesundheitswesen und Datenschutz) entwickelt werden. Gleichzeitig müsse mehr für Datensicherheit und den Schutz der Privatsphäre getan und der Wandel der Arbeitswelt vorangetrieben werden. „Verpassen wir diese Chance, wird die gesamte europäische Wirtschaft darunter leiden,“ warnt Freyberg: „Mit negativen Konsequenzen für unsere Innovationskraft und den Arbeitsmarkt.“ (cb)
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