„Fachkräfte muss man umgarnen“

Mit über einer halben Million Nutzer in Österreich und mehr als sechs Millionen im deutschsprachigen Raum ist Xing in der DACH-Region das führende Business-Netzwerk. Nur bei bezahlten Diensten sind die Österreicher etwas zurückhaltend. Seit Ende 2011 ist Robert Beer bei Xing als Country Manager neben der Schweiz auch für Österreich verantwortlich. Warum das Business-Netzwerk in Österreich stark wächst und wo es noch Luft nach oben gibt, erzählt er im COMPUTERWELT-Interview. [...]

Computerwelt: Wie hat sich der österreichische Markt entwickelt, seit Sie Country Manager sind?
Robert Beer:
Die Nutzerzahlen haben sich sehr stark verändert, wir konnten massiven Zuwachs in den letzten 15 Monaten verzeichnen.

Worauf kann man das zurückführen?
Grundsätzlich ist Xing in den Kernmärkten gewachsen. Business Networking ist nicht mehr nur ein ’nice to have‘, sondern ein ‚must have‘, und in Österreich bestand noch etwas Nachholbedarf. Wir wurden auch in vielen Medien erwähnt – das hat neue Mitglieder angezogen, aber auch bestehende wieder erinnert, wie wichtig Netzwerken ist. Vor allem die mobilen Zugriffe haben richtig geboomt.

Wie sieht es mit rekrutierenden Unternehmen aus?
Wir haben grundsätzlich vier Bereiche wo wir unser Geld verdienen: Mit dem neu geschaffenen Geschäftsbereich Premium Club, der sowohl das Geschäft mit Premiumkunden als auch den Bereich Display Advertising umfasst, Events und e-Recruiting. Der e-Recruiting Bereich wies im vergangenen Geschäftsjahr das größte Wachstum auf

Woran liegt das?
Es gab schon vor einiger Zeit diesen Trend weg von Print zu Online, weil das schneller, günstiger und einfacher ist. Und was Business-Netzwerke noch bieten sind die soziale Komponente und die Direktansprache. Xing ist nicht nur ein Netzwerk, hier hinterlegen Millionen qualifizierte  Mitarbeiter ihre Lebensläufe – detailliert und aktuell. Und dieser Mix aus vielen Nutzern, der attraktiven Zielgruppe und der Aktualität ist ein riesiges Feld, um gute Leute zu finden – speziell auch die latent Stellensuchenden. Das sind Leute, die keine Inserate ansehen weil sie nicht aktiv auf der Suche sind, die man aber quasi wie ein Dornröschen mit einem spannenden Job wachküssen kann. Wenn man es also zusammenfasst: Auf Xing findet man schneller und kostengünstiger die besseren Kandidaten. Das merken auch viele Firmen.

Stichwort Fachkräftemangel in der IT: Findet man diese über Xing leichter?
Unbedingt, speziell im IT-Bereich. Viele IT-Fachkräfte bekommen über Xing Stellenangebote. IT-Leute sind per se gut vernetzt, Internet-affin und sehr gefragt, weil sie oft spezielle Skills haben und diese Skill-Kombination schwer über ein Inserat zu erreichen ist. Wenn ich etwa einen Java-Entwickler brauche der Spanisch spricht und sieben Jahre Berufserfahrung hat, finde ich diesen selten über ein Inserat. Wenn ich das aber über einen Filter genau eingeben kann, finde ich viele passende Kandidaten, darunter auch jene, die sich von alleine nicht gemeldet hätten. Spezialisierte Fachkräfte muss man oft abwerben oder umgarnen, das ist in Österreich nicht anders als in Deutschland oder der Schweiz.

Xing hat Anfang des Jahres Kununu übernommen, wie wird der Dienst integriert?
Das ist in vollem Gange. Durch die Integration ist unter anderem die Anzahl der Firmenbewertungen massiv angestiegen. Natürlich gibt es aber auch andere Synergien auf Kommunikations- und auf Sales-Ebene, die demnächst umgesetzt werden.

Sind weitere Übernahmen geplant?
Oh, da müssten, Sie schon unseren Vorstand fragen. Was ich weiß und Ihnen sagen kann, ist dass wir im Bereich der Premium Club – was unsere wichtigste Ertragsquelle ist – noch weitere wichtige Verbesserungen geplant haben. Wo wir auch noch viel sehen werden, ist im Bereich Mobile.

Wie kann sich Xing hier verbessern?
Neben der Performance-Verbesserung, die immer ein Thema ist, wollen wir den Recruiting-Bereich besser auf die mobile Plattform bringen und besser vernetzen. Wir wollen auch die Welt der Empfehlungen auf die Plattform bringen. Also Leuten ermöglichen, interessante Kontakte oder Events mit einer Begründung angezeigt zu bekommen. Sprich: Proaktiver das sinnvolle Vernetzen vorantreiben, auch im Sinne einer Zeitersparnis für den Nutzer.

Laut einer Studie werden zwar Kandidaten über Xing gesucht, aber nur drei Prozent der Stellen werden über soziale Netzwerke vergeben. Woran liegt das?
Ich kenne diese Studie nicht. Der Wert scheint mir aber sehr tief angesetzt. Wir wissen, dass die Hälfte der Stellen über Beziehungen vergeben wird. Und ob das auf Xing gestartet hat und irgendwo anders sein Ende findet, weiß man oft nicht. Ich würde sagen, die Grauzone ist sehr hoch. Ob die drei Prozent stimmen oder nicht weiß ich nicht, diese Zahlen sind aber stark am steigen, haben jedes Jahr massive Zuwachsraten und sind in anderen Ländern – speziell auch in englischsprachigen – viel höher. Viele Stellen werden also nicht nur etwa über Jobanzeigen auf Xing vergeben, sondern über das Beziehungsnetz auf Xing direkt oder indirekt hergestellt. Und das sind auch bessere Stellenbesetzungen, weil man transparenter über Empfehlungen besetzt. Es muss der Fokus der Firmen sein, die besten Leute für die Firma zu finden und nicht nur die, die sich auf das Inserat melden. Wenn die Person mich nicht findet, und das tut sie selten, muss ich aus der Komfortzone heraus, die Leute suchen und direkt ansprechen.

Wo ist bei Xing Österreich noch Luft nach oben und welcher Bereich wächst am Schnellsten?
Es läuft sehr gut was Traffic und Nutzung betrifft, das ist der Indikator für alles. Wenn ein Netzwerk nicht genutzt wird und zu wenig Mitglieder hat, braucht man auch nicht darauf verkaufen. Wir haben sehr gute Zugriffszahlen, auch mobil, und auch im Recruiting-Bereich haben wir ein schönes Wachstum, auch wenn da noch mehr drin ist. Wo Österreich ein bisschen zurückhaltender ist als andere Länder ist wenn es an das Portemonnaie geht. Bei Premium Mitgliedschaften und bezahlten Unternehmensprofilen haben wir noch ein bisschen Aufholpotenzial.  

Wie ist das Verhältnis von Xing und Linkedin in Österreich?
Ich glaube die beiden Netzwerke ergänzen sich sehr gut. Xing hat einen klaren geographischen Fokus – Deutschland, Österreich, Schweiz – und geht in diesen Ländern sehr in die Tiefe. Wir bieten nicht nur ein Online-Netzwerk, sondern auch eine starke Offline-Komponente mit ungefähr 10.000 Offline-Events in Österreich pro Jahr. Man kann nicht der Größte und der Beste und der Cleverste sein, wir gehen in die Tiefe, Linkedin in die Breite. Linkedin sammelt möglichst viele Profile, der Aktivitätsgrad ist nicht primär wichtig. Aus Studien weiß man außerdem, dass etwa vier Fünftel der Leute ein recht begrenztes geographisches Netzwerk haben. Die meisten Leute sagen, ihre Kontakte für ihre Branche seien in Wien oder in Österreich, oder vielleicht noch in der EU. Diese 80 Prozent bedienen wir sehr gut. Es gibt auch viele Parallelnutzer. Ich bin schon lange auf beiden Netzwerken, ich war immer aktiv auf Xing und passiv auf Linkedin. Jemand, der in einer sehr globalen Branche arbeitet, macht es vielleicht umgekehrt. Weil wir das unterschiedlich handhaben, kommen wir uns nicht in die Quere – sondern, und das ist das Schöne, treiben beide das Business-Netzwerk zur Blüte.

Das Gespräch führte Michaela Holy.

Robert Beer:
Robert Beer ist als Country Manager verantwortlich für Xing Österreich und die Schweiz und damit für die Entwicklung und Umsetzung der regionalen Strategien. Beer verfügt über breite Erfahrungen in der strategischen Markterschliessung von Online- und Crossmedia-Plattformen. Vor seinem Wechsel zu Xing war der Schweizer in leitender Funktion bei verschiedenen Unternehmen in den Bereichen Online-Video und Online-Ticketing tätig. Robert Beer ist Dozent für Soziale Medien an verschiedenen Hochschulen in der Schweiz.


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