EVVA ist vor allem für seine Schließ- und Zutrittssysteme bekannt. Das Traditionsunternehmen, das 2019 sein 100-Jahre-Jubiläum feierte, treibt aber auch Entwicklungen in den Bereichen Industrie 4.0 und Digitalisierung voran. Die COMPUTERWELT hat mit Johann Notbauer, Leiter des Konzernbereichs Marktinnovation und Technologie, gesprochen. [...]
Wie verbindet man in einem Unternehmen wie EVVA Tradition und Innovation?
Die Idee hinter EVVA war, dass 1919 drei Ingenieure etwas erfinden, versuchen und verwerten wollten. Daraus ist die Erfindungs-Versuchs-Verwertungs-Anstalt, kurz EVVA, geworden. Das ist auch heute noch der Inbegriff von Innovation. Innovation ist nicht nur eine Idee oder die Umsetzung einer Idee. Eine Innovation wird es dann, wenn es materialisiert und monetarisiert, sprich verwertet wird. Und dieser Geist ist auch nach über hundert Jahren noch im Unternehmen spürbar. Deshalb auch unser Motto „Startup seit 100 Jahren“.
EVVA verbindet man meistens mit einem Schlüssel. Wo ist hier die Digitalisierung?
Seit 2014 setzt EVVA auf eigene elektronische Produkte und wir haben mit Xesar und Airkey neue elektronische Komponenten der Zutrittssicherheit gebracht. Xesar ist für große Anlagen gedacht und mit AirKey kann man Türen mit dem Smartphone öffnen, Schlüssel per SMS vergeben und eine gesamte Schließanlage online organisieren. Wir haben nach wie vor eine solide Basis mit hochtechnologischen mechanischen Lösungen, gleichzeitig investieren wir in digitale Produkte.
Wie steht es bei den digitalen Produkten um das Thema Sicherheit?
EVVA war immer Vorreiter bei Entwicklungen zum Thema Sicherheit, zum Beispiel um Schließanlagen schon seinerzeit in den 70er-Jahren mit einem Computer zu berechnen. In diese Richtung setzen wir heutzutage Entwicklungsschritte mit neuer Software, künstlicher Intelligenz und Automatisierung. EVVA investiert in den Bereichen Digitalisierung und Industrie 4.0 bis 2023 ein Volumen von über 20 Mio. Euro. Vor allem die Anforderungen an das Thema Sicherheit haben sich massiv gewandelt – so stellen uns neue Technologien immer wieder vor neue Herausforderungen. Man kann etwa mit einem Tausend-Dollar-3D-Drucker einen Schlüssel nach Fotos erstellen und damit nachmachen. So etwas zu verhindern, ist der Anspruch von EVVA.
Wie funktioniert AirKey?
Der AirKey-Zylinder, ausgestattet mit einem integrierten Secure-Element für sichere Datenspeicherung, ist hier das zentrale Sicherheitsprodukt im System. Mit dem Einsatz dieser zertifizierten Secure-Elemente im Zylinder und in den Identmedien bietet AirKey einen sehr hohen Sicherheitsmaßstab für elektronische Schließsysteme. Das System benötigt dafür keine eigene IT-Infrastruktur, das eigene EVVA-Rechenzentrum garantiert Verfügbarkeit und höchste Sicherheit der Daten. AirKey ist wie Xesar cloudfähig und kann dadurch mit dem Cloud-Interface in Drittplattformen wie zum Beispiel Airbnb integriert werden.
Die Kombination bzw. die Konvergenz von mechanischem und elektronischem Produkt ist das, was uns derzeit am stärksten bewegt. Hier können wir Produkte aus einer Hand anbieten. Es gibt einfach Zutrittspunkte, wo der mechanische Zylinder besser geeignet ist wie etwa in Umgebungen wo elektronische Geräte nicht mehr gut funktionieren wie bei sehr tiefen Temperaturen. Ein wichtiger Baustein für Xesar und AirKey ist neben der laufenden Weiterentwicklung der Produkte selbst auch das damit verbundene Geschäftsmodell mit den KeyCredits. Bei Xesar und AirKey entstehen Kosten nur dann, wenn eine neue Zugriffsberechtigung ausgestellt, also ein neuer Schlüssel benötigt wird. Inzwischen bietet EVVA auch Pay-per-use- und Flatrate-Modelle an. Damit haben wir für jedes Unternehmen je nach Anforderung ein maßgeschneidertes Angebot. Die KeyCredits-Umsätze entwickeln sich erfreulich, wir konnten jeweils mehr als 50 Prozent Wachstum in den letzten beiden Jahren verzeichnen.
Gibt es weitere Geschäftsmodelle, die mit der Digitalisierung entstanden sind?
Big Data. EVVA verfolgt gezielt die Chancen und Möglichkeiten, mit Daten und deren Vernetzung einen entsprechenden Mehrwert zu bieten. So bietet AirKey als flexibles, für stark verteilte Anlagen geeignetes System bereits heute die Möglichkeit, Ortsdaten zu erfassen und mit der »Send a Key«-Funktion nutzerorientiert zu verwerten. Oder auch die simple Integration von Wetter- und Bewegungs-Daten mit Zutritts-Daten zur Steuerung der Heizung, Klimaanlage, Lüftung bzw. der Raumreinigung. Die große Herausforderung für die Branche besteht beim Thema Integration und Konvergenz.
Letztlich wird Integration nicht nur zwischen Zutrittssystemen stattfinden, sondern auch mit anderen Software-Systemen funktionieren. Um hier Innovationsführer zu sein geht EVVA Kooperationen beispielsweise mit dem Fraunhofer Forschungsinstitut oder mit externen Partnern in der angewandten Entwicklungsarbeit ein.
Be the first to comment