Laut Johann Martin Schachner, CEO von Atos Österreich, hat die Krise unter anderem dazu geführt, dass Technologie heute viel stärker aus der Sicht der Anwender gesehen wird. So steht der digitale Arbeitsplatz zunehmend im Zentrum von Transformationsmaßnahmen. Damit verbunden: die Änderung der Unternehmenskultur und die Stärkung von gegenseitigem Vertrauen. [...]
Was wäre passiert, wenn die Pandemie vor 25 Jahren ausgebrochen wäre? „Man muss sich diese Frage bewusst stellen“, sagt Johann Martin Schachner, CEO von Atos Österreich, im Gespräch mit der COMPUTERWELT. „Da haben wir gerade begonnen, E-Mail-Systeme einzuführen oder Handys zu verwenden, die von smart weit entfernt waren. Hätten wir damals die heutige Situation erlebt, würde der wirtschaftliche Einbruch nicht sieben oder acht Prozent betragen, sondern 75 Prozent. Den Unterschied macht die Technologie.“
Laut Schachner hat die COVID-19-Krise in vielen Unternehmen zum Umdenken geführt. „Unsere Kunden haben die gesamte Phase genutzt, um begonnene Projekte weiterlaufen zu lassen. Neue Projekte sind jedoch überdacht worden und zwar in einer viel größeren Dimension als bisher. Das Ziel lautet: Wie können wir Technologie viel stärker in unsere Prozesse, Services und ins Portfolio bringen? Das ist ein dramatisch anderer Ansatz als vor der Krise, wo es entsprechende Überschriften gegeben hat, aber keine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Konsequenzen. ›Ich will in Zukunft nicht Waschmaschinen verkaufen, sondern Waschgänge‹, ist zwar ein guter Ansatz. Was jedoch dafür notwendig ist, wurde vielen erst vor kurzem klar.“
In der ersten Zeit der Pandemie galt es für die meisten Unternehmen, auf Home Office umzustellen. Atos unterstützte dabei etwa mit digitalen Software-Lösungen und Tools, wie zum Beispiel Microsoft Office 365. Doch der Zugang zu diesen Tools allein garantierte nicht, dass die Mitarbeiter fähig waren, flexibel und effizient von jedem Ort aus zu arbeiten. Viele Mitarbeiter standen der digitalen Herausforderung im Home Office und des „Remote Working“ zum ersten Mal gegenüber.
Daher hat Atos unter dem Titel „Future Ready – Crashkurs“ ein neues Trainingsformat entwickelt, das persönliche Produktivität und Wohlbefinden, Zusammenarbeit im Team, Sicherheitsbewusstsein beim Remote Working und ausgewählte IT-Tooltrainings umfasst. „Nur Laptops zur Verfügung zu stellen, nutzt nichts, wenn die Applikationslandschaft und Prozesse nicht entsprechend aufgestellt sind“, sagt Schachner. „Das haben die meisten Unternehmen erkannt und begonnen, sich mit den grundlegenden Fragen auseinander zu setzen. Beispiel: Wie muss ich meine Unternehmens-Applikationen gestaltet, damit ich die Prozesse mobil und sicher abbilden kann? Mit anderen Worten: Unternehmen haben angefangen, von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, vom digitalen Arbeitsplatz aus zu denken.“ Wenn die erwähnten Voraussetzungen geschaffen sind, dann lassen sich auch virtuelle Projekte umsetzen, die vor kurzem noch nahezu undenkbar waren. So hat das Atos-Team während des ersten Lockdowns eine SAP-Einführung in Brasilien erfolgreich über die Bühne gebracht – und das vom oberösterreichischen Home Office aus.
Digital Workplace
Der Arbeitsplatz der Zukunft ist bei Atos schon seit vielen Jahren ein zentrales Thema, das nun weiter verstärkt wird. Die Pandemie hat auch dazu geführt, dass die Arbeitsmethoden für das eigene Unternehmen neu überdacht wurden. „Wir haben vor rund eineinhalb Jahren mit einem Konzept über die Zukunft der Arbeit begonnen. Hier waren etwa Telefonkabinen ein Thema, um im Büro ungestört telefonieren zu können. Während der Corona-Krise haben wir das Konzept, das ich Shared Desk 2.0 nenne, grundlegend überarbeitet. Es entstand ein Modell, in dem unsere Mitarbeiter höchste Flexibilität genießen. Telefonieren können sie zu Hause viel besser, daher braucht es im Büro keine Telefonkabinen, sondern eine Infrastruktur, mit der sie optimal zusammenarbeiten können. Dazu gehören offene Räumlichkeiten oder große interaktive Bildschirme. Außerdem muss alles sehr einfach funktionieren. Wir sind alle unter Druck. Da ist es ärgerlich, wenn man mit Kabeln hantieren muss, um ins Unternehmensnetzwerk zu kommen oder an einem virtuellen Meeting teilzunehmen.“
Eine Quelle für dieses Modell war eine interne Umfrage: „Einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter benötigen mehr als zwei Stunden pro Tag für den Arbeitsweg. Mit Home Office lässt sich also viel einsparen, was vor allem auch Eltern zugute kommt, die ihre Kinder vom Kindergarten oder von der Schule abholen müssen. Wenn jemand ins Büro kommen soll, muss es dafür einen wichtigen Grund geben und nicht nur, weil es die Führungskraft so will. Die entscheidende Frage ist, wie ein Betrieb seine Arbeitsabläufe so gestalten kann, dass es für den Unternehmenszweck und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter optimal ist. Das ist für jedes Unternehmen natürlich unterschiedlich. Ein Industriebetrieb wird sich ganz andere Gedanken machen, als ein Dienstleistungsunternehmen wie Atos, das mit seinen 110.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Arbeitsleitungen auf der ganzen Welt erbringen kann.“ Außerdem müsse man, so Schachner, für optimale Home Offices sorgen. „Ich habe die These ausgestellt, dass nach der Krise Gebäudedesigner und Innenarchitekten neue Konzepte entwickeln werden, wo das Home Office automatisch mitgedacht wird. Es geht darum, dass man auf geschickte Art und Weise von zu Hause aus seine beruflichen Verpflichtungen erfüllen kann. Das betrifft die Möbel oder die Netzwerkverbindung. Dieser Trend wird wahrscheinlich viel schneller kommen, als wir glauben.“
Vertrauen als Basis
Neben den technischen und infrastrukturellen Voraussetzungen stellt die neue Arbeitswelt natürlich auch hohe Ansprüche an die Unternehmenskultur, hier speziell an das Führungsverhalten: „Ich muss mir als Führungskraft überlegen, wie ich meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter virtuell erreiche und führe, auch wenn sie physisch nicht anwesend sind. Dafür braucht es eine Vertrauenskultur, die wir seit 25 Jahren leben und ständig weiterentwickeln. Das machen wir nicht, weil es gut klingt, sondern weil es nicht anders geht. Ich muss einem Mitarbeiter vertrauen, dass seine Arbeitszeitaufzeichnungen stimmen, wenn er bei Kunden ist. Das gleiche gilt für die virtuelle beziehungsweise hybride Arbeitswelt der Zukunft. Als wichtigsten Kontrollmechanismus haben wir den Kunden. Wenn unsere Performance nicht passt, zahlt er die Rechnung nicht.“
Atos Österreich-CEO Johann Martin Schachner spricht auch die rechtlichen Voraussetzungen für die moderne Arbeitswelt an. Kollektivverträge mit 50-prozentigem Zuschlag ab 19:00 seien nicht unbedingt im Sinne jener Mitarbeiter, die ihre Arbeit lieber am Abend erledigen. „Andererseits muss natürlich auch sichergestellt werden, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht ausgenutzt werden. Flexibilität bedeutet nicht, dass E-Mails, die die Führungskraft am Wochenende schreibt, sofort beantwortet werden müssen. Hier gilt es, eine klare Grenze zu ziehen.“
Atos OneCloud
Aus technischer Sicht hat die Krise einen Boost in Sachen Cloud Computing gebracht. Mit Atos OneCloud hat das Unternehmen mit Hauptsitz in Bezons bei Paris vor kurzem eine Lösung vorgestellt, die einerseits die Migration beschleunigen, andererseits das Geschäftspotenzial der Cloud durch optimierte Geschäftsprozesse und modernisierte Anwendungen freisetzen soll. In erster Linie zielt Atos OneCloud darauf ab, den Kunden eine Umgebung zu liefern, die an ihre jeweilige Branche angepasst ist, auf ihre speziellen Marktherausforderungen eingeht und dem Reifegrad ihrer Cloud-Entwicklung entspricht, der entweder „grundlegend“, „opportunistisch“, „strategisch“ oder „transformativ“ sein kann.
Das Besondere der Lösung ist, dass sie branchenspezifische Beratung mit Expertise in der Anwendungstransformation in einem End-to-End-Service-Portfolio bündelt. Den Fahrplan für die Unternehmenstransformation können die Kunden mitgestalten, der von Atos und seinem Partnerökosystem – darunter Amazon Web Services, Dell Technologies (einschließlich Dell EMC und VMware), Google Cloud, Microsoft Azure, SAP, ServiceNow und Salesforce – durchgängig entwickelt und umgesetzt wird.
Atos OneCloud umfasst unter anderem die Multi-Cloud-Orchestrierung von Private und Public Clouds bei allen wichtigen Public-Cloud-Anbietern zur Maximierung der Anwendungsmigration und Portabilität zur Senkung der Betriebskosten sowie zur Gewährleistung der Cloud-Interoperabilität. Integriert sind außerdem Überwachungsdienste für Cybersecurity, mit denen sich Cloud-native Sicherheitskontrollen durchführen und Bedrohungen in einem präskriptiven beziehungsweise prädiktiven Modus antizipieren lassen. Der Leistungskatalog von Atos OneCloud bietet zudem Cloud Artificial Intelligence und Machine Learning zur Verbesserung von Geschäftsprozessen, zur Schaffung neuer Lösungen und zur Monetarisierung von Unternehmensdaten. Bemerkenswert sind auch Dekarbonisierungsangebote, die Jahr für Jahr eine Reduzierung des CO2-Fußabdrucks von Cloud-In-frastruktur, Daten und Anwendungen garantieren sollen.
In den kommenden fünf Jahren will Atos seine Investitionen von insgesamt rund zwei Milliarden Euro in das Cloud-Angebot intensivieren, den bestehenden Pool an Experten-Zertifizierungen erweitern, die F&E-Ergebnisse beschleunigen, Cloud-Investitionen für Kunden vorantreiben und Akquisitionen vervielfachen.
Neue Geschäftsmodelle
Was den Einsatz von künstlicher Intelligenz betrifft, sagt Johann Martin Schachner: „Es gibt keinen Kundentermin, bei dem es nicht um Use Cases geht. Es ist noch kein Thema, mit dem man Millionenumsätze macht, aber es beschäftigt alle.“ Der Atos-CEO glaubt nicht, dass KI jemals den Menschen ersetzen wird. Für den digitalen Arbeitsplatz der Zukunft werde sie jedoch eine zentrale Rolle spielen. „Wenn ein Tiroler einen Servicedesk-Mitarbeiter in Polen anruft, der zwar perfekt Hochdeutsch spricht, den Dialekt aber nicht versteht, dann könnte KI den Gesprächsverlauf analysieren und den Mitarbeiter mit entsprechenden Fachinformationen oder Lösungsvorschlägen versorgen, die in der Expertendatenbank verfügbar sind.“
Gemeinsam mit dem österreichischen Startup-Unternehmen Smart Digital hat Atos eine Lösung entwickelt, die Drohnen mit Kameras und automatisierte Anomalien- und Gefahrenerkennung auf Basis von KI und Machine Learning umfasst. Sie dient der Überwachung von Infrastruktureinrichtungen wie Straßennetzen oder Wildwasserverbauungen sowie land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen. „Es geht jedoch nicht immer nur um Kostenoptimierung. Wir haben beispielsweise mit Coca Cola einen Use Case gebaut, wo wir 1,5 Millionen Kühlschränke zur optimalen Befüllung vernetzten. Da dies mit Marketingmaßnahmen verbunden wurde, konnte der ROI dank additivem Umsatz innerhalb weniger Wochen erreicht werden. Das Beispiel zeigt, dass Technologie uns nicht nur das Überstehen von Krisen wie der COVID-19-Pandemie erleichtert oder die Produktivität steigert und Kosten reduziert. Sie kann uns auch zu völlig neuen Geschäftsmodellen führen und schon heute Services vorbereiten, von denen wir noch gar nicht wissen, dass sie einmal wichtig werden“, so Schachner abschließend.
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