Jahrelang wurde über die umstrittenen und sehr komplexen Fragen einer Urheberrechtsnovelle diskutiert. In den Abendstunden des 2. Juni 2015 war es dann soweit: Der Begutachtungsentwurf wurde veröffentlicht. Die Begutachtungsfrist hat gerade einmal sechs Werktage betragen, darunter ein "Fenstertag". Viel zu kurz, um ein derart weitreichendes Thema umfassend zu prüfen und zu begutachten. Da der Ministerrat den medial kolportierten Zeitplänen zufolge die Novelle bereits am 16. Juni 2015 behandeln soll, bleibt zur Prüfung der im Begutachtungsverfahren eingelangten Stellungnahmen gerade einmal der 15. Juni 2015. [...]
Besonders lesenswert unter den 71 Stellungnahmen ist jene des Handelsverbandes, der den enormen Mehraufwand aufgrund des vorgesehenen Ausweises der Urheberrechtsabgabe am Kassabon kritisiert. Auch die vorgesehene Deckelung der Abgabe für Speichermedien mit sechs beziehungsweise elf Prozent ist nach Auffassung des Handelsverbandes unverhältnismäßig hoch. Weiters hervorzuheben ist die Stellungnahme des Vereins für Internet-Benutzer Österreichs (VIBE), der darauf hinweist, dass der im Entwurf vorgesehene Katalog von Umständen, die bei der Neubemessung der Vergütung zu berücksichtigen sein sollen, den EU-Vorgaben und der Padawan-Entscheidung des EuGH nicht entspricht: Nach der Rechtsprechung des EuGH ist auf den „Schaden“ abzustellen, der den Rechteinhabern entsteht. Der Entwurf sieht den Schaden beziehungsweise Nachteil der Vervielfältigungen für die Urheber aber nur als einen Umstand unter insgesamt neun. Nach dem „ersten“ der neun Umstände würde (fast) alles beim Alten bleiben, da „unverhältnismäßige Veränderungen vermieden werden sollen“.
Eine Rückvergütung für Privatpersonen wurde in der bisherigen Praxis der Austro Mechana nicht gelebt. Wer also auf seiner Foto- oder Videokamera private Urlaubsfotos bzw. -filme gespeichert hatte, bekam de facto keine Rückvergütung. Nach dem Entwurf soll der Verbraucher für eine Rückvergütung nun „glaubhaft machen“ müssen, dass er das erworbene Speichermedium nicht für Vervielfältigungen benutzt. Wie soll der Verbraucher aber beweisen, dass er zum Beispiel einen USB-Stick nicht für Kopien urheberrechtlich geschützter Werke verwendet hat? Der Entwurf ist offensichtlich darauf ausgelegt, die Befreiungsquote für Verbraucher auch künftig in einem minimalen Rahmen zu halten.
Zum ebenfalls heiß diskutierten Leistungsschutzrecht für Verleger siehe die Stellungnahme von Prof. Dr. Forgó, der auch darauf hinweist, dass der Gesetzesentwurf der EU-Kommission vor einer Beschlussfassung im Nationalrat mitzuteilen wäre (eine sogenannte „Notifikation“). Eine Beschlussfassung vor der Sommerpause würde daher unter Umständen gegen Europarecht verstoßen. Mit anderen Worten: Wird am Zeitplan festgehalten, so könnte dies die rechtliche Unanwendbarkeit der zu frühzeitig erlassenen Normen zur Folge haben.
* Martin Prohaska-Marchried ist Head of IP/IT bei Taylor Wessing CEE.
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