Nancy Wießner (Bild oben), die bei VERBUND für das CIO Office verantwortlich ist, verfolgt eine Strategie der Gleichberechtigung. Dabei geht es ihr unter anderem darum, weibliche Nachwuchstalente für die IT zu gewinnen. [...]
Traditionelle Unternehmen stehen vor der Herausforderung des Generationenwechsels – gleichzeitig bietet dieser aber auch die Chance eines Umdenkens. Nancy Wießner, Verantwortliche für das CIO Office bei VERBUND, sieht ein hohes Potenzial in der Zusammenarbeit von interdisziplinären und diversen Teams.
Welche Bedeutung hat denn gender diversity für ein Unternehmen? Welche Vorteile bringt ein ausgewogeneres Geschlechterverhältnis?
Gender Diversity geht für mich nicht mit einer »erzwungenen« Frauenquote einher. Vielmehr sehe ich darin eine aktive Strategie zur Gleichberechtigung. Im Gegensatz zu Startups müssen traditionelle Unternehmen hierfür eine Transformation durchleben und zum Teil den kulturellen Wandel gezielter ansteuern.
VERBUND hat mit seinem Projekt »Gender Balance – mit mehr Vielfalt in die Zukunft« schon den ersten Schritt gemacht. Im Fokus steht einerseits die Weiterentwicklung von vorhandenem Personalpotenzial und andererseits die aktive Suche nach weiblichen Nachwuchstalenten, vor allem im technischen Bereich. Frauen erhalten bei uns die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten optimal einzusetzen und im weiteren Verlauf eine hohe Expertise aufzubauen. Dafür erhalten sie den bestmöglichen Support von ganz oben.
VERBUND legt großen Wert darauf, seine Mitarbeiterinnen zu fördern und den Weg zur Experten-Karriere oder sogar zu einer Führungslaufbahn zu eröffnen. Das zeigt sich auch sehr gut im Zuge unserer Neuausrichtung, bei der die Themen Digitalisierung und Informationssicherheit mit IT und Telekom unter unserem Bereichsleiter Thomas Zapf zusammengeführt werden. Das damit verbundene Projekt #DigitalizeIT soll nicht nur zur optimalen Steuerung im Holdingbereich auf die zentrale Leistungserbringung der Service Gesellschaft beitragen, sondern auch im Rahmen eines Talente-Managements Top-IT-Kompetenzfelder analysieren und Entwicklungsmöglichkeiten aufzeigen. So erhielt ich zum Beispiel auch die Chance, neben meinen Haupttätigkeiten im CIO Office im Bereich Data Science »reinzuschnuppern«.
Der Trend zur Verschiedenartigkeit hat sich durchgesetzt und das aus gutem Grund: Diverse Teams sind kreativer, innovativer und somit auch erfolgreicher. Ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis führt zu einer stärkeren Feedbackkultur und einer besseren Arbeitsatmosphäre. Damit steigt auch die Motivation untereinander, was wiederrum einen positiven Einfluss darauf hat, Projekte voranzutreiben. Durch das Einbinden unterschiedlicher Perspektiven laufen heterogene Teams zudem seltener Gefahr Fehlentscheidungen zu treffen. Die Bündelung der Stärken aller Teammitglieder ermöglicht ein effizientes und zielgerichtetes Arbeiten – und macht darüber hinaus auch mehr Spass.
Die IT-Branche ist immer noch männlich dominiert. Ist es hier besonders schwer, als Frau Karriere zu machen?
Ja richtig, die IT-Branche ist noch immer männlich dominiert. Aber ich bin davon überzeugt, dass Frauen die gleichen Möglichkeiten haben, Karriere zu machen. Die Frage ist: Wollen sie das? Ich habe das Gefühl, dass ihnen dafür manchmal der gewisse »Biss« beziehungsweise der Mut und das Selbstbewusstsein fehlen. Frauen wollen mit Leistung überzeugen, Männer mit Worten. Obwohl das jetzt sehr pauschaliert klingt, steckt hinter dieser Aussage ein Fünkchen Wahrheit. Leider wird die Leistung oftmals übersehen. Ein gutes Lobbying oder Selbstmarketing haben da mehr Chancen. Frauen sollten sich über ihre Stärken und Kompetenzen mehr im Klaren sein. Sie sollten auch lernen, hartnäckig zu bleiben. Andernfalls bleiben sie immer hinten nach. Ich selber habe meine Hartnäckigkeit im Leistungssport erlernen dürfen. Der Umgang mit Rückschlägen, Disziplin und auch ein positiver Blick in die Zukunft haben mir neue Türen eröffnet.
Ich möchte noch erwähnen, dass auch die Unternehmenskultur einen wesentlichen Einfluss darauf hat, ob sich Frauen auf Führungspositionen bewerben. Es würden sich vermutlich mehr Frauen für eine Karriere entscheiden, wenn trotzdem eine Work-Life-Balance gewährleistet ist. Man darf auch nicht außer Acht lassen, dass viele Frauen Angst davor haben, nur als »Quoten-Frau« in der IT-Branche wahrgenommen zu werden. Ich selber durfte bei VERBUND innerhalb meiner Abteilung für Digitalisierung, Informationssicherheit und IT Services die Erfahrung machen, dass man als Frau ernst genommen wird und dieselben Chancen wie die männlichen Kollegen hat.
Wie geht es Mädchen in der technischen Ausbildung?
Vor meiner Karriere in der IT war ich im Personalmarketing tätig, vorrangig für die Durchführung von Karriere- und Lehrlingsmessen. Hier hatte ich viel Kontakt mit den Lehrlingen bei VERBUND. Besonders froh war ich, wenn mich die Mädchen am Messestand unterstützt haben. Hier hatte ich auch die Gelegenheit, gut Einblicke in die dreijährige Doppellehre in Elektro- und Metalltechnik zu bekommen. Das Feedback der Mädchen zu ihrer technischen Ausbildung war immer sehr gut. Sowohl in der Lehrwerkstätte als auch im Kraftwerk selber fühlten sie sich sehr wohl, sie waren gut im Team integriert und in keinster Weise benachteiligt. Einige berichteten mir, dass sie nach ihrem Abschluss auch noch die Meisterprüfung machen wollen.
Mein Eindruck auf den Messen war, dass vor allem die jüngeren Kinder – egal welchen Geschlechts – sehr interessiert an Technik waren und sehr spielerisch einen Stromkreis legen konnten. Umso älter sie wurden, umso mehr war der Einfluss von ihrem Umfeld – Eltern, Freunde, Gesellschaft – spürbar. Das hat mir gezeigt, dass man den Mädchen schon von klein an die Freude an Technik vermitteln sollte.
Welche Bedeutung haben Role Models und Vorbilder?
Role Models können durchaus Mädchen beziehungsweise junge Frauen bei der Wahl ihrer Ausbildungsrichtung beeinflussen. Es würde mich daher nicht wundern, wenn heute viele Mädchen Influencer werden wollen. Programmierer wirken da eher »uncool«. Hierfür braucht es authentische und empathische Rollenmodelle, die aufzeigen, wie vielfältig und spannend die IT-Welt sein kann. Am besten eignen sich Personen aus dem näheren Umfeld und der Familie – zum Beispiel der beste Freund oder die große Schwester. Vorbilder, wo man glaubt, deren Werdegang nacheifern zu können, steigern die Motivation und den Durchsetzungswillen. Dennoch sollte man sich nicht zu sehr vergleichen, sondern auch darauf achten, was einem Freude macht.
Was sind denn Ihre drei wichtigsten Tipps an junge Frauen, die in der IT oder in der IT-Branche Karriere machen wollen?
Lasst euch nicht von den Anforderungen im Stelleninserat abschrecken: Aus meiner Erfahrung weiß ich, dass sich Führungskräfte oftmals für den Kandidaten beziehungsweise die Kandidatin entscheiden, der/die am besten ins Team passt. Fehlenden Zertifizierungen oder Fachkenntnisse können leichter nachgeholt werden, als dass man die Persönlichkeit ändert. Wenn euch eine Stelle interessiert, dann bewerbt euch!
Bildet euch weiter: Es ist wichtig, dass ihr stets euren Horizont erweitert. Bleibt auf dem Laufenden! Das ist vor allem in der IT besonders wichtig. Nur so habt ihr die Chance mitzureden.
Vernetzt euch: Ein gutes Netzwerk ist das A und O für eine erfolgreiche Karriere. Der Aufbau und die Pflege von persönlichen und beruflichen Beziehungen bietet einen weitvollen Wissensaustausch, Möglichkeiten an Kooperationen oder sogar neue Jobmöglichkeiten. Nutzt auch die bereits vorhandenen Frauenkarrierenetzwerke in den sozialen Medien.
Neben diesen allgemeinen Tipps empfehle ich jungen Absolventinnen, die Möglichkeit eines Traineeprogramms zu nutzen. Wir bei VERBUND suchen beispielsweise regelmäßig junge talentierte Frauen für unser Traineeprogramm, vor allem im Bereich Informatik. Die Einsatzgebiete sind dabei sehr vielfältig: von der Applikationsbetreuung über IT-Infrastruktur und IT-Servicemanagement zu IT-Security oder Digitalisierungsprojekten.
Wo gibt es denn aus Ihrer Sicht die größten Handlungsfelder in Unternehmen und in der Gesellschaft, um diese Situation zu verbessern?
Wie ich bereits erwähnt habe, ist bei Kindern noch oft die Neugierde für Technik vorhanden. In erster Linie liegt somit die Verantwortung bei den Eltern: Sie können ihren Kindern aufzeigen, wie sinnvoll es ist technische Fertigkeiten zu besitzen. CoderDojo ist beispielsweise ein tolles Programm für Kinder, wo die Softwareentwickler der Zukunft alles rund ums Thema Programmieren lernen. Diese Veranstaltung findet regelmäßig bei uns in der VERBUND-Unternehmenszentrale beziehungsweise derzeit online statt. Und hier zeigt sich auch, dass die Mädchen den Burschen beim Programmieren um nichts nachstehen.
Der CoderDojo-Club ist ein gutes Beispiel dafür, wo wir in der Gesellschaft ansetzen müssen – nämlich frühzeitig bei der Bildung unserer Kinder. IT-Basiswissen und Programmieren sollte ein Bestandteil des Lehrplans an Schulen sein. Damit wirkt man einem Ungleichgewicht hinsichtlich des Geschlechts entgegen. Unternehmen können ebenfalls einen große Beitrag dazu leisten. Durch Förderung junger Frauen zum Beispiel mit einem Frauenstipendium wie bei VERBUND oder durch Praktika-Plätze kann schon früh ein positives Arbeitgeberimage aufgebaut werden. Auch die internen Entwicklungsmöglichkeiten für Potenzialträgerinnen durch Job Rotation oder abteilungsübergreifende Projekttätigkeiten sind wichtige Handlungsfelder. Daneben braucht es eine flexible Arbeitszeitgestaltung, Regelungen für einen schnellen Wiedereinstieg nach der Karenz und die Schaffung eines gleichen Rollenverständnisses.
Welche Rolle spielen Mentoring und Coaching? Wo kann man sich Unterstützung suchen?
Coaching hilft, nicht Sichtbares sichtbar zu machen. Das kenne ich sehr gut aus eigener Erfahrung. Ein Blick von außen kann sehr hilfreich sein, Dinge auf den Punkt zu bringen. Oftmals kommt man während dem Reden schon selbst auf Ideen und Handlungsoptionen. Prinzipiell eignet sich ein Coaching für viele Themen, wo man Sorgen oder Probleme verspürt. Viele größere Unternehmen bieten heutzutage schon Coaching im Rahmen von EAS – Employee Assistance Service – an.
Ein etwas persönlicherer Kontakt ermöglich das Mentoring. Bestenfalls bekommt man als Neueinsteiger im Unternehmen schon einen Mentor zur Hand. Damit gelingt ziemlich sicher eine schnellere Eingewöhnungsphase. Für den weiteren Karriereverlauf sollte man sich eine Bezugsperson etwa im seinem beruflichen Kontext suchen, von der man sich inspirieren lassen und lernen kann. Es ist ein großartiges Gefühl, jemanden an seiner Seite zu wissen, der an dich glaubt und dich motiviert. Denn manchmal braucht es nur einen kleinen »Schubs« in die richtige Richtung.
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