Das WIFI Tirol bietet bereits seit vielen Jahren umfangreiche, praxisbezogene Lehrgänge für alle Sparten der Informationstechnologie an: von IT-Lehrabschlüssen über Ausbildungen zu IT-Spezialisten bis hin zu Masterlehrgängen mit akademischem Abschluss. Die COMPUTERWELT sprach mit IT-Lehrgangsleiter Peter Schittenkopf. [...]
Wo sind die größten Unterschiede und auch Vorteile gegenüber dem universitären Weg?
Das wäre ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen, da die Herangehensweise sehr unterschiedlich ist. Die Universitäten lehren vor allem die Theorie rund um Bits und Bytes. Man verlässt die Universität mit einem breiten theoretischen Wissen, steht aber dann beim Berufseinstieg vor dem Problem, keine Programmiersprache im Detail zu beherrschen. Deshalb unterrichten wir am WIFI auch viele Universitätsabsolventinnen und -absolventen, um ihnen konkrete Programmiersprachen für die Praxis beizubringen.
Bei unseren Ausbildungen gehen wir im Vergleich zu universitären Ausbildungen einen komplett anderen Weg. Wir beginnen sofort mit der Praxis und die Theorie fließt begleitend mit ein. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Trainerinnen und Trainer am WIFI Tirol aus der Wirtschaft kommen und aktiv im Berufsleben stehen. Die meisten davon sind in der Programmierung und/oder in der Technik tätig, manche sind selbst Gründerinnen und Gründer von lokalen Tech-Unternehmen. Dieses gebündelte Knowhow geben sie an die Teilnehmenden weiter. Generell finde ich auch die österreichischen universitären Bildungsangebote in Informatik hervorragend. Diese zwei Ausbildungszweige – Universität und praxisbezogene Lehrgänge – stehen nicht in Konkurrenz. Im Gegenteil, sie ergänzen sich gegenseitig nahezu perfekt.
Was können Absolventinnen und Absolventen in Sachen IT-Karriere erwarten? Wie stehen die Job-Chancen generell?
Die Aussichten auf einen fair bezahlten, sicheren Job in der IT sind sehr gut in Österreich und die Digitalisierung schreitet mit großen Schritten voran. Besonders in Zeiten der Pandemie zeigt sich, wie systemrelevant die IT tatsächlich ist. Dabei ist branchenunabhängig einigen Unternehmen der Bedarf an hauseigenen Entwicklerinnen und Entwicklern beispielsweise erst richtig bewusst geworden. Dementsprechend viele Stellen finden sich auch auf großen Jobportalen sämtlicher österreichischer Bundesländer. Der Trend zum Home Office eröffnet auch Möglichkeiten, länderübergreifend auf EU-Ebene arbeiten zu können und vervielfacht die offenen Stellen für österreichische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Damit verbunden ist auch ein gesunder Konkurrenzkampf um Arbeitskräfte in der Programmierung und Entwicklung. Daraus resultieren für Angestellte in diesem Bereich eine häufig überdurchschnittlich gute Bezahlung und meist auch sehr attraktive Sozialleistungen.
Welche ist die primäre Zielgruppe für Ihre Angebote? Was sollten Interessentinnen und Interessenten jenseits der formalen Kriterien mitbringen?
Es gibt keine primäre Zielgruppe, Ausbildungen und Chancen in der IT sind für alle Menschen zugänglich und geeignet, völlig unabhängig von demographischen Daten wie Alter oder Geschlecht. Neben dem Interesse an Informatik, Computern und Programmierung sollten Teilnehmende vor allem Leidenschaft und eine gesunde Portion Kreativität mitbringen. Dieser Aspekt wird in der Branche tendenziell viel zu wenig kommuniziert, das gehört definitiv in den Fokus gerückt. Es gibt unendliche Möglichkeiten der Herangehensweise, um einen Algorithmus oder ein Programm zu entwickeln. Hier ist oft der eigene Einfallsreichtum gefragt, was den Beruf unter anderem auch so spannend macht. Am Ende ähnelt die eigene Software meist einem Bau- oder Kunstwerk, die Entwicklerinnen und Entwickler hinterlassen im Code ihre eigene Handschrift.
Noch immer werden Entwickler oft als Zahlenjongleure dargestellt, die kryptisch aussehende mathematische Formeln auf den Bildschirm niederschreiben. Mit diesem Mythos sollte auch in Österreich endlich aufgeräumt werden. Tatsächlich gibt es nämlich bei der Entwicklung von Software etliche Bereiche, in denen die Mathematik lediglich eine untergeordnete Rolle spielt, wie etwa das Design oder die Programmierung eines Frontends.
Arbeiten Sie bei Ihrem Ausbildungsangebot mit der lokalen Wirtschaft zusammen?
Ja, derzeit arbeite ich an einem Kursmodell, das es lokalen IT-Firmen ermöglicht, eine Patenschaft zu übernehmen und Teilnehmern anschließende Praktika im Unternehmen anzubieten.
Ergreifen Sie Maßnahmen, um den Frauenanteil in der IT zu steigern?
Bill Gates und Steve Wozniak sind zwei der bekanntesten Namen der Computerbranche. Dabei wurde das erste Computerprogramm der Welt ca. 150 Jahre zuvor entwickelt – von einer Frau. Ada Lovelace gilt als erste Programmiererin der Welt, als Pionierin der modernen Informatik. In den Kinderschuhen der Programmierung galt dieser Beruf sogar als reine Frauensache. Durch fehlende weibliche Arbeitskräfte im IT-Bereich wird enorm viel Potenzial verschenkt. Initiativen bzw. gezielte Maßnahmen zur Steigerung des Frauenanteils eignen sich sehr gut, um dem viel zitierten Fachkräftemangel entgegenzuwirken und für mehr Diversität in der Branche zu sorgen. Genau hier setze ich als Lehrgangsleiter einen Schwerpunkt bei der Planung meiner Programmierkurse. Ich forciere einen Anteil an Trainerinnen von mindestens 50 Prozent, um interessierten Teilnehmerinnen die Hürde zu nehmen bzw. gegen das Vorurteil anzukämpfen, sie würden hier Männer-Terrain betreten. Es sollte generell österreichweit eine Kampagne für eine Erhöhung des Frauenanteils in der IT-Branche gestartet werden.
Gibt es Pläne, das derzeitige Ausbildungsangebot zu erweitern? In welche Richtung soll sich dieses bewegen?
Wir arbeiten stets an Möglichkeiten und Ideen, um das Ausbildungsangebot attraktiver und vor allem zeitgemäß zu gestalten. Der Fortschritt an Technologien wird nahezu jedes Quartal auf neue Beine gestellt.
Eine regelmäßige Anpassung von Lehrgängen ist dabei unabdingbar. Wir legen sehr großen Wert darauf, nicht nur oberflächlich passende Themen anzubieten und interessant klingende Kurstitel zu generieren, sondern diesen auch inhaltlich gerecht zu werden.
Damit wollen wir auch einen Beitrag dazu leisten, den Wirtschaftsstandort Österreich in der IT-Landschaft international konkurrenzfähig zu machen.
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