Vor fast drei Jahren hat OpenAI ChatGPT vorgestellt. Die Euphorie über diese Technologie und ihre Möglichkeiten ist nach wie vor ungebrochen. Die meisten Studien erkunden die künftigen Einsatzmöglichkeiten von KI. ITWelt.at hat sich jene angesehen, die Rückschau halten und den bereits erbrachten Nutzen generativer KI für Unternehmen untersuchen. Ein kleiner Realitätscheck. [...]
Mit der Veröffentlichung von ChatGPT im November 2022 leitete das amerikanische Unternehmen OpenAI das Zeitalter der generativen künstlichen Intelligenz ein. Die Leistungsfähigkeit und die Möglichkeiten waren beeindruckend und Studie beschrieben und beschreiben, den enormen Nutzen, den diese disruptive Technologie Unternehmen, aber auch der Allgemeinheit bietet. Während in die Zukunft blickende Studien nach wie vor ein extrem positives Bild von GenAI, wie generative KI auch genannt wird, zeichnen, ist jetzt ein guter Zeitpunkt zurückzublicken, um die tatsächliche Wirkung und den reellen Nutzen dieser KI für Unternehmen zu ermittelns und dabei gleich auf einige der größten Fehler bei der Einführung von KI hinzuweisen.
Hier ist zunächst die sehr breit angelegte Studie „Large Language Models, small labor market effects“ (https://www.nber.org/papers/w33777) der Wissenschaftler Anders Humlum und Emilie Vestergaard interessant, die die beiden beim National Bureau of Economic Research, einer US-amerikanischen Forschungsorganisation, veröffentlicht haben. Es wurden 25.000 Arbeitnehmer an 7.000 Arbeitsplätzen in elf exponierten Berufen in Dänemark untersucht. Dänemark deswegen, weil es dort mehr Daten zur Arbeitszeit gibt, die Nutzung von KI aber mit jener in den USA vergleichbar ist. Das Ergebnis: Trotz erheblicher Investitionen blieben die wirtschaftlichen Auswirkungen minimal. Die Wissenschaftler konstatierten, dass „KI-Chatbots in keinem Beruf signifikante Auswirkungen auf das Einkommen oder die erfassten Arbeitsstunden hatten“. KI-Chatbots brachten den Nutzern durchschnittlich eine Zeitersparnis von nur drei Prozent. Und nur 3 bis 7 Prozent der Angestellten erzielten durch die dank KI gesteigerte Produktivität höhere Gehälter.
Fazit der Autoren: „Unsere Ergebnisse stellen Erzählungen über bevorstehende Arbeitsmarktveränderungen durch generative KI in Frage.“ Dennoch sei diese Untersuchung nicht unbedingt ein Widerspruch zu Studien mit positiveren Ergebnissen, betonen Humlum und Verstergaard, denn diese untersuchen vor allem Bereiche wie Software-Entwicklung oder Personalmanagement, wo tatsächlich größere Zeitersparnisse erzielt werden können. Wird die Auswirkung von KI über mehrere Branchen hinweg untersucht, fallen die Zeitersparnisse deutlich geringer aus.
Alleingelassene Mitarbeiter
Ein differenziertes Bild ergibt auch die neue Studie „AI at Work 2025“ (www.bcg.com/publications/2025/ai-at-work-momentum-builds-but-gaps-remain) der Strategieberatung Boston Consulting Group (BCG), für die weltweit über 10.000 Angestellte befragt wurden (darunter etwa 1.000 in Deutschland). Demnach fühlt sich knapp ein Drittel der Mitarbeitenden in den befragten Unternehmen (36 Prozent) nicht ausreichend auf den Einsatz von KI vorbereitet. Der fehlende Zugang zu passenden Tools und mangelnde Unterstützung durch die Führungskräfte führt dazu, dass die Hälfte der Befragten (54 Prozent) im Zweifel auch ohne Zustimmung ihrer Arbeitgeber auf KI-Anwendungen zurückgreifen, die ihren Arbeitsalltag erleichtern – Stichwort „Schatten-KI“.
Für einen sinnvollen KI-Einsatz im Arbeitsumfeld ist die bloße Technik laut BCG nicht ausreichend. Es fehle vielen Unternehmen im Umgang mit KI »klare Führung, praxisnahes Training und transparente Kommunikation«, konstatiert Philipp Kolo, Partner bei BCG und Experte für die Arbeitswelt. In der Realität bekomme nur ein Viertel der Angestellten ohne Führungsverantwortung beim KI-Einsatz bisher klare Unterstützung durch Vorgesetzte, so Kolo. Dort, wo Angestellte von Führungskräften mit der Technologie nicht alleine gelassen werden, falle die Einstellung zu KI auch viel positiver aus.
Fazit der Studie: „Während insgesamt das Vertrauen in KI-Anwendungen wächst und die Sorgen vieler Arbeitnehmender hinsichtlich der Technologie abnehmen, schafft es ein Großteil der Unternehmen derzeit noch immer nicht, aus ihrem KI-Einsatz tatsächlichen Mehrwert zu generieren.“
Nur als Selbstzweck eingeführte KI-Tools bedeuten, so BCG, vergebene Chancen. Jetzt gehe es um die Transformation von kompletten Prozessen, Rollen und Arbeitsweisen. Wo das geschehe, berichteten Unternehmen von deutlich höheren Produktivitätsgewinnen, strategischerem Arbeiten und einer höheren Zufriedenheit unter ihren Mitarbeitenden. Interessanterweise ist in solchen KI-affinen Unternehmen ein Paradox festzustellen, da sich just hier besonders viele Beschäftigte (46 Prozent anstatt 36 Prozent in nicht KI-affinen Betrieben) vom technologischen Wandel bedroht fühlen. Deswegen sei eine transparente Kommunikation im Unternehmen bezüglich KI von immenser Bedeutung, so BCG.
KI-Einführung ohne Strategie, dafür aber schnell
In einer aktuellen Studie (www.ibm.com/thought-leadership/institute-
business-value/en-us/c-suite-study/ceo) vom IBM Institute for Business Value wurden in Zusammenarbeit mit Oxford Economics zwischen Februar und April 2025 weltweit 2.000 CEOs aus 33 Ländern und 24 Branchen über Einsatz und Investitionen in KI befragt. Es zeigt sich, dass die CEOs sich bei der Wahl zwischen kurzfristiger Rentabilität und langfristiger Innovation oft für ersteres entscheiden. So berichten die Führungskräfte, dass nur 25 Prozent der KI-Initiativen in den letzten Jahren den erwarteten ROI erbracht hätten, und nur 16 Prozent setzen KI unternehmensweit ein. Gegenwärtig erzielen bloß etwas mehr als die Hälfte (52 Prozent) laut den befragten CEOs einen Wert aus generativen KI-Investitionen, der über die reine Kostenreduktion hinausgeht.
Die Angst ins Hintertreffen zu geraten (FOMO – fear of missing out) lässt 64 Prozent der befragten CEOs Investitionen in einige Technologien tätigen, ohne noch ein klares Verständnis des Wertes zu haben, den diese für das Unternehmen bringen. Tatsächlich sind 37 Prozent der Meinung, dass es bei der Einführung neuer Technologien besser ist, „schnell und falsch“ zu sein als „richtig und langsam“.
Richtet sich der Blick in die Zukunft, wird es schnell optimistischer: 85 Prozent der befragten CEOs schätzen, dass sich ihre Investitionen in KI-Effizienz und Kosteneinsparungen bis 2027 rechnen werden, während 77 Prozent eine positive Rendite aus ihren Investitionen in KI-Ausbau und -Wachstum erwarten.
Um den höchsten Nutzen von KI zu erschließen, auch wenn es im Unternehmen an Fachwissen und Fähigkeiten mangelt, sind nach Ansicht der befragten CEOS strategische Führung und spezialisierte Talente essentiell. 69 Prozent der CEOs sind überzeugt, dass der Unternehmenserfolg direkt mit dem Behalten von Führungskräften verbunden ist, die über ein tiefes Verständnis der Strategie verfügen und darauf basierende wichtige Entscheidungen treffen können.
Ein großes Hindernisse für Innovationen im Unternehmen sei die mangelnde Zusammenarbeit über organisatorische Silos hinweg, die Abneigung gegen Risiken sowie der Mangel an Fachwissen und Kenntnissen. Die befragten CEOs erwarten, dass etwa ein Drittel (31 Prozent) der Belegschaft in den nächsten drei Jahren eine Umschulung und/oder Neuqualifizierung benötigen wird, während 65 Prozent mittels Automatisierung Qualifikationslücken schließen wollen. Durchaus eine Herausforderung ist die Tatsache, dass 54 Prozent der CEOs Stellen im KI-Bereich besetzen, die es vor einem Jahr noch gar nicht gab.
Klar ist aber auch: Trotz der hier aufgezeigten Schwierigkeiten ist generative KI natürlich eine Technologie mit enormen Potenzial. Eine erfolgversprechende Umsetzung benötigt jedoch eine Strategie, entsprechende Schulungen sowie eine aktive und transparente Begleitung der Mitarbeitenden seitens der Führungskräfte.

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