Gastkommentar: Entwarnung für heimische Händler

Spätestens seit dem Richterspruch im Fall Oracle vs. Usedsoft aus 2012 ist klar, dass sich der Erschöpfungsgrundsatz auch auf nicht-körperliche Kopien von Programmen bezieht. Jeder Käufer von solchen Programmen ist rechtmäßiger Erwerber, wenn sich die Anzahl der gekauften Lizenzen durch den Weiterverkauf nicht erhöht, sprich beim Verkäufer gelöscht wurde. [...]

Der EuGH hatte die unkörperliche Kopie – den modernen Gegebenheiten im Softwarehandel entsprechend – der körperlichen gleichgesetzt. Die Aufspaltung von Client-Server-Lizenzen hat er untersagt, ohne näher auf reine Client-Lizenzen einzugehen. Das im EuGH Urteil fehlende Puzzlestück für den Gebrauchthandel von abgespaltenen Client-Volumenlizenzen haben die Frankfurter Richter jetzt ergänzt.

Juristisch ist es im Lichte der EuGH-Entscheidung auch in Österreich nicht mehr nachvollziehbar, warum ein Bulk von gekauften Lizenzen, die im Grunde alle einzeln für sich funktionieren, nicht auch abgespalten weiterverkauft werden dürfen. Insbesondere deshalb, weil der unkörperliche Downloadkauf von Clientprogrammen juristisch durch den EuGH dem körperlichen Kauf des Datenträgers gleichgestellt wurde.

Vervielfältigungshandlungen (insbesondere der erneute Download der Software) bloß für den Weiterverkauf, hatte der EuGH schon für zulässig erklärt; diese Ausnahme vom Vervielfältigungsverbot, dass nunmehr auch Datenträger für den Weiterverkauf angefertigt werden dürfen, entwickelt das OLG Frankfurt konsequent weiter. Denn der bestimmungsgemäße Gebrauch von Software im Sinne der Richtlinie, auf die sich die einschlägigen Regeln im österreichischen und deutschen Recht stützen, umfasst natürlich auch einen rechtlich zulässigen Verkauf. Im urheberrechtlichen Sinn ist der Download auf Festplatte von einem Server kein anderer Vervielfältigungsvorgang als die Herstellung eines Datenträgers.

Für hiesige Softwarehändler darf also vorsichtig Entwarnung beim Handel mit abgespaltenen gebrauchten Volumenlizenzen gegeben werden. In der EU-weit harmonisierten Rechtslage können sich österreichische Gerichte nicht über das Auslegungsmonopol des EuGH hinwegsetzen. Sie werden nicht daran vorbei kommen, dass der Erschöpfungsgrundsatz auch auf den Verkauf von unkörperlichen Programmkopien in Verbindung mit dem Erwerb eines unbefristeten Nutzungsrechts anzuwenden ist.

* Heinz Templ (office@templ.com) ist Rechtsanwalt mit Spezialisierung im IT-Sektor.


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