Gastkommentar: Der Konvergenz-Fehler von Microsoft

Mit seinem neuen Betriebssystem Windows 8 versucht Microsoft die Welt der Betriebssysteme zu verändern. Der Traum ist, dass man nur mehr ein Betriebssystem vom Smartphone bis zum PC braucht. Das ist typisches Konvergenzdenken. Nur Märkte konvergieren nicht, sie divergieren. Wenn Märkte konvergieren würden, würde etwa die Anzahl der Geräte abnehmen. [...]

So war Mitte der 90er Jahre der große Konvergenztraum, dass Fernsehgerät und PC konvergieren würden. Wenn man sich die Realität ansieht, haben viele neben dem Fernseher noch einen PC, ein Notebook, ein Netbook oder ein Tablet und ein Smartphone. Daneben gibt es noch MP3-Player und E-Book-Reader. Das ist Divergenz bei der Arbeit. Mitte der 1990er Jahre sahen sich der Fernseher und der PC noch ziemlich ähnlich. Heute haben sich die beiden Welten massiv auseinander entwickelt. Der Fernseher wurde immer größer und flacher. In der PC-Welt wiederum geht es immer mehr in Richtung mobile Endgeräte.

Eine wesentliche Rolle bei dieser Auseinanderentwicklung spielt der Faktor Zeit. Konvergenz würde dann perfekt funktionieren, wenn die Zeit stehen bleiben würde. Aber während die einen an ihrem Konvergenzmodell „basteln“, entwickeln sich die Einzelgeräte immer weiter auseinander. Sie werden immer spezieller und für ihre spezielle Anwendung immer besser. Wenn die Zeit heute stehen bleiben würde, wäre die Welt ideal für Windows 8. Sie tut es aber nicht. Dazu kommt, dass PC- und Smartphone-Betriebssysteme eine total unterschiedlich schnelle Innovationszeit bzw. Innovationsrate haben. Viele Unternehmen sind etwa gerade dabei, auf Windows 7 umzustellen. Für diese ist Windows 8 mehr Störfaktor als Nutzen. Das heißt: Bei Smartphones kann man theoretisch alle sechs Monate ein neues Betriebssystem einführen, bei PC sicher nicht.

Microsoft sollte daher heute auf Divergenz- statt auf Konvergenzdenken setzen. Dazu sollte man als erster Anbieter ein neues Betriebssystem speziell nur für mobile Computer auf den Markt bringen. Dieses Betriebssystem bräuchte auch einen neuen, eigenständigen Markennamen. Wenn man dies nicht tut, ist die Gefahr groß, dass Windows 8 als Konvergenzlösung zwischen Thin-Client-Lösungen und Smartphone-Betriebssystemen im Laufe der Zeit „aufgerieben“ wird. Wie würde Microsoft heute dastehen, wenn man Windows und Android besitzen würde? Dann hätte man zwei führende Betriebssysteme und zwei führende Marken. Das wäre echtes Divergenzdenken bei der Arbeit.

* Michael Brandtner ist Spezialist für strategische Markenpositionierung.


Mehr Artikel

Die beiden Sprecherinnen von Women@DSAG: (links) Franziska Niebauer, Beraterin für SAP IS-H bei der Helios Kliniken GmbH, und Anna Hartmann, Geschäftsführerin der in4MD Service GmbH (c) Bild links: Helios Kliniken GmbH; Bild rechts: www.AndreasLander.de
News

Chancengleichheit der Geschlechter – überbewertet oder wichtiger denn je?

In den USA schaffen Großkonzerne auf Geheiß Donald Trumps ihre Diversitätsprogramme ab. Auch in Europa folgen Unternehmen dem „Anti-Woke-Kurs“. Die DSAG nahm dies zum Anlass, bei den Mitgliedern des Frauennetzwerks Women@DSAG nachzufragen, wie es derzeit um die Chancengleichheit der Geschlechter im Job steht. 139 Frauen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz nahmen an der Umfrage teil. […]

"Sammlung allerhand auserlesener Reponsorum […]", Johann Hieronymus Hermann, 1736 (c) Österreichische Nationalbibliothek
News

Kulturpool – digitalisiertes Kulturerbe

Einer der Vorteile der Digitalisierung ist, dass Kulturgüter zunehmend auch in digitalisierter Version für alle online zugänglich vorliegen. So versammelt das zentrale Suchportal für digitalisiertes Kulturerbe in Österreich, Kulturpool, 1,6 Millionen Objekten, darunter historische Handschriften, Bücher, Kunstwerke und vieles mehr. Einer der Hauptbeiträger von Kulturpool ist die Österreichische Nationalbibliothek. […]

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*