Geht es um die Entwicklung praxistauglicher Mixed-Reality-Lösungen (MR) hat das AIT Center for Technology Experience europaweit eine Spitzenposition inne. Während ab Ende Juli ein MR-Trainingssystem für medizinische Einsatzkräfte in ganz Europa im Praxiseinsatz getestet wird, entwickelt das AIT bereits eine Extended-Reality-Lösung (XR) für die Forstwirtschaft. [...]
Komplexe Notfallsituationen mit vielen Verletzten und Toten wie ein Flugzeugabsturz oder ein Bahnunglück sind eine riesige Belastung für die medizinischen Ersthelferinnen und -helfer, die bei der medizinischen Hilfe schnelle Entscheidungen treffen müssen und im wahrsten Sinne über Leben und Tod entscheiden. Die vom AIT Center for Technology Experience im Rahmen eines EU-Forschungsprojekts seit 2020 entwickelte MED1stMR-Lösung dient dazu, Einsatzkräfte darauf bestmöglich vorzubereiten und komplexe Szenarien vorab zu trainieren.
Die Lösung basiert auf Mixed-Reality-Technologie (MR). Das bedeutet, dass virtuelle Szenarien mit realen Objekten in Echtzeit miteinander verknüpft und genutzt werden. Die Einsatzkräfte trainieren mithilfe von VR-Headsets komplexe Notfallszenarien. Es kommen sogenannte Trainingsmanikins zum Einsatz – bei MED1stMR sind das Hightech-Simulationspuppen, die im Projekt gemäß den Anforderungen der Trainer und Trainerinnen entwickelt worden sind. Damit können unterschiedlichste Verletzungen sehr realitätsnah simuliert und trainiert werden. Mit Ende Juli testen jetzt Einsatzkräfte in ganz Europa dieses neue MR-Trainingssystem: Neben den Johannitern aus Österreich und den Johannitern International (Belgien) sind noch SERMAS – SUMMA (Spanien), das Hellenic Rescue Team (Griechenland), das Universitätsklinikum Heidelberg (Deutschland), das Notfalls-Traningszentrum Campus Vesta (Belgien) sowie die Region Jämtland Härjedalen (Schweden) bei MED1stMR beteiligt. Insgesamt sind 18 Partner aus neun Ländern involviert. Das letzte Drittel des Projekts startet im zweiten Halbjahr 2023 und läuft bis Anfang 2024. Hier werden rund 200 Notfallssanitäter und -sanitäterinnen an insgesamt sechs Feldversuchen in ganz Europa teilnehmen. Das Projekt endet im Mai 2024.
Arbeitssicherheit in der Forstwirtschaft
Unter Leitung des AIT Center for Technology Experience entsteht mittlerweile eine weitere Trainingslösung, die diesmal auf Extended Reality (XR) setzt. Das vom BML geförderte Projekt FWSafeXR ist eine XR-Trainingslösung für alle, die in der Forstwirtschaft tätig sind. Der Ausgangspunkt ist die Frage, ob ein Training mithilfe von VR-Brillen und simulierten Szenarien die Arbeitssicherheit im Wald erhöhen kann. Es geht darum, sicherheitskritische Aspekte der Waldarbeit durch Simulation erlebbar und erfahrbar zu machen. Und das Gefahrenpotenzial bei der Waldarbeit ist hoch.
Laut einer Statistik des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (KFV) über die vergangenen fünf Jahre sind etwa ein Drittel aller tödlichen Arbeitsunfälle Forstunfälle. 1.900 Menschen müssen jährlich in Österreich aufgrund von Waldunfällen im Krankenhaus behandelt werden. Mit guter Arbeitsvorbereitung und gezieltem Training könnte die Arbeitssicherheit um einiges erhöht werden. Arbeitssicherheit wird allerdings oft nicht ausreichend trainiert. Hier kommt das Projekt FWSafeXR ins Spiel. Es geht dabei darum, sicherheitsbezogene Trainingsinhalte in der Forsttechnik zu erkennen und in XR-Technologie zu simulieren. Dies schließt auch den Bereich der medizinischen Ersthilfe im Wald mit ein, der sehr eng mit sicherheitsrelevanten Aspekten in der Forsttechnik verwoben ist. Weiters wurde ein Gamification-Konzept entwickelt, um das Training mittels spielerischer Elemente anzureichern.
„Der besondere Vorteil von XR-Technologien liege darin, dass Auszubildende gefährliche Situationen realitätsgetreu simuliert in einer sicheren Umgebung erleben können, ohne sich realen Gefahren aussetzen zu müssen“, erklärt AIT-Projektleiter Raimund Schatz vom Center for Technology Experience. Er ist überzeugt, dass durch XR-basiertes Lernen und Erleben eine nachhaltige Veränderung des Verhaltens der trainierenden Forstarbeiter und Forstarbeiterinnen in realen Arbeitssituationen erreicht werden kann.
Neben dem AIT Center for Technology Experience als Projektkoordinator sind die Forstlichen Ausbildungsstätten (FAST) Traunkirchen und Ossiach des Bundesforschungszentrums für Wald (BFW), das Österreichische Rote Kreuz Landesverband Oberösterreich, der Arbeiter-Samariterbund-Österreich und die MINDCONSOLE GmbH am Projekt beteiligt.
Es gibt drei Ausbildungsmodule: Vorbereitende Maßnahmen vor dem Arbeitseinsatz im Wald, sicherheitsrelevante Aspekte der Baumfällung (inklusive Sicherung des Geländes) und Anforderung und Einweisung eines Rettungshubschraubers nach einem Arbeitsunfall.
„Im Juni fand eine groß angelgte Evaluationsstudie statt, mittels der wir erstmalig einen wissenschaftlichen Nachweis der Wirkung von XR-basiertem Training in der forstlichen Ausbildung erhalten“, ist Florian Hader, Leiter der FAST Traunkirchen, begeistert. Bisher sind alle Ergebnisse sehr positiv ausgefallen, einschließlich des Feedbacks der Teilnehmenden, und werden in weitere Projekte einfließen. „Die Erfahrungen und Ergebnisse dieses Projekts sind wegweisend für weitere Schritte in der Arbeitssicherheit, Prävention und Hilfeleistung“, blickt AIT-Projekteiter Raimund Schatz bereits positiv in die Zukunft.
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